Nach dem „Legida“-Marsch (2): Unzureichende Antworten

Demo gegen „Legida“-Aufmarsch am 12. Januar 2015. Foto: Johannes Grunert/Flickr.

Am Montagabend zog zum ersten Mal „Legida“ durch Leipzig. Es gelang nicht, den rassistischen Aufmarsch zu verhindern, und schon am kommenden Montag folgt die nächste Runde. Was ging? Was muss künftig gehen? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Es folgt eine davon – abweichende Meinungen sind willkommen.


Unzureichende Antworten

Zunächst die blanken Fakten: Am gestrigen „Legida“-Aufmarsch beteiligten sich nach Angaben der Polizei etwa 4.800 Personen – ein Fünftel dessen, was das Dresdner Original zeitgleich mobilisierte. Damit blieb die hiesige Veranstaltung hinter den Erwartungen ihrer Organisatoren zurück, die gegenüber der Stadt den Zulauf auf 6.000 bis 10.000 Personen geschätzt hatte. Dem Augenschein nach waren die Teilnehmenden in Leipzig im Durchschnitt jünger und männlicher als in Dresden. Plausiblen Schätzungen zufolge stammten wohl zwei Drittel nicht aus Leipzig und der unmittelbaren Umgebung.

Viel Nachsicht der Polizei

Unter anderem hatte sich insbesondere ein fußballaffines und erlebnisorientiertes Publikum entschlossen, nach Leipzig zu reisen. Das Ergebnis war eine ungewöhnliche Allianz. So schlossen sich auch Anhänger der Dresdner und weiterer Fanszenen jenem Treffpunkt in der Innenstadt an, den rechte LOK-Anhänger organisiert und beworben hatten. Eine Anmeldung dafür lag nicht vor. Aber die Polizei gewährte diesem Spektrum den begehrten Marsch zu „Legida“, begleitete ihn mit vergleichsweise wenigen Kräften und ließ Pöbeleien gegen PassantInnen hin- und rückwärts zu.

Es sollte nicht unbeachtet bleiben, dass mit so viel versammlungsrechtlicher und vollzugsdienstlicher Nachsicht in Leipzig sonst niemand rechnen kann. Auch das Vermummungsverbot spielte bei „Legida“ offensichtlich keine Rolle. Unbeanstandet blieb ferner, dass Nutzer auf der „Legida“-Facebook-Seite vorab zum Mitführen von Reizgas aufgefordert hatten. Ja: Vieles an diesem Tag war anders als in Dresden. Der Polizeieinsatz aber nicht.

Redebeiträge von rechtsaußen

Die RednerInnen des Aufmarsches waren eine bemerkenswerte Runde. Es sprachen „Legida“-Anführer Jörg Hoyer und Anmelder Silvio Rösler. Hinzu gesellte sich Edwin Wagensveld, besser bekannt als „Ed, der Holländer“, der in Wirklichkeit im unterfränkischen Bastheim wohnt und in Leipzig übernachtete. Auf die Bühne stellte sich auch Tatjana Festerling aus Hamburg, die nach ihren Bekenntnissen zugunsten der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) Kritik aus der eigenen Partei ausgesetzt war: der Alternative für Deutschland (AfD). Infolge dessen war sie demonstrativ als Mitglied in der AfD-Rechtsaußen-Truppe „Patriotische Plattform“ aufgenommen worden. Führende Plattform-Mitglieder aus Leipzig hatten bekanntlich bei der „Legida“-Vorbereitung geholfen.

Tatsächlich überraschend war der Auftritt des Verlegers Götz Kubitschek (Verlag Antaios, Zeitschrift Sezession). Er ist eine Galionsfigur der Neuen Rechten, üblicherweise aber nicht der Realpolitik zugetan. Anstelle einer eigenen Rede verlas er ein kurzes Grußwort des französischen Schriftstellers Richard Millet. Der wiederum ist Shootingstar der dortigen extremen Rechten, spätestens seitdem er eine – nach eigenen Worten – „literarische Lobrede“ auf den Rechtsterroristen Anders Breivik veröffentlicht hatte.

Antifa-Volksfront won’t save us

Gegen „Legida“ stellten sich nach Angaben der Stadt zwischen 30.000 und 35.000 Menschen. Ja: Eine Gegenbewegung in dieser Stärke gab es hier lange nicht. Aber im Nachhinein sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die bekannten Nachteile dieses Volksfront-Antifaschismus überwogen. So mag die Zahl beeindruckend sein. Doch das Interesse, den rassistischen Aufmarsch tatsächlich zu behindern, teilten die meisten erkennbar nicht.

Mehrere Gegenveranstaltungen hatten sich ohnehin an unsinnigen Orten postiert oder zu spät begonnen. Versuche der politischen Intervention gegen die bürgerliche Selbstinszenierung blieben aus. Daran änderte die Nutzung eines Olschool-BgR-Transparents nichts. Das war an der Spitze der antirassistischen Demonstration zu sehen, die am Nachmittag mit knapp 2000 Menschen in der Innenstadt begonnen hatte.

Chancen vertan

Als die Demo dann recht pünktlich am Auftaktpunkt von „Legida“ eintraf, hatte sich die Zahl verdreifacht. Das ist erfreulich. Unerfreulich ist jedoch, dass sich im Anschluss eine Desorientierung breit machte, was nunmehr zu tun sei. Offensichtlich ist auch, dass dadurch Möglichkeiten verschenkt wurden. Auch durch jene, die im Voraus und zum Teil auf taktisch unkluge Weise bestimmte Möglichkeiten propagiert hatten.

Scharmützel, Durchbrüche, Blockadeversuche – ja: Die Ansätze waren da! Und tatsächlich hatte es ein Teil des „Legida“-Anhangs nicht ganz so leicht, überhaupt zum Sammelpunkt zu finden. Für Unmut der Klientel sorgte auch, dass die Route schließlich abgekürzt werden mussten. Immerhin. Aber das genügt als Antwort auf die rassistische Mobilisierung nie und nimmer.


Text zugesandt von: anonym