“Demo ohne Lauti?!”

Wir haben den Aufruf zur kommenden Antifa-Demo in Connewitz gelesen und wollen einiges zu Demonstrationen im Allgemeinen und zur Organisation von ebendiesen sagen. Wir finden es im Übrigen gut, dass es die Idee gibt, Demonstrationen wieder offener zu gestalten und mehr auf die Initiative der Teilnehmenden zu setzen. Auch wenn wir eine unangemeldete Demonstration mit all ihren Freiheiten einer angemeldeten immer vorziehen würden.

Was gehört zur Organisation einer Demo? Was gab und gibt es? Einige Ideen und Hintergründe.

Lautsprecherwagen (“Lauti”)

Für die Demo am kommenden Montag wird auf einen Lautsprecherwagen verzichtet, heißt es.

  • Ein Lautsprecherwagen wird genutzt zum Halten von Redebeiträgen und Abspielen von Musik, für Informationsdurchsagen an PassantInnen und auch zum Verlesen der Auflagen, die die Versammlungsbehörde vorab erteilt.
  • Ein Lautsprecherwagen bedeutet organisatorischen Aufwand. Wenn es kein kostenlos nutzbares Auto gibt, muss ein Auto gemietet werden. Hinzu kommt eine Musikanlage (Lautsprecherboxen, Verstärker, Mikrofon, Mischpult) und ein Generator für den Strom.
  • Es braucht eine Moderation für die Redebeiträge und die Durchsagen – eine nicht gerade beliebte Aufgabe.
  • Ordner*innen müssen Sorge dafür tragen, dass niemand vom Lautsprecherwagen überfahren wird. Sie müssen auch aufpassen, dass die Moderation im Lauti nicht permanenten mit Fragen oder Wünschen genervt wird oder abfotografiert wird oder der Lauti zum Ziel von Angriffen durch Neonazis oder Cops wird.
  • In der Nachbetrachtung einer Demo gibt es oft Kritik am Lautsprecherwagen. Entweder war er zu laut oder zu leise, die Musik war “schlecht”, kam an der “falschen Stelle” und unterband somit Sprechchöre, oder die Stimme, Wortwahl oder Verständlichkeit der Moderation wird beanstandet. Kurzum: Irgendetwas wird immer bemängelt.

Transparente (“Transpis”)

  • Sind das optische Mittel, um politische Botschaften nach außen zu tragen und das Anliegen der Demonstration zu vermitteln.
  • Es gibt das “Fronttransparent”, meist mit dem Motto der Demo, und Transparente an Stangen sowie an der Seite. Die Polizei besteht meist darauf, dass letztere nicht “zu lang” sind und nicht verknotet werden, um gegen “Störer” aus der Demonstration vorgehen zu können. Repressionsorgane versuchen seit Jahren, aus Seitentransparenten den Vorwurf einer “passiven Bewaffnung” zu konstruieren, obwohl es allgemein bekannt ist, dass die dünnen Stoffe nicht gegen Polizeigewalt schützen.
  • In Leipzig und erst kürzlich in Dresden gab es auch große Transparente, die über die Köpfe eines Teils der Demo gezogen wurden. Dabei geht es um das Produzieren von Bildern. Sie führen aber bei der Polizei zur panischen Befürchtung, dass irgendetwas Großes passieren wird. Wie das möglich sein soll, wenn Dutzende Menschen nichts mehr sehen, weiß aber wohl nur die Polizei.
  • Je nach Motiv kann das Herstellen eines Transparents sehr zeitaufwändig sein.

Ordner*innen

  • Das Ordnungsamt und die Polizei verlangen bei der Durchführung angemeldeter Demonstrationen, dass ihr Ordner*innen habt. Sie müssen oft ihren Personalausweis vorzeigen und können von der Polizei auch abgelehnt werden. Sie sollen die Auflagen durchsetzen, also Hilfspolizist*innen spielen. Ihr Handlungsspielraum beschränkt sich auf das Reden mit Menschen, die gegen irgendwelche Auflagen (wie etwa das Verbot von Glasflaschen) verstoßen. In Leipzig verlangt das Ordnungsamt in der Regel ein*e Ordner*in je 50 Menschen. Bei 500 Menschen auf einer Demo macht das also 10 Ordner*Innen. In anderen Städten in Sachsen, aber auch bundesweit, ist das Verhältnis manchmal auch 1:25 oder sogar 1:15. Das soll auch den organisatorischen Aufwand einer Demonstration erhöhen.
  • Neben der Einhaltung der Auflagen können sich die Ordner*innen natürlich auch für eure eigenen Anliegen auf eurer Demonstration einsetzen, wie etwa hier geschildert.
  • Ordner*Innen für eine Demonstration zu finden ist nicht einfach. Verständlicherweise möchten viele Menschen nicht ihre Personalien abgeben und schlimmstenfalls permanent wegen irgendwelcher Kleinigkeiten von den Cops angesprochen werden.

Pyrotechnik

  • Viele finden Feuerwerk schick, andere sehr nervig. Verboten auf Demonstrationen ist es eigentlich immer, außer es wird angemeldet und erlaubt. Gerade Böller in und neben der eigenen Demo sind eher eine Gefahr als dass sie wirklich etwas bringen. Auch das Einnebeln der eigenen Demo mit Rauch trifft nicht immer auf Gegenliebe. Ob die Demo damit kraftvoller oder schicker wirkt, bleibt ein Streitthema.

Schilder

  • Neben Transparenten gibt es oft auch Schilder mit Texten und Plakaten sowie Fahnen, die politische Botschaften nach außen tragen.
  • Die Auflagen der Versammlungsbehörde beschränken oft das Material und die Länge von Stangen, da sie befürchtet, dass diese als Waffen eingesetzt werden könnten.

Flyer

  • Es lohnt sich immer, auf einer Demonstration Flyer zu verteilen – entweder für Teilnehmende oder an Passant*Innen. Es kann der Aufruf der Demonstration sein, geschriebene Redebeiträge oder Hinweise auf kommende Veranstaltungen. Vor einigen Jahren war es in Leipzig auch üblich, kritische Flyer zum Anliegen der Demonstration zu verteilen.

Vor der Demo

Bevor eine Demo stattfindet, wird sich natürlich über Inhalt und Anliegen Gedanken gemacht. Was für einen Zweck hat die Demo, welche Route soll sie nehmen, und was kann oder soll auf dieser passieren? Dann braucht es einen Aufruf, der geschrieben werden will. Inhaltliche linke Debatten unter den Gruppen gibt es zu Aufrufen leider nur noch sehr selten. Meist wird dann zur Mobilisierung (“Mobi”) noch ein Plakat, Flyer oder Aufkleber für die Demonstration gedruckt.

Verteilen wird sich das Material nicht von alleine, auch hier steckt viel Zeit und Anstrengung drin. In einigen Städten werden kaum noch Plakate geklebt, da einige der Meinung sind, es lohne sich nicht und sei zu viel Aufwand. Stattdessen konzentrieren sich viele nur noch auf Internetwerbung, etwa über Blogs, Facebook oder Twitter. Egal wie viel Mühe eine Gruppe oder Kampagne sich macht: Das Argument, die Mobi sei zu schwach oder zu schlecht gewesen, kommt immer, egal wie gut besucht die Demonstration war.

Zur Öffentlichkeitsarbeit gehört auch Pressearbeit. Meist werden dafür Pressemitteilungen geschrieben, oft vor und nach der Demonstration. Leider werden diese nur selten aufgegriffen, ihre Inhalte nur wenig zitiert. Besonders wenn auf einer Demo “nichts passiert” ist. Demonstrationen ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei oder anderen Aktionen werden medial oft lediglich als Verkehrsbehinderung mit ein paar Zeilen bedacht.

Bis vor einer Weile war es üblich, Demonstrationsaufrufe zu unterschreiben. Dies sollte auch zeigen, dass die unterschreibenden Gruppen an der Demonstration teilnehmen möchten. Hin und wieder gab es auch “Grußbotschaften” von Gruppen, die nicht an einer Demonstration teilnehmen konnten, aber das Anliegen teilten und so ihre Solidarität zum Ausdruck bringen wollten.

Eine Demonstration zu organisieren ist nicht leicht und braucht immer viele Menschen, die bereit sind, Aufgaben zu übernehmen. Wir verstehen den Aufruf zur Demonstration am 9. Januar 2017 in Connewitz daher auch als Kritik an der mangelnden Bereitschaft von uns allen, mehr als nur Teilnehmende an einer Demonstration zu sein. Eine Kritik, die auf uns oft zutrifft. Politische Aktionen wie Demonstrationen müssen von uns allen gestaltet und getragen werden, organisatorisch und inhaltlich.

In Berlin wurde vor ein paar Jahren eine ähnliche Debatte um die Form und Umsetzungen von Demonstrationen geführt. Einen kleinen Einblick dazu bietet dieser Text zur Gedenkdemo für Carlo Giuliani im Juli 2011.


Text zugesandt von: Ältere unter den Jüngeren