Quelltext: Wie ich am Ende des Milleniums einen Naziaufmarsch verhindere!

Wie ich am Ende des Milleniums einen Naziaufmarsch verhindere!

Was die geschichtliche Stunde jetzt möglich macht

Die faschistische Bewegung erreichte in den letzten Jahren eine neue Qualität. Die Masse all jener, die ihr angehören, ist nicht von ungekanntem Ausmaß. Das hatten wir alles schon mal, bis sich der Staat 1993 nach der administrativen Umsetzung der Forderungen der Straße in Form einer restriktiven AusländerInnenpolitik, die Herrschaft über das Gewaltmonopol zurückholte. Der Backlash für die Nazis auf der Straße setzte ein, als die gesamtdeutsche Ordnung auch im Osten in der Lage war, ihre Verwaltungsmacht exekutiv auszuleben. Politisch wurde trotz der damit einsetzenden Beruhigung auf der Straße nichts besser. Die Nazis waren nicht alle ins Kleinkriminelle oder andere bürgerliche Nischen abgerutscht. In den ländlichen Gegenden, wo sie sich am ungestörtesten halten konnten, entwickelten sich autonome Kameradschaften und jene rechte Kulturhegemonie, die in allen Bereichen der Gesellschaft wirkend und sich reproduzierend von uns das Label “Rechter Konsens” bekam.

Seit Anfang 1997 hatte die NPD zunehmend Erfolge, in diesem Feld autonomer Kameradschaften Parteistrukturen zu etablieren. Im Harz konnten sie auf die von Hupka dominierten Strukturen Einfluß gewinnen, in Wurzen, wie in Zittau und ganz Sachsen, war der Zulauf der Nazijugend am stärksten. Mit der NPD bekamen die Strukturen der Nazis vor Ort einen bundesweiten Überbau und das Zeitalter der Aufmärsche brach an. Der Kampf um die Straße wurde von den Funktionären ausgerufen und im politischen Bereich sollten Erlebnisdemos jenen neuen Mitgliedern geboten werden, deren Interesse, ihrer “proletarischen” Herkunft entsprechend, eher beim Zupacken als der Vereinsmeierei einer Splitterpartei lag.

In den braunen Zonen funktioniert die Stärke der faschistischen Bewegung aufgrund einer brutalen Macht: Sei bei den Starken oder krieg paar auf die Fresse. (Muß betont werden, daß die Möglichkeit des Mitmachens nur für Menschen besteht, die der Nazigemeinschaft biologisch-phantastisch zugeordnet werden? Gegen die anderen herrscht nackte Gewalt ohne Gnade.) Die Demonstrationen der Stärke, welche die NPD-Aufmärsche sein sollen, haben demzufolge eine ambivalente Wirkung. Einerseits helfen sie der Parteiführung den “jungen Wilden” Action zu bieten und sie damit zu lenken, andererseits stärken sie das Selbstbewußtsein der Kameraden und sind somit die Vorboten des gesteigerten Straßenterrors. Ihre zentrale Bedeutung für die bundesweite Struktur der faschistischen Bewegung zwingt antifaschistische Ansätze, sich mit diesen Events auseinanderzusetzen und den Nazis die Show so gut als möglich zu vermasseln.

An dieser Stelle ergeben sich eine Vielzahl von Fragen (beispielsweise über das Verhältnis von Aktion und Reaktion in antifaschistischer Politik), die uns jetzt aber alle nicht interessieren sollen, bis auf eine: Geht denn die Aktion gegen Naziaufmärsche heute überhaupt noch? Es mehren sich die Stimmen, die sagen, wenn etwas geht, dann wären die Möglichkeiten des Eingreifens autonomer AntifaschistInnen von der politischen Laune der Polizeiführung, von Zufällen oder Gott weiß was, jedenfalls nicht von der autonomen Antifa selbst bestimmbar. Ein bedenklicher Fatalismus, der die Grenzen der eigenen Politik, den Spielräumen anpassen will, die der Staat vorgibt. Doch die Bestimmung dessen, was notwendig ist, muß immer noch politisch erfolgen, um anschließend Konzepte zu entwerfen, wie diese Ziele erreicht werden können.

