Leipzig „Querdenken 711“ – bewaffnete Angriffe durch bekannte Neonazi-Kampfsportler und Trainer

Martin Krause (links) und Marko Zschörner (rechts) als Teil des organisierten Neonazi-Mobs in Leipzig (Bildquelle: Pixelarchiv)

Am 7. November 2020 griffen in Leipzig im Rahmen des rechten „Querdenken“-Aufmarsches bekannte Kampfsportler Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen an, teilweise bewaffnet. An einem dieser Übergriffe beteiligte sich auch der Leipziger Kampfsportler und Krav Maga-Trainer Marko Zschörner („Bushido Free Fight Team“), sowie sein Schüler Martin Krause. Zschörner soll dabei einen messerartigen Gegenstand mit sich geführt haben.

Aus Augenzeugenberichten der Gewaltexzesse vom vergangenen Samstag (7. November 2020) in Leipzig wird klar: der rechte Mob, der dort Journalist_innen, Gegendemonstrant_innen und die Polizei angegriffen hatte, muss sich im Vorfeld organisiert haben. Die Übergriffe waren dabei, laut unzähligen Twitter-Meldungen, schon am Vormittag absehbar. Denn die bis zu 500 organisierten Neonazis und rechten Hooligans bauten seit ihrer Ankunft am Augustusplatz, dem Kundgebungsort von „Querdenken“, eine Drohkulisse auf, mit der die Presse und Beobachter_innen des Szenarios eingeschüchtert werden sollten.

Drohkulisse wurde schon Stunden vor dem Aufmarsch-Versuch aufgebaut

Schwarz gekleidet und durchweg vermummt, sammelte sich der rechte Mob am Augustusplatz, Zugang Goethestrasse, als geschlossene Gruppe, bis dann gegen 15:30 Uhr eine vermeintliche Auflösung der Kundgebung durch die Polizei begann. Was dann folgte war, dass dieser bedrohlich wirkende Mob in Richtung des Hauptbahnhofs versuchte zu gelangen. Dabei wurde die eingesetzte Polizei massiv mit Pyrotechnik und Flaschen attackiert. Bis in die Abendstunden zog der organisierte Mob durch die Straßen rund um die Wintergartenstraße und den Hauptbahnhof. Etliche Gegendemonstrant_innen, Journalist_innen und Einsatzkräfte wurden verletzt. Erst nach 20 Uhr wurde die Polizei der Situation habhaft.

Diese dargelegten Ereignisse sind das, was in vielen Medienbeiträgen aktuell für Furore sorgt. Dabei wird kaum erwähnt, dass größere Neonazi-Gruppen schon vor dem Aufmarsch-Versuch am Nachmittag an zahlreichen Stellen rund um die „Querdenken“-Kundgebung die Auseinandersetzung mit Demonstrant_innen antifaschistischer Bündnisse suchte. Vor allem in den Seitenstraßen um die überfüllte Einkaufstraße Grimmaische Straße kam es zu zahlreichen Übergriffen, wie auch um die Moritzbastei – dort, wo sich unweit am Roßplatz antifaschistische Demonstrant_innen versammelt hatten.

Marko Zschörner (1) und Martin Krause (2) treten den Rückzug an, nachdem sie Gegendemonstrant_innen an der Moritzbastei angegriffen hatten (Bildquelle: LVZ-Liveticker vom 7.11.2020)

Tatsächlich berichtete die Leipziger Lokalzeitung LVZ in ihrem Info-Ticker ganztägig über die Geschehnisse und veröffentlichte gegen 14 Uhr einen Fotosatz samt Video von einem dieser gewalttätigen Auseinandersetzungen an der Moritzbastei. Die Bilder zeigen bis zu zehn vermummte Neonazis, wie sie an einer Straßenecke am Kurt-Masur-Platz die Konfrontation suchen und finden. In dem Video hört man zudem eine Person mehrmals warnend sagen: „der hat ‘nen Messer“.

