Gedenken an die Opfer des Holocausts

Heute vor 74 Jahren befreite die Rote Armee die verbliebenen Gefangenen des Vernichtungslagers Auschwitz/Birkenau, in dem über eine Millionen Menschen ermordet wurden. Auschwitz steht seitdem symbolisch für den Holocaust, dem organisierten, industrialisierten Massenmord an Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Homosexuellen und als „Asozial“ verfolgten und vielen weiteren, denen durch den Nationalsozialismus ihre Existenzberechtigung abgesprochen wurde. Der Holocaust ist untrennbar verbunden mit dem zweiten Weltkrieg, der als radikalimperialistischer Vernichtungskrieg um „Lebensraum“ in Osteuropa besonders grausam geführt wurde. Wir wissen heute, dass der Holocaust arbeitsteilig von ziviler Verwaltung, deutscher Polizei, Armee und SS und Verbündeten Nazideutschlands in den besetzten Ländern durchgeführt, von der deutschen Bevölkerung begrüßt oder geduldet wurde.

Die überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald schworen nach ihrer Befreiung, die Täter und Täterinnen zur Verantwortung zu ziehen, sie schlossen ihren Schwur mit den Worten „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“

Heute leben wir in einem Deutschland, das die Zerschlagung des Nationalsozialismus von außen mystisch in einen neuen nationalen Gründungsmythos umdeutet. Die „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“ ist dem Staat und der Gesellschaft vor allem ein Anliegen, einen besseren Nationalismus zu predigen. Während Mahnmäler heftig diskutiert werden, ist die Errichtung von Einheitsdenkmälern und solchen Stätten, die die deutsche Geschichte lieber als einen Kampf um Freiheit und Demokratie verstanden wissen wollen, gesellschaftlicher Konsens. Die deutsche Gesellschaft ist geprägt durch eine Verdrängung der kolonialistischen Erfahrungen, in denen die Grundlagen für nationalsozialistische Raumkonzepte, Genozid und Großmachtstreben zusammenkommen und der Vereinnahmung des Gedenkens an die deutschen Verbrechen des Nationalsozialismus für eine neue deutsche Ideologie. Die symbolische Abgrenzung zu Neonazis wie Björn Höcke, die richtig ist, ersetzt dabei eine Auseinandersetzung mit der realpolitischen Gegebenheit einer Gesellschaft, in denen die Wurzeln des Nazismus die Grundlage für eine erfolgreiche Mobilisierung der parlamentarischen extremen Rechten darstellen. Der deutsche Einheits- und Erinnerungskonsens ist 1990/91 stehen geblieben, nur um sich 2006 im Zuge der Männerfußball-WM seiner letzten kritischen Elemente zu entledigen. Währenddessen konnte der selbsternannte „Nationalsozialistische Untergrund“, ein bundesweites rechtsterroristisches Netzwerk mit einem Kerntrio, ungehindert rassistische Mord- und Bombenanschläge verüben.

Ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus darf nicht ein Fest für eine angebliche Läuterung des deutschen Nationalismus sein, sondern muss eine immerwährende Anklage gegen alle Wurzeln des Nazismus in der Gesellschaft bleiben, in der die rassistische Verschärfung die politischen Lager von Sozialdemokraten bis AfD eint, in der rechter Terror und Terrorismus ungebrochen ist, verharmlost wird, und seine Opfer nicht gehört und diffamiert werden. Erinnern heißt, nationale Selbstvergewisserung zu stören, das Gedenken im Sinne der Opfer gegen die Umstände zu richten, die ihre Täter*innen zu ihren Taten befähigten.

Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens uns der Freiheit ist unser Ziel, die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist eine dringliche Losung. Wir folgen dieser Losung in dem bemühen eine reale Gesellschaft zu erreichen, in der Auschwitz nie wieder möglich ist.