Nachdem die politische Einschätzung soweit gediehen ist daß Naziaufmärsche ein Übel sind, dem es entgegenzutreten gilt, ist das dezentrale Verhinderungskonzept eine Variante, wie aus dem ewig gleichen Spiel um die Aufmärsche der Vergangenheit ausgebrochen werden konnte. Wir erinnern uns: Dresden, Januar 1998. Die NPD hatte einen ihrer Umzüge angemeldet, der obzwar vom Ordnungsamt der Stadt sehr lange gedeckelt, rechtzeitig öffentlich wurde, damit ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Verbänden und der Dresdener autonomen Antifa Strategien zur Verhinderung entwickeln konnten. Obwohl vorher auch dezentrale Aktionen vereinbart worden waren, kam es am Ende zu zwei Demonstrationen. Die Nazis marschierten, die Antifas protestierten und die Polizei schützte den demokratischen Ablauf. Das Maximum an Behinderung erreichte die Kirche mit einem Dauerläuten, während der Abschlußkundgebung der Nazis. Für die Antifas und ihre BündnispartnerInnen war der Tag ein Desaster.

Warum also nicht einmal auf das Ritual einer Gegendemo verzichten, die bei größeren Mobilisierungen in den letzten Jahren nie zu den Nazis durchbrechen konnte? Warum nicht die Erfahrung von Gruppen zum Maßstab erheben, denen es immer wieder gelungen war, an die Nazis heranzukommen? Warum nicht München zum Vorbild nehmen, wo den Nazis die Abschlußkundgebung genommen wurde?

Die Erfahrungen mit solchen Ansätzen waren bis heute nur positiv. 1. Mai 1997: das Verbot des Aufmarschs und das ihm folgende organisatorische Chaos der NPD/JN-Führungsspitze sind ursächlich auf eine Antifamobilisierung zurückzuführen, die ein kaum zu kalkulierendes Element in die altvertraute Situation einbrachte. (Der befürchtete Polizeinotstand war in alter Munde, auch dem des Oberverwaltungsgerichts, das in letzter Instanz den Naziaufmarsch untersagte.) 1. Mai 1998: zwar gelang es nicht den Naziaufmarsch zu verhindern, aber eine Behinderung (angefangen von der zur Kundgebung gestutzen Demonstration bis hin zum deutlichen Zeichen, daß außerhalb des Polizeikordons das Leben für Nazis ganz schön schwer sein kann) dieses Ausmaßes ist ein Erfolg für die Antifas, die ihre Ziele, ein positives Ereignis für die faschistische Bewegung nicht stattfinden zu lassen und den Nazis auch die überproportionale Medienpräsenz zu nehmen, durchaus erreicht haben. Auch die Verknüpfung von NPD und Randale liegt wohl nicht so sehr am “martialischen” Äußeren einer Skinheadkultur, als vielmehr an der sicheren Prognose, wo die NPD aufmarschiert da kracht’s.

(Ein Image, das sich durch erfolgreiches Handeln der autonomen Antifa bei Nazitreffen auch auf diese überträgt und sie damit deutlich von jenen heuchlerischen Gutmenschen scheidet, die ein Ei auf ihrem Mantel und den mörderischen Rassismus in Deutschland nicht auseinanderhalten können. Ein Image auch, das der autonomen Antifa Handlungsfähigkeit erhält. Sie wischt niemand so leicht aus dem Spiel, wie eine DGB-Kundgebung in Hannoversch-Münden. Ein Image, das den Widerstand gegen Nazis medial immer noch zu vermitteln in der Lage ist, in Zeiten, in denen Bilder von Naziparolen chic sind in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Ein Image also, das für die autonome Antifa nicht so schlecht ist, wie viele es darstellen wollen. Obwohl Militanz nicht alles ist.)

11. Juli 1998: In Chemnitz gelingt es trotz Gegenmobilisierung und dezentralem Konzept nicht, die Nazikundgebung zu verhindern. Neben einer Menschenkette mit 6.000 Beteiligten werden aber die Aufmarschversuche der Nazis durch Antifas verhindert, die den von einem Polizeikordon geschützten Kundgebungsplatz belagern. Statt des erhofften und beispielsweise in Rostock auch erreichten Zuspruchs auf der Straße, läuft die Naziveranstaltung auf einem isolierten Platz ab, in Sichtweite zu den zahlenmäßig überlegenen Antifas. So nah an die Nazis heran zu kommen, hatten die Gegendemonstrationen schon lange nicht mehr geschafft. Daß nicht noch mehr passierte, lag nicht zuletzt an den Vorstellungen der Mobilisierten, die diese Form des Protestes ganz offensichtlich mehrheitlich vorzogen. Zwar konnte in Chemnitz niemand der autonomen Antifa attestieren, gewonnen zu haben, doch die Umsetzung des Konzeptes und die starke Mobilisierung der Stadt zur Menschenkette, ließen den Tag auch nicht zum Erfolg für die Nazis werden.

