Neuer Führer, alte Partei

Die NPD muss den Verlust ihres bisherigen Vorsitzenden Holger Apfel verwinden.
Dadurch ändert sich das Personal, aber nicht der Inhalt.

Wenn der Apfel vom Stamm fällt, wird daraus Most. Nicht so, wenn das bei der NPD passiert: Der bisherige Vorsitzende der Partei und ihr Fraktionschef im Sächsischen Landtag, Holger Apfel, hat kurz vor Weihnachten den Rücktritt von allen Ämtern erklärt. Das kam für die Öffentlichkeit ebenso überraschend wie die Erklärung, Apfel leide an einem „Burn Out“-Syndrom. Das ist immerhin eine „Volkskrankheit“.

Dass die NPD diesen 19. Dezember so schnell weder vergessen wird, noch verkraften kann, ist aber den hektischen Entwicklungen der folgenden Tage geschuldet: Seine Fraktion hatte zunächst erklärt, Apfel werde ihr weiter angehören, und veranlasste lediglich einer Änderung der Sitzordnung im Parlament. Mittlerweile hat Apfel jedoch den Austritt aus der Partei erklärt und will sogar auf sein Landtags-Mandat verzichten.

Die Überraschung legt sich, wenn man die Hintergründe kennt: Innerparteilich wird Apfel unter anderem bezichtigt, gegenüber einem Nachwuchs-Nazi aus Leipzig anzüglich geworden zu sein in einer Weise, wie man es in einer für homophobe Parolen bekannten Partei eher nicht erwarten würde. Neu sind die Vorwürfe nicht. Drastisch sind dafür die Folgen für die NPD: Apfel war ihr bekanntester Kopf und nachweislich ein „Zugpferd“ in Umfragen. Die Chancen auf einen Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag dürften sich schlagartig verschlechtert haben, schon kurz vor Apfels Ausstieg lag die Zustimmung bei nur noch einem Prozent.

Zudem ist das Personaltableau der sowieso krisengebeutelten Partei ins Rutschen geraten: Den Fraktionsvorsitz hat der vergleichsweise wenig profilierte Johannes Müller übernommen. Neuer Parteichef ist der bisherige Vize Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern. Pastörs und Apfel hatten noch 2011 den vormaligen NPD-Chef Udo Voigt vom Thron gestoßen. Voigt aber feiert jetzt sein Comeback als Spitzenkandidat zur Europa-Wahl. Apfels Landtagsmandat würde nach Listenreihenfolge Helmut Herrmann aus Leipzig zufallen – er wäre sogleich Alterspräsident des Landtages. Aus der Partei heißt es aber, dass das Mandat gleich weiter durchgereicht werden soll zu Holger Szymanski*, aktuell NPD-Landesvorsitzender und bislang als Apfel-freundlich bekannt. So erhellt sich die „Affäre Apfel“ womöglich auch von der Frage her, wer am meisten von ihr profitiert hat.

Der Nutzen für die Partei ist dagegen noch nicht erwiesen. Verschiedene Zeitungen hatten Anfang des vergangenen Jahres mit Berufung auf Sicherheitskreise und ein Dokument, das eine Beendigung der Zusammenarbeit „in gegenseitigem Einvernehmen“ mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen dokumentieren soll, über eine frühere V-Mann-Tätigkeit Szymanskis spekuliert. Er bestreitet das. Der „Verfassungsschutz“ dementierte den Vorgang dagegen nicht.

Allerdings wäre jede Vorfreude auf den selbständigen Niedergang der Partei, wie er vermehrt prognostiziert wird, verfrüht: Die NPD ist seit Jahren in der Krise, leidet unter dem kommenden Verbotsverfahren, Finanzknappheit, sinkenden Mitgliederzahlen und ausbleibenden Wahlerfolgen. Schon jetzt ist absehbar, dass der Kommunalwahlkampf in Sachsen eher schmalspurig ausfallen wird. Es spricht Bände, dass für den Stadtrat in Wurzen – die Region galt seit langem als Hochburg der extremen Rechten – kein einziger NPD-Kandidat mehr antreten wird. Doch mit Apfel hat das nichts zu tun, vielmehr ist die Partei in ihrer bald 50-jährigen Geschichte an jahrzehntelange Durststrecken gewöhnt – das wird ihr also nicht den garaus machen.

Auch der Befund, die NPD werde sich nun unter dem rhetorischen Scharfmacher Pastörs weiter radikalisieren, trifft die Sache nicht. Denn inhaltlich passt zwischen Pastörs und seinen Vorgänger Apfel kein Blatt. Man muss der Partei viel zutrauen, aber das Kunststück, sich selbst von rechts zu überholen, ist angesichts des politischen Profils der NPD ein unmögliches Manöver. Sie wird nämlich mit und ohne Apfel darauf setzen, Stimmung gegen Asylsuchende zu machen. Sie macht aus Äpfeln nun einmal keinen Most. Sondern wühlt im Kompost der Geschichte und findet immer nur Ungenießbares: Rassismus.


* Ergänzung: Szymanski ist gestern tatsächlich als “Nachrücker” Apfels verpflichtet worden. Die NPD verspricht sich eine “Stärkung ihrer politischen Schlagkraft”. Sie ist sich also ihrer Schwächung bewusst.


Dieser Artikel der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE für antifaschistische Politik, ist soeben in der Zeitschrift „Links“ erschienen. Wir haben ihn mit freundlicher Genehmigung übernommen.