Leben in Angst? – Illegalisierte Geflüchtete in Deutschland

Laut einer Schätzung der Europäischen Kommission halten sich etwa zwischen 1,9 Mio. und 3,8 Mio. Menschen nach geltendem EU-Recht „illegal“ in der EU auf. In der BRD sind es nach jüngsten Schätzungen etwa eine halbe Million Menschen.

„Illegale Migration“ an sich ist ein soziales, politisches und juristisches Konstrukt. So zielt die Bundespolitik darauf ab Geflüchtete, welche sich ihrer rassistischen Abschottungspolitik widersetzen, zu „illegalen Migrant*innen“ zu machen. Geflüchtete werden somit von staatlicher Seite illegalisiert. Dies geschieht mit vielfältigen Mitteln, etwa wenn mal wieder die sogenannten sicheren Herkunftsländer um einige erweitert werden und plötzlich seit langem in Deutschland lebende Flüchtlinge abgeschoben werden sollen. Dabei wird zum einen mit sicherheitspolitischen Gründen argumentiert, etwa wenn der Terrorismus mit der „unkontrollierten Zuwanderung“ in Verbindung gebracht wird. Zum anderen werden die chronisch überforderten Sozialsysteme häufig als Grund hinzugezogen — denn „illegalisieren“ lässt es sich gut, wenn man behauptet, dass die als „illegal“ Klassifizierten das Sozialsystem ausnutzen.Verpackt wird das Ganze mit der Bezeichnung des „ordnungspolitischen Diskurses“, welcher zutiefst rassistisch und nationalistisch, aber leider vorherrschend ist.

So etwas wie illegale Migration gibt es in Wirklichkeit nicht. Migration ist seit jeher Teil menschlichen Lebens. Unter bestimmten Umständen und aus vielerlei Gründen ist es Menschen ein grundlegendes Bedürfnis, an einem anderen Ort als ihrem jeweiligen Geburtsort oder –land zu leben. Der politische und gesellschaftliche Umgang damit ist häufig von Willkür geprägt und unterliegt staatlichen und machtpolitischen Interessen.In Deutschland bedeutet der Aufenthalt ohne jeglichen Status ein Leben in ständiger Angst. Nicht nur, dass es keine Möglichkeit gibt, Leistungen über das Sozialsystem zu beziehen. Auch ein Ärzt*innen-Besuch bleibt illegalisierten Geflüchteten aufgrund mangelnder Krankenversicherung in der Regel verwehrt. Lediglich in medizinischen Notfällen sind Krankenhäuser verpflichtet Menschen ohne Krankenversicherung zu behandeln.

Das Medinetz Göttingen und das Medinetz Hannover ermöglichen die Vergabe von anonymisierten Krankenscheinen, was die Hürde beim Arztbesuch für Illegalisierte verringert.Mit einer Erkrankung kann aber auch der Jobverlust einhergehen, da Illegalisierte einer Arbeit ohne vertraglich geregeltes Arbeitsrecht nachgehen und kein Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Sie werden meist zu prekären Bedingungen angestellt und im Krankheitsfall einfach nicht weiter beschäftigt. Die Jobs, die sie verrichten, müssen meist im Unsichtbaren stattfinden, da ständig die Gefahr einer Zollkontrolle besteht. Hinzu kommt, dass Illegalisierte keine Chance auf offizielle Bildungsangebote erhalten und ständig der Gefahr ausgesetzt sind, aufgrund des sogenannten „Übermittlungsparagraphen“ durch Sozialarbeiter*innen oder andere öffentliche Stellen denunziert zu werden.

Im Bereich der Schulbildung und Krankenversorgung wurde zumindest die „Pflicht“, Illegalisierte zu melden, aufgehoben. Versuchen sie vom Bildungs-, Sozial-, oder Gesundheitssystem Gebrauch zu machen, verlangen die zuständigen Stellen meist offizielle Papiere. Aus Angst, kontrolliert zu werden, kommt es häufig vor, dass Illegalisierte ihr Haus nur sehr selten verlassen. Besonders erdrückend ist die Angst trotzdem in Kontakt mit den Behörden zu kommen, denn die BRD besitzt ein einzigartig engmaschiges System der Registrierung. Aber das größte Problem stellen alltägliche Probleme dar. So ist der internationale Führerschein nur in Verbindung mit einem Reisepass gültig. Zudem darf kein Unfall passieren, da bei so etwas unweigerlich der Kontakt zur Verkehrspolizei entstehen könnte. Kontakte mit anderen Menschen werden nur sehr vorsichtig geknüpft, da immer die Gefahr besteht, dass jemand bei einer Behörde arbeitet und den illegalen Aufenthalt meldet – was zur sofortigen Abschiebung führen würde. Auch können Illegalisierte keinen Urlaub im Ausland machen, da sie so Gefahr laufen würden, an der Grenze kontrolliert zu werden.Das Anmieten einer Wohnung ist nur über eine Art „Strohmieter*in“ möglich, da kaum jemand an Menschen ohne Papiere eine Wohnung vermietet. Auch ist das Mieten häufig mit dem Nachweis von Sicherheiten verbunden, denn die Vermieter*innen wollen sich oft vergewissern, ob die Mieter*innen auch die Miete zahlen können, die von ihnen verlangt wird. Hinzu kommt, dass sie seit 2015 verpflichtet sind, den Mieter*innen eine Bescheinigung über den Einzug auszustellen, wozu sie deren Papiere benötigen.

Wohn-Patenschaften als Angebot für Menschen ohne Recht

Das von uns maßgeblich mit organisiete antirassistische Wohnprojekt „OM10“ will dem jetzt mit Wohn-Patenschaften entgegenwirken. Die Idee entspricht einem einfachen Umverteilungsprinzip. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, an den vom Wohnprojekt ins Leben gerufenen Verein „Our House e.V.“ Geld zu spenden. Der Verein will dann zukünftig von diesen Spenden die Mieten von Menschen ohne Rechte finanzieren, so dass diese ohne Papiere in Wohnungen leben können. Um einen Wohnplatz zur Verfügung stellen zu können, werden 200 € an monatlichen Spenden benötigt. Wer Interesse an einer solchen Patenschaft hat, kann schon mit einer monatlichen Spende von bspw. 10 – 50 € unter dem Spendenstichwort „Patenschaften“ etwas dazu beitragen.

Spendet an:
Our House e.V.
Sparkasse Goettingen
IBAN: DE98 26 0500 0100 5605 9660

Die gesamte Demontage #7 gibt es hier zum Download.