Mitglieder des „Bushido Free Fight Team“ als bewaffnete Angreifer

Wie Recherchen ergaben handelt es sich bei den angreifenden Neonazis an der Moritzbastei um bekannte Kampfsportler und Hooligans aus Leipzig. Bei einem – der an dem Tag nur maskiert herum lief, jedoch durch sein Basecap wiedererkennbar ist – handelt es sich um Martin Krause.
Mit rund 100 weiteren Neonazis hatte er sich am Vormittag auf einem Parkplatz an der Alten Messe gesammelt, um dann als geschlossene Gruppe in Richtung Zentrum zu fahren. In der Gruppe befanden sich diverse Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet. Krause selbst war offenbar in einer Kleingruppe mit Yves Rahmel aus Chemnitz organisiert. Rahmel ist bekannt durch seine Aktivitäten im Handel mit RechtsRock-Produktionen über das Label „PC Records“ und wird der Nachfolgestruktur von „Blood & Honour“ in Deutschland zugerechnet.

Martin Krause (1) und Yves Rahmel (2) auf dem Weg zum Augustusplatz am Morgen des 7. November 2020 (Bildquelle: Pixelarchiv)

Martin Krause bestritt etliche Kämpfe auf kommerziellen, rechts-dominierten Fightnights, wie der „Ostdeutschland kämpft“-Gala im Februar 2018. Seinen Kämpfernamen „The Bouncer“ bekam er durch seine Tätigkeit als Türsteher bei der rechten Sicherheitsfirma „Black Rainbow Security“ aus Leipzig. Eindrücklich beschrieb das Antifaschistische Infoblatt 2018 u.a. die Verbindungen der sächsischen Neonaziszene mit der Sicherheitsbranche und geht dabei auch auf Krauses Aktivitäten ein.

Links: Martin Krause (1.v.l.) und andere Anhänger der „HooNaRa-Eastside“ auf dem „HoGeSa“-Aufmarsch im Oktober 2014 in Köln (Bildquelle: Pixelarchiv) ; Rechts: Martin Krause auf einer Weihnachtsfeier der „Black Rainbow“-Security in Leipzig, bekleidet mit einem „HooNaRa-Eastside“-T-Shirt

Krause stammt ursprünglich aus dem Raum Zwickau und war dort an die Kameradschaft „Glauchauer Jungs“ angebunden. Gleichzeitig fing er in frühen Jahren an, Kampfsport zu trainieren und nahm für seinen damaligen Verein „Boxclub Chemnitz 94 e.V.“ auch an Meisterschaften im Kickboxen teil. „Schlagen ist mein Vorteil“, sagte er Mitte der 2000er Jahre in einem Interview dem Sender „Sachsen Fernsehen“ im Rahmen seiner Vorbereitung auf die „9. Saxony Open“.

Im Verein erlernte er letztendlich die Grundlagen für seine Karriere als „Gewalttäter rechts“. Denn in Chemnitz schloss er sich der berüchtigten, extrem rechten Hooligan-Gruppierung „HooNaRa“ („Hooligans Nazis Rassisten“) an. Mit diesem Zusammenhang nahm er etwa an dem gewaltsamen Aufmarsch von HoGeSa („Hooligans gegen Salafisten“) 2014 in Köln teil. Im Januar 2016 war Krause zudem einer von rund 220 Neonazis und Hooligans, die im Nachgang der schweren Angriffe auf Häuser und Geschäfte im alternativen Stadtteil Leipzig-Connewitz von der Polizei festgesetzt wurden. Im März 2019 war Krause Teilnehmer der Beerdigung des Chemnitzer Neonazis und Gründers der „HooNaRa“, Thomas Haller.
In Leipzig gehört Krause mittlerweile seit Jahren zum festen Kern des „Bushido Free Fight Team“ und bestritt für das Gym diverse Kämpfe.