Der Beweis für die Möglichkeit, auch 1998 gegen Naziaufmärsche vorgehen zu können, sollte damit erbracht sein. Oder war am Ende alles nur Zufall, Polizeikalkül und der Wille höherer Mächte, die den Antifas an diesen Tagen in die Hände spielten?

D.I.Y. für Antifas oder Unsichtbare Konzepte

Von außen mag das durchaus so aussehen, doch um ein dezentrales Konzept durchzuführen ist nicht weniger, sondern mehr an Vorbereitung notwendig als für die Gegendemonstration deines Vertrauens.

Wir brauchen Handlungsfähigkeit in jeder Situation, also eine Art Demoleitung, die zwar nicht bestimmen kann, was abgeht, aber ein vollständiges Bild der Lage zusammensetzen und vermitteln muß und wir brauchen Konzepte. Konzepte für alles, was passieren kann. Andernfalls sieht die Staatsmacht und die Antifas sind blind. Infotelefone, Recherche und Handlungsbereitschaft vor Ort sind also Grundvoraussetzungen, die am Tag selbst gegeben sein müssen, um optimale Bedingungen zu garantieren. Fast wichtiger sind jedoch die Konzepte, was angeboten wird wenn …, denn die Situation soll ja so unübersichtlich und kritisch wie möglich bleiben. Das Ziel kann nur sein, im Rahmen eines organisierten Chaos Situationen zu schaffen, die Aktionen ermöglichen. Je nach Erfolg der Aktionen sind also Polizei und Nazis zum Reagieren gezwungen.

Hier läßt sich nicht jedes Detail durchspielen, aber die Muster für unvorhergesehene Änderungen und gescheiterte Teilkonzepte müssen im Vorfeld diskutiert und klar sein. Das macht Vorbereitungstreffen etwas spannender, weil es jetzt im technischen Teil nicht mehr nur darum geht einen Treffpunkt und die Anfangszeit zu erfahren, bevor die Plakate fertig sind. Stattdessen werden diese Treffen immer mehr zu Orten an denen sich die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen deutlich zeigt. Ereignisse von bundesweiter Bedeutung müssen auch im Vorfeld so behandelt werden. Strategische Fragen gilt es zu klären, nicht allein von der vom Schicksal des Aufmarschs getroffenen Gruppe vor Ort. Zu vieles ist zu tun, zu wenig läßt sich schematisch planen und nicht zuletzt ist die Größenordnung der Mobilisierung eine Entscheidung von bundesweiter Bedeutung. Schließlich ist auch die bundesweite Antifaszene nicht jedes Wochenende in der Lage, durch die gesamte Republik zu reisen, weshalb gemeinsame Entscheidungen für bundesweite Mobilisierungen Standard seien müssen.

Durch lange Tradition im Bereich der Recherche, wird dieses Feld leicht überbewertet. Es geht darum die Lage zu kennen und zu vermitteln. Mehr nicht. Ein zuviel führt nicht selten zu Konfusion und Gerüchteküche. Unauffälligkeit und flexible Konzepte entwickeln sich dagegen zum Trumpf, denn das Augenmerk der Beamten liegt seit jeher auf Strukturen und es ist schade, wenn wegen ein paar Verhaftungen alles in sich zusammenbricht. So wie es ein Infotelefon regelmäßig macht. Entweder es rufen zu viele an, oder es gibt durch Staat bzw. Nazis verursachten Ärger. Wer jetzt noch ein paar Leute, mit der Möglichkeit trotzdem an den aktuellen Stand zu kommen und gutem kommunikativen Potential auf der Straße hat, ist gut beraten. Doch mit diesen konzeptionellen und organisatorischen Vorarbeiten ist es noch nicht getan.

