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Reaktionäre und Progressive Kapitalismuskritik

2006 | BergsteigerInnen

In letzter Zeit demonstrieren Nazis gegen "Globalisierung" und geben vor, den Kapitalismus zu kritisieren. Auf den ersten Blick scheint es, als ob linke und rechte Kritiker_innen mit ähnlichen Forderungen auftreten. Wir denken, dass es große Unterschiede zwischen unserer und der nazistischen Kapitalismuskritik gibt.

„Arbeit statt Globalisierung" oder "Nie wieder Arbeit"?

In Arnstadt demonstrierten Nazis am 1.4.2006 , wie ihr Bild vom Kapitalismus aussieht: Männer in Anzügen und mit Zigarren halten in einer Koppel Männer in Arbeitskleidung und mit Sträflingsanzügen gefangen. Einer der Sträflinge trägt ein Schild: "Zinssklave - gefangen im System".
Die "Guten" in dieser Installation sind die Arbeiter. Sie sind Opfer der "Bösen" - Kapitalisten und Zinswirtschaft. Die Installation zeichnet ein einseitiges Bild vom Kapitalismus: Das Problem ist das "ungerechte" Abschöpfen des Profits und das unübersichtliche Hin und Her von Geld in Finanzströmen. Wo der Profit herkommt und wie er erwirtschaftet wird - nämlich durch Arbeit FN:im sinne der Verwandlung von menschlicher Arbeitskraft in Wert/FN- wird nicht kritisiert, vielmehr wird der deutsche Arbeiter und seine Tugenden hochgelobt. Dagegen setzen wir eine Kapitalismuskritik, die die gesamte kapitalistische Produktionsweise als Problem sieht und damit die Arbeit ebenso kritisiert wie das Kapital.

Kapitalismuskritik oder Kapitalistenkritik?

Ein Hauptaspekt reaktionärer Kapitalismuskritik ist das Stehenbleiben bei einer Kritik an den Akteur_innen. Es wird nicht hinterfragt, was Ausbeutungsverhältnisse bedingt, sondern lediglich bestimmten Einzelpersonen oder Gruppen die Schuld am eigenen Elend zugewiesen. Hieraus wird bereits ersichtlich, dass es sich hier nicht um wirkliche Kapitalismuskritik handelt - es wird vielmehr nahe gelegt, dass es nur darum geht, die richtigen Herrschenden an die Macht zu bringen, damit alles besser werden wird.

Dagegen hinterfragt linke Kritik bestehende Strukturen von Herrschaft und Ausbeutung und versucht zu analysieren, wie letztlich alle im kapitalistischen System funktionieren und versuchen zu überleben. Die Entlassung von