Links: Marko Zschörner, in der selben Weste bekleidet wie am 7. November 2020 in Leipzig; Mitte: das „Bushido Free Fight Team“, vlnr.: Martin Krause, Marko Zschörner und Brian Engelmann; Rechts: Martin Krause auf der Beerdigung von Thomas Haller im März 2019 in Chemnitz (Bildquelle: Flickr, Tim Mönch)

Marko Zschörner, Headcoach des „Bushido Free Fight Teams“, war am 7. November 2020 in Leipzig ebenfalls Teil des gewalttätigen Mobs. Nicht nur am Augustplatz selbst hatte er sich unter die vermummten Neonazis gemischt (siehe Titelbild), sondern war Teil der beschriebenen Neonazi-Gruppe, die an der Moritzbastei antifaschistische Demonstrant_innen angegriffen hatten.

Ihm dürfte auch der mehrfach warnende Ruf „der hat ‘nen Messer“ gegolten haben. Denn wie man in einem Video zu dem Angriff erkennt, hielt Zschörner einen Gegenstand in seiner rechten Hand. Anwesende Journalist_innen berichteten uns auf Nachfrage, dass es sich dabei um eine Art Messer mit länglichen Griff gehandelt habe. Diese Waffe soll er gezogen haben, nach dem es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit den anwesenden Demonstrant_innen gekommen war.

„If you can‘t be safe, be deadly“ – übersetzt „Bist du nicht sicher, sei tödlich“ – kommentierte er eines von vielen Bildern auf seinem Social-Media Profil. Auf den Bildern präsentiert er offenbar seine Sammlung von Einhandmesser, darunter auch eins, welches einen länglichen Griff besitzt und an einem Autoschlüssel als Anhänger angebracht ist.

Linkes und rechtes Bild: eine bisher unbekannte Person, die offenbar ebenfalls eine Waffe benutzte; Mitte: Marko Zschörner mit einem messerartigen Gegenstand in seiner rechten Hand (Bildquelle: Screenshot eines Videos, LVZ-Ticker vom 7.11.2020; Pixelarchiv)

Auch eine andere, bisher unbekannte Person führte während des Angriffs an der Moritzbastei einen metallischen Gegenstand als Waffe bei sich, wie man in dem Video erkennt.

Der ehemalige MMA-Kämpfer und BJJ-Europameister Marko Zschörner unterrichtet selbst u.a. die Selbstverteidigungsform Krav Maga. Zudem gibt er unter dem Namen „Blade Bastards Leipzig“ Seminare, in denen er den Umgang mit Messern lehrt. Auf einem dafür erstellten Social Media-Account namens „Virtus Semper Paratus“ schrieb er wenige Tage nach dem „Querdenken“-Aufmarsch in Leipzig: „Geh nie UNTERMESSERT aus dem Haus“, dazu ein Zwinker-Smiley.

Offenbar führt Marko Zschörner ständig diverse Messer mit sich, wie er in einem Beitrag vom 12. November 2020 auf einem seiner Social Media-Accounts Preis gibt (Bildquelle: Screenshot Instagram)

Schon seit Jahren klären Antifaschist_innen über das „Bushido Free Fight Team“ und deren einschlägig rechtes Klientel auf. Denn auch eine weitere Person, die im Januar 2016 an den Angriffen in Connewitz beteiligt war, gehört zum Stamm des Gyms: Brian Engelmann.

Dass Zschörner Messer als Waffe einsetzt spricht Bände, war er 2008 doch selbst Opfer eines Messerangriffs. Marko „The Bulldog“ Zschörner war damals in die brutalen Auseinandersetzungen im sogenannten „Diskokrieg“ in Leipzig involviert und gehörte einer Allianz rechter Sicherheitsunternehmen an, die ihre Vormachtstellung an den Türen im Zentrum der Stadt durchzusetzen versuchten.