Wer in der eigenen Stadt nicht über eine ausreichend starke Antifaszene verfügt, um das Problem selbst zu lösen, wird mobilisieren müssen und, da der klassische Anlaufpunkt Gegendemonstration fehlt, andere legale Möglichkeiten bieten müssen, möglichst nah an die Nazis heranzukommen. Ein breites Bündnis von gesellschaftlichen Kräften, die bereit sind, sich an der offensiven Be- oder Verhinderung des Naziaufmarschs zu beteiligen, macht es leichter Anmeldungen für Gegenkundgebungen zu finden, die als Anlaufpunkte dienen können. Gleichzeitig ist die öffentliche Vermittlung und Werbung für eine solch offensive Verhinderung das Mittel der Spaltung des Antifalagers in “gut” und “böse” nach bekanntem Muster zu verhindern. Offensiv heißt dabei nicht notwendig militant. Alle die bereit sind sich den Nazis direkt entgegenzustellen, können sich an offensiven Verhinderungskonzepten beteiligen. Politische Auseinandersetzung heißt schließlich nicht, dem Problem mit Demonstrationen und Kundgebungen fernab der Nazis aus dem Weg zu gehen. Auch die Demonstrationen von Nazis, sind öffentliche Veranstaltungen und können nicht den Schutz vor einer kritischen Öffentlichkeit beanspruchen, egal was dem Polizeipräsidenten gerade lieber wäre.

Trotzdem schränkt das Beharren auf offensiver Verhinderung die Breite der Bündnisse erheblich ein. Doch ein Bündnis das ehrlich auf Be- und Verhinderung von Naziaufmärschen aus ist und diese Position auch in der Öffentlichkeit vertritt ist allemal mehr wert, als eine schon vollzogene Wende des Bündnisses zu defensiven Strategien, die die Nazis ungestört lassen, während die autonome Antifa sich zugunsten eines Konsens, der sie ausschließt selbst verleugnet.

Ist alles soweit gediehen, kann es am Tag des geplanten Aufmarsches losgehen. Handelt es sich wirklich um die angekündigten Großereignisse, wird es auch dem Polizeistaat schwer fallen, seine Kräfte bis ins letzte zu splitten. Aus zwei bis drei Richtungen fahren sowohl Antifas als auch Nazis auf Vorkontrollen zu, in denen sich damit ohnehin Sicherheitsprobleme ergeben (das alte Tankstellenproblem, nur das diesmal die Polizei schon vor Ort ist). Sollte jetzt die Polizeiführung beschließen, die Nazis in die Stadt zu lassen, die Antifas aber nicht, ergibt sich folgendes Szenario: an den Vorkontrollstellen sammeln sich Antifas, wütend und wild zu allem möglichen entschlossen, weil die Polizei sie nicht mitspielen lassen will, vereinzelte Nazis kommen vielleicht immer noch dort an, weshalb die aufzubietenden Kräfte eher verstärkt als abgebaut werden müssen. Gleichzeitig beginnt aber die Naziveranstaltung anzulaufen, bei der Ausschreitungen durch TeilnehmerInnen unbedingt aus politischem Kalkül zu vermeiden sind, denn wer will sich schon gern vorwerfen lassen Antifas behindert zu haben, während Nazis gleichzeitig Jagd auf ihre Opfer machten. Außerdem ist damit zu rechnen, daß doch ein Teil der Antifas durchgekommen ist und versucht zu den Nazis zu gelangen. Hier ergeben sich Risiken und Größenordnungen eines Einsatzes der das Ausmaß des Ausnahmezustandes erreicht hätte. Das wollen wir schon erstmal erleben bevor wir einsehen, daß da nichts mehr geht.

Ähnliche Überlegungen legen nahe, daß die Abschirmung der Nazis, wenn sie nicht durch geographische Gegebenheiten sehr begünstigt wird, in keinem allzugroßen Rahmen erfolgen kann. Auch hier ist es nicht wirklich Großmut, wenn die Polizei Antifas immer wieder sehr nah an die Nazis heranließ.

Neue soziale Bewegung “Antifa”

Doch bevor wir uns endgültig euphorischen Unbesiegbarkeitsphantasien hingeben, soll noch eine Kleinigkeit angesprochen werden, die wohl auch dann nicht an Bedeutung verliert, wenn die NPD sich entschließen sollte, die Strategie der Aufmärsche nicht weiterzuverfolgen. Nach 6.000 nicht-“extremistischen” Antifas in Chemnitz und 10.000 in Rostock muß wohl auch das bürgerliche Engagement gegen Nazis neu bewertet werden. Die Assoziationen zu den Lichterketten anläßlich der Abschaffung des Asylrechts sind naheliegend. Der Vorwurf der Heuchelei bleibt berechtigt und die lokalpatriotischen Beweggründe sind nicht zu übersehen, aber trotzdem bleibt die Frage, wie mit diesem immer dominanter auftretenden bürgerlichen “Antifaschismus” umgegangen werden kann, wie er politisch zu bewerten ist.

