Redebeitrag auf der Demo am 19.05.2016

Vor ein paar Monaten ging ein großer Aufschrei durch die Stadt als der Südniedersächsische DGB-Landesvorsitzende behauptete, Geflüchtete seien in der Göttinger Innenstadt ohnehin nicht gern gesehen. Nun sehen wir eine städtische Politik, die genau dies als systematische Politik betreibt: Geflüchtete sollen nicht mehr in den Stadtteilen, sondern am äußersten Rand Göttingens, mitten in einem Gewerbegebiet untergebracht werden.

Geflüchtete aus bereits bestehenden dezentralen Unterkünften sollen umgesiedelt werden, die Stadt droht mit Zwangsräumung. Ihnen wird jeder Anspruch auf Unterbringungsstandards pauschal abgesprochen. Das Wohnen in einer Sammelunterkunft mit 400 Menschen unter einer Decke, nur getrennt durch eingezogene Gipswände, bedeutet für die Bewohner*innen eine große Belastung. Ruhe oder Privatssphäre – daran ist hier nicht zu denken.

Die Bewohner*innen sprechen sich aus guten Gründen gegen diese willkürliche Umquartierung aus: Sie bedeutet eine massive Verschlechterung ihrer Wohnbedingungen. Zudem werden sie erneut aus ihrem sozialen Umfeld gerissen.

Ein solches administratives Herumschieben von Menschen hat mit einer menschenwürdigen Behandlung nichts zu tun und ist nicht hinzunehmen. Wir werden die Geflüchteten in ihrem legitimen Kampf, dort wohnen zu bleiben, wo sie wollen, unterstützen und rufen zum Widerstand gegen diese städtische Verdrängungspolitik auf.

Diese Politik ist nicht alternativlos, sondern das Produkt bewusster Entscheidungen. Immer wieder wurde mit Aktionen wie der Besetzung der OM10 auf vorhandenen ungenutzten Leerstand aufmerksam gemacht. Durch die Nutzung derartiger Immobilien könnte langfristig ein menschenwürdiges Wohnen für alle möglich werden.

Die Rechtfertigung der Stadt für die Räumung des Hagenwegs, nämlich die Schaffung einer Unterkunft für alleinreisende Frauen mit Kindern, ist ein besonders perfides Beispiel für das Ausspielen von Geflüchteten untereinander. Das nun die einen weichen müssen, damit die anderen Platz haben, ist keine unumgängliche Notwendigkeit. So bestünde die Möglichkeit, andere leerstehende Häuser zu diesem Zweck zu verwenden. In der Gartenstraße 37 befindet sich ein seit zwanzig Jahren leerstehendes Wohnhaus. Anstatt die Geflüchteten vom Hagenweg zum Auszug zu zwingen, fordern wir dieses Gebäude für die dringend benötigte Unterbringung alleinreisender Frauen zu nutzen!

Dies wäre eine mögliche Alternative! Dass nun hauptsächlich Geflüchtete aus dezentralen Unterkünften in die Siekhöhe umquartiert werden sollen, zeigt aber, dass es nicht um fehlenden Platz geht. Eine Notsituation, die eine kurzfristige Unterbringung in einer Lagerhalle rechtfertigen würde, ist derzeit in Göttingen nicht gegeben.

Eine solche Isolierung und Zentralisierung fernab von jedem sozialen und kulturellen Leben ist für die Behörden durchaus von Vorteil, da sie eine ständige Kontrolle und Reglementierung der Geflüchteten möglich machen. Abschiebungen können so wesentlich schneller und einfacher durchgeführt werden. Erst gestern früh zeigte diese repressive Politik ihr Gesicht mit der Abschiebung einer 6-köpfigen Familie aus der Groner Landstraße.

Aus diesen Gründen stehen wir der Belegung und Nutzung der Siekhöhe entgegen. Durch die Beteiligung vieler Menschen konnte gestern die Zwangsverlegung der Bewohner des Hagenwegs gestoppt werden, Lasst uns diesen Protest fortführen und zeigen, dass sich die Stadt hier nur die Finger verbrennt. Tragt euch auf die Telefonliste ein, die Flyer werden auf der Demo verteilt. Im Fall einer Zwangsräumung, wenn Menschen gegen ihren Willen verlegt werden sollen, informieren wir euch per SMS, damit sich möglichst viele an einer erfolgreichen Blockade beteiligen können.

In diesem Sinne: Siekhöhe is nicht! Für menschenwürdige Unterbringung und gegen Zwangsverlegungen!
Solidarity for all!