9. Mai 2020: „Corona-Meditation“ am Leipziger Augustusplatz. Initiiert hatte das Treffen Marko Zschörner (Bildquelle: Pixelarchiv)

Dass er an der rechten Kundgebung von „Querdenken“ teilnahm, war absehbar. Schon im Mai diesen Jahres initiierte er ein öffentliches Meditations-Treffen auf dem Augustusplatz. Dieses richtete sich gegen die Maßnahmen im Zuge der Infektionsschutz-Bestimmungen. Bekleidet war er dabei in einem T-Shirt verschwörungstheoretischer Impfgegner.

Organisierte Angriffe durch Protagonisten der extrem rechten Kampfsportzene

Politik und Behörden müssen die gewalttätigen Netzwerke endlich beim Namen nennen und einordnen. Denn nicht nur Kampfsportler und Hooligans aus dem „Bushido“-Gym waren Teil des organisierten Mobs, sondern auch Personen aus dem „Imperium Fight Team“ aus Leipzig, darunter Benjamin Brinsa und Fabian Nebe. Auch aus anderen Städten waren Gewalt-und Kampfsporterfahrene Neonazis nach Leipzig gereist: u.a. Dennis Dollberg, Christian Steiner und Henrik Ostendorf aus Bremen, Tim Kühn und weitere Neonazis um das rechte Kampfsport-Event „Tiwaz“ aus Chemnitz, Personen vom rechten „Fightclub 062“ aus Sachsen-Anhalt, Angehörige der Gruppe „Knockout51“ aus Eisenach und diverse Neonazis und Hooligans aus Dresden, Halle, Zwickau, Rostock und Niedersachsen. Ganz zu Schweigen von den offensichtlichen, extrem rechten Strukturen um die „Jungen Nationalen“, NPD und „Der Dritte Weg“.

Exemplarisch dargestellt: Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet waren Teil des organisierten Mobs. Links: Benjamin Brinsa und Fabian Nebe (Bildquelle: Flickr, Marco Kemp); Mitte: Henrik Ostendorf vom Team des „Kampf der Nibelungen“ (Bildquelle: Flickr, Pixelroulette); Rechts: Steffen Bösener, Kämpfer auf dem rechten „Tiwaz“-Turnier 2018 und 2019 (Bildquelle: Pixelarchiv)

Wieder einmal war Sachsen der Schauplatz für die bundesweit vernetzte Struktur. Etliche Parallelen zu den Mobilisierungen im Spätsommer 2018 in Chemnitz, aber auch jüngst zum Aufmarsch von „Querdenken“ im Sommer 2020 in Berlin drängen sich dabei auf. Bei beiden Aufmärschen kam es zu Gewaltausbrüchen und bedrohlichen Szenarien.


Text zugesandt von: Recherche LE

Auch veröffentlicht bei “Runter von der Matte”


Kommentar der Kampagne “Runter von der Matte“:

Dass sich Hooligans, Neonazis und andere Menschenfeinde seit Jahren für den sogenannten „Tag X“, bzw. für Straßenkämpfe wie am Wochenende in Leipzig vorbereiten, ist unlängst bekannt. Ihre Fähigkeiten erlangen sie auch in Kampfsport-Gyms. Auch das ist bekannt. Eine neue Dimension dürfte dabei sein, dass sich sowohl Krav Maga-Trainer wie Zschörner, als auch sein Schüler Martin Krause gemeinsam in solchen Auseinandersetzungen wieder finden.

Es zeigt einmal mehr, klar und deutlich, dass die extreme Rechte Kampfsport für organisierte gewalttätige Übergriffe missbraucht und dabei auch vor dem Gebrauch von Waffen nicht zurück schreckt.

Wir als Kampagne fordern deshalb erneut, dass sich Krav Maga,- Kickbox-und BJJ-Verbände von Zschörners „Bushido“-Gym distanzieren und ihn von Veranstaltungen ausschließen. Wir fordern, dass ihm Lizenzen entzogen werden, er als Trainer in seinem Gym nicht mehr aktiv sein kann und von Seminaren ausgeschlossen wird. Nur so ließe sich vielleicht eindämmen, was viel zu lange schon geduldet und gefördert wurde.