Entstanden ist diese Ausprägung der Standortpolitik nicht allein als Reaktion auf die Naziaufmärsche. Vielmehr, waren diese den Wächtern der Lokalinteressen immer egal, solange sie sich weitgehend unter den Teppich kehren ließen. Erst die aggressiver werdende NPD-Politik zusammen mit der von Antifas hergestellten Öffentlichkeit gegen die Ereignisse und der sich aus dieser Melange entwickelnden Krawalle, zwang Stadtverwaltungen imageschonend einzugreifen. Das spielte zunächst jenen in die Hände, die gegen die Nazis agierten, doch mit der Zeit verschob sich das Kalkül immer stärker dahin, ohne die autonome Antifa Gegenkonzepte zu entwickeln. In Chemnitz war diese darin auch von vornherein unerwünscht und auch in Rostock brauchte weder Stadtverwaltung noch Sparkassenverband die Aufrüttelung von autonomen Antifas vor Ort, um sich die “Bunt statt Braun”-Werbung für das Tor zur Welt auszudenken.

Die naive Freude über breite Anti-Nazi-Bündnisse sollte gar nicht erst aufkommen, wenn diese nur dazu dienen im Zuge des Extremismusdiskurses autonome Politikansätze aus dem öffentlichen Bewußtsein zu drängen. Schließlich ist es leicht möglich, daß im Zuge von Extremismus- und Antigewaltdogmen, die autonome Antifa Opfer des bürgerlichen “Antifaschismus” wird, ohne daß dieser das Stadium erreicht, ernsthaft gegen Nazis aktiv zu werden. Die Entscheidung vor der die Antifaszene bundesweit steht, wenn der bürgerliche “Antifaschismus” zum Trend würde, liegt zwischen einer klaren Antihaltung zu diesem oder einem Verständnis, daß bürgerlichen “Antifaschismus” als eine Art lokal agierende “neue soziale Bewegung” wahrnimmt, in der verschiedene Interessengruppen ihren Einfluß geltend machen wollen. Soll bei aller notwendigen Kritik die autonome Antifa, die klare Gegnerschaft zu Gunsten der Antinaziaktionen zurückstellend, innerhalb einer möglichen inhaltlich sehr breiten Antifabewegung nicht sich selbst verlieren, muß sie ihr Profil in Bündnissen schärfen, ihre Stärken und ihre Mobilisierungsfähigkeit gezielter einsetzen. Dem strategischen Problem eines wachsenden Einflusses staatstreuer Kräfte, kann dann nur ein neuer Umgang mit unserem Potential und seiner Platzierung in einer solch breiten Bewegung begegnet werden.

Let the kids be united

Bundesweites Vorgehen der autonomen Antifa macht eines immer wieder deutlich, wollen wir nicht an alte Schemata gebunden bleiben, sondern unsere Aktionsformen und Politik in dem notwendigen Maße aktualisieren, müssen Diskussionen mit allen geführt werden, mit denen wir diese Politik direkt umsetzen. Eine Zweiteilung der autonomen Antifa, wie es sie bei den Events gar nicht gibt und nicht geben kann, darf auch im Stadium der Diskussion nicht länger Standard bleiben. Wer über die Verhinderung von Nazigroßaufmärschen diskutieren will, muß dies gemeinsam mit allen tun, die an der Umsetzung der autonomen Konzepte wesentlich beteiligt sind. So weh es auch tun mag, sich über gewachsene Unterschiede hinwegzusetzen.

Nicht vergessen werden darf auch, daß viele der wirksamen Konzepte einen relativ hohen Grad an Organisierung der einzelnen Antifas voraussetzen. Wer nicht einer Gruppe angehört und trotzdem mit autonomer Antifapolitik sympathisiert hat bei der Verhinderung von Naziaufmärschen kaum noch die Chance an Erfolgserlebnissen teilzuhaben. In diesem Sinne gewinnen nicht-reaktive Events der autonomen Antifa an Gewicht.

Bündnis gegen Rechts Leipzig
1. Dezember 1998