1996: Bundeskongreß der
Jungen Nationaldemokraten in Leipzig (II)

 

Am Sonnabend, dem 25. Mai, begann im Siedlerheim in Meusdorf, Leipzig, der Bundeskongreß der Jungen Nationaldemokraten. Die Jungen Nationaldemokraten sind formal die Jugendorganisation der NPD, legen aber auf Eigenständigkeit und Kaderstruktur wert. Sie befürworten den Trend zur Zellenstruktur und bieten sich damit noch mehr als die Mutterpartei für 14- bis 35jährige als rechte Sammlungsbewegung für Kader aus der verbotenen Wiking-Jugend und FAP an. Daß der Bundeskongreß gerade in Leipzig stattfinden sollte, ist ein Zeichen für den Versuch, die im Muldentalkreis und Leipzig bereits bestehenden Strukturen zu stärken.

Der Ort der Veranstaltung war der Öffentlichkeit ungefähr eine Woche zuvor bekannt geworden. Nicht gerade viel Zeit, um ein tragfähiges Konzept gegen die Veranstaltung zu erarbeiten. Da schon etwas eher bekannt war, der Kongreß würde im Großraum Leipzig stattfinden, war zumindest eine Demonstration im Stadtzentrum für Sonnabend Nachmittag angemeldet worden. Einigen Menschen war aber klar, daß es als Störung effektiver sein würde, den Veranstaltungsort zu blockieren. Das Siedlerheim ist ein Gartenlokal mitten in einer Gartensparte vor den Toren der Stadt. Für faschistische Veranstaltungen wird aber nicht das Lokal selbst, sondern ein großer, unmittelbar angrenzender Saal genutzt.

Dort fand vor ungefähr zwei Jahren auch schon mal eine DVU-Veranstaltung mit DVU-Chef Frey statt. Die Abgeschiedenheit des Geländes zusammen mit der es umgebenden Gartensparte machen es der Polizei leicht, Veranstaltungen dort zu schützen. Bei der erwähnten DVU-Veranstaltumg war es deshalb unmöglich, überhaupt bis in unmittelbare Nähe des Siedlerheimes vorzudringen. Trotzdem sollte es auch diesmal einen Blockadeversuch geben. Als sich dann am Vormittag des 25. Mai eine 80-köpfige Gruppe dem Siedlerheim näherte, war die Überraschung groß, daß von Polizei, die zum Schutz der Veranstaltung angefordert worden war, nichts zu sehen war. Eine Situation, mit der niemand gerechnet hatte. Die bereits anwesende JN-Security wurde in den Saal gejagt und die Blockade begann.

Zu diesem Zeitpunkt wäre es sicher möglich gewesen, zu verhindern, daß an diesem Tag im Saal des Siedlerheimes irgendetwas stattfinden kann. Aber, wie gesagt, mit so einer Situation hatte niemand gerechnet und innerhalb weniger Minuten erschien die Polizei, um zu beschützen, was bis eben noch ungeschützt war.

Sobald die Polizei Aufstellung genommen hatte, wurde verlangt, den Platz sofort zu räumen, andernfalls drohe die Festnahme aller. Da es bis zum Zeitpunkt des Beginns des Kongresses noch zwei Stunden waren, entschlossen sich einige der BlockiererInnen, eine Kundgebung anzumelden, die auch genehmigt wurde. Allerdings unter Auflagen (Vermummungs- und Waffenverbot). Dabei wurde von der Polizei auch gefordert, den Zugang zum Gebäude zu ermöglichen. Auf diese Forderungen wurde eingegangen. Im Nachhinein wurde dies von Teilen der TeilnehmerInnen kritisiert, da damit den Anweisungen der Polizei praktisch nur noch Folge geleistet wurde. Wohl nicht zuletzt wegen der verpaßten Chance zu Beginn der Aktion sank die Stimmung rapide. Die Security der JN nutzte die Situation geschickt aus und provozierte die Blockade im Schutze der Polizei, um ein Eingreifen ihrer Bewacher zu erzwingen.

Nach mehreren Rangeleien gelang dies auch. Die Polizei forderte jetzt, wobei innerhalb der Blockade inzwischen die Zweifel gewachsen waren, daß der richtige Vetanstaltungsort und nicht nur ein potemkinsches Dorf blockiert werde, auf einen schmalen Streifen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurückzuweichen. Als dieser Aufforderung nur zögernd nachgekommen wurde, eskalierte die Situation. Der Einsatzleiter der Polizei zeigte sich zu keiner Verhandlung mehr bereit und die Kundgebung wurde formal aufgelöst. Im Gerangel kam es dabei zu einer Verhaftung. Die Blockade zog sich langsam zurück, bis sie sich ungefähr zwanzig Meter weiter entschloß, eine zweite Kundgebung zur Freilassung des Gefangenen anzumelden. Auch diese wurde genehmigt.

Eine ernsthafte Störung des Kongresses war aus dieser Entfernung bei der fehlenden Entschlossenheit der Ex-Blockade nicht mehr möglich. Sie gab lediglich die Kulisse für die unter Polizeischutz anreisenden JN-Kader ab, die vor dem Siedlerheim Interviews gaben und sich auch sonst ganz unbeeindruckt zeigten. Am Mittag wurde die zweite Kundgebung beendet. An der Demonstration, die aus der Leipziger Innenstadt nach Connewitz führte, nahmen ca. 400 Menschen aus der gesamten Region teil. Einige JN-Kader, die in der Innenstadt provozierten, sollen trolz starker Polizeipräsenz mit Blessuren nach Hause geschickt worden sein.

Aus einer weiteren Blockadeaktion am Abend des 25. Mai entwickelten sich nicht zuletzt wegen der Erfahrungen am Morgen keine Aktionen. Für die AntifaschistInnen wird es in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein, tragfähige Konzepte zu entwickeln, wie auch kurzfristig auf das Auftreten militanter Faschisten reagiert werden kann. Dabei ist die Rolle des Staates als Beschützer der faschistischen Kader ein wichtiger Punkt.

Antifa heißt unbestritten Angriff. Dazu müssen aber Mittel und Wege gefunden werden, sich nicht in Auseinandersetzungen mit der Polizei aufzureiben. Für die JN war ihr Kongreß in Leipzig die erste öffentlich bekannte Vetanstaltung, die nicht verhindert wurde. in einem Antrag an das Plauener Verwaltungsgericht argumentierte die NPD bereits mit dem friedlichen Verlauf der Proteste in Leipzig gegen eine Verbotsverfügung aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.


Der nebenstehende Artikel ist enommen aus:

Klarofix Nr. 7, Sommer 1997, S. 4–5.

Editorischer Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wurden eingie Absätze getrennt.