Mit Asylrechts-Verschärfer*innen
gegen Legida & Co.?

Demo gegen „Legida“-Aufmarsch am 12. Januar 2015. Foto: Johannes Grunert/Flickr.

Nein! Für eine linksradikales Dazwischengehen!

Stagnation

Seit fast anderthalb Jahren ist Pegida auch in Leipzig angekommen. Woche für Woche demonstrierten über mehr als ein Jahr Verschwörungsaffine, Rassist*innen und Neonazis durch die Innenstadt und lenkten die Aufmerksamkeit auf sich. Der Protest dagegen war anfangs plural, stagnierte aber und wird inzwischen von einem sukzessive von Einzelpersonen der SPD und Grünen dominierten Bündnis („Leipzig nimmt Platz“) (1) und einem bürgerlichen Bündnis um den ehemaligen Thomaskirchenpfarrer Christian Wolff dominiert. Während die Protagonist*innen des ersteren den Parteien angehören, die in den vergangenen zwei Jahren zur rabiaten Verschärfung des Asylrechts beitrugen, setzte letzterer nach dem 12.12.2015 die Antifa mit dem NS-Regime gleich. (2)

Die radikale Linke hat sich aus dem Geschehen weitestgehend zurück gezogen. Nachdem es in den ersten Monaten noch eigene Demos des Bündnisses Refugees Welcome gab, dem verschiedene linksradikale Gruppen der Stadt angehörten, hat mensch sich längst in die Konsument*innenperspektive begeben oder übt den Schulterschluss mit den selbstdarstellerisch veranlagten Vertreter*innen der Asylrechtsverschärfungsparteien von „Leipzig nimmt Platz“ und lässt sich vom egomanischen Anwalt und Landesvorsitzenden der Grünen vertreten, der mehr Wert auf seine mediale Präsenz legt als auf das Wohl seiner Klient*innen.

Einen Lichtblick bietet die Kampagne von „Rassismus tötet“, die unter dem Motto „a monday without you“ eigene Akzente setzen will (3).

Nun mag es viele Gründe geben, sich dem stagnierenden Protest gegen Legida nicht anzuschliessen: Vom ausgeklügelten Polizeikonzept, das echte Interventionen verunmöglicht und allerhand Repressionen bereithält, über die gähnend langweiligen SPD/Grüne-dominierten Kundgebungen bis hin zu anderen Prioritätensetzungen. All das legitimiert allerdings nicht die Untätigkeit und Einfallslosigkeit der radikalen Linken in Leipzig in Bezug auf den rassistischen Aufbruch, der auch vor Leipzig nicht halt macht.

Legida findet nicht nur in der Innenstadt statt

Den ersten konzertierten rassistischen Ausbruch gab es in Leipzig in der jüngeren Vergangenheit über zweieinhalb Jahre vor Legida. Damals widerstanden zahlreiche Antirassist*nnen den Erhebungen in der Wohlstandssiedlung Leipzig-Wahren, die sich gegen dreißig Geflüchtete wehrte und gegen jene im vergangenen Jahr sogar einen Erfolg vor Gericht errang.

Auch der massiven Naziintervention gegen eine Notunterkunft von Geflüchteten in Leipzig-Schönefeld wurde 2013/14 widerstanden. Initiator*nnen waren hier nicht etwa die Akteur*nnen vor Ort oder bürgerliche Zusammenhänge, sondern linke und linksradikale Strukturen, die Angriffen und Fackelaufmärschen die Stirn boten.

Bis heute finden fast monatlich Informationsveranstaltungen der Stadt zu neuen Asylunterkünften statt, in Paunsdorf, Meusdorf und Holzhausen tobt der Mob. Vom von Asylrechtsverschärfer*innen dominierten Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ ist dort ebenso wenig zu vernehmen wie von der radikalen Linken. Zur Erinnerung: Im Januar diesen Jahres gab es einen Sprengstoffanschlag auf die geplante Unterkunft in Meusdorf und einen Brandanschlag in Holzhausen. Zumindest in Meusdorf war die Radikalisierung der RassistInnen live per Internet zu beobachten.

Radikale Linke am Ende?

Dass die radikale Linke in Leipzig am Ende ist, zeigt vor allem ihre Untätigkeit gegen die rassistischen Ausbrüche von Legida, von Bürgerbewegungen in den Randstadtteilen und Kräften wie AfD und NPD im Stadtrat. Die These, dass sich die Mehrheit lieber im Kiezsumpf suhlt als in die beschissenen Verhältnisse zu intervenieren, erhärtet sich. Dass das Heft des Handelns lieber „Leipzig nimmt Platz“ in die Hand gegeben wird, als selbst aktiv zu werden, ist bequem, aber inkonsequent. Da das Gros der Leipziger Gruppen keine aktiven Reiseaktivitäten ins noch schlimmere Umland pflegt, kann auch diese Ausrede gestrichen werden.

Nicht zuletzt zeigt die Beteiligung an den beiden Demos im Rahmen der Kampagne „a monday without you“, dass die radikale Linke in Leipzig am Ende oder zumindest ihren Kernthemen gegenüber desinteressiert ist.

Für einen linksradikalen Aufbruch

Die radikale Linke muss sich jenseits der etablierten Parteien und dem Rahmen, die der Staat und die etablierte Zivilgesellschaft vorgeben („Protest in Hör- und Sichtweite“, Protestkundgebungsbullemie, SPD-Preise und Kooperation mit allem und jedem) konstituieren und reorganisieren.

Das Ziel eines radikalen linken Aufbruchs sind nur in zweiter Linie die Köpfe von Legida, OfD, Thügida etcpp, sondern vielmehr staatliche Instanzen, die genau diesen Strukturen Auftrieb verschafft haben, die per Asylrechtsverschärfungen nationalistisch-rassistische Auslese gestärkt und solidarische Grundlagen des Zusammenlebens zerstört haben. Wer heute mit „Leipzig nimmt Platz“ oder Christian Wolff demonstriert, kann den Protest gegen Legida nicht ehrlich meinen.

Es braucht Reorganisation und Kooperation der Kräfte, die bedingungslos gegen Nationalismus, Rassismus und vor allem gegen Politiken der sozialen Exklusion stehen. (4)
Es braucht aktionistische Antworten gegen die angepasste Tristesse der Hör- und Sichtweite. Es braucht Interventionen in der Leipziger Provinz.

Let´s do it. Organize.


Fußnoten:

(1) Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ wurde 2009 als Blockadebündnis gegründet. Es funktionierte als ad-hoc-Bündnis bis sich 2014 ParteivertreterInnnen drauf setzten und den Anspruch des „zivilen Ungehorsam“ zum reinen Lippenbekenntnis machten.

(2) Christian Wolff, Verstörte Zerstörer, in: DIE ZEIT vom 5.1.2016, http://www.zeit.de/2015/51/leipzig-antifa-gewalt (Eingesehen am 1.5.2016)

(3) https://www.inventati.org/leipzig/?page_id=4222

(4) Dass „Leipzig nimmt Platz“ seine Demonstation am 2.5.2016 unter das Motto sozialer Gerechtigkeit gestellt hat, ist reine Augenwischerei und verbleibt angesichts des Redner*nnen-Lineups von Grünen bis zur Einheitsgewerkschaft nicht anderes als sozialdemokratisch.


Text zugesandt von: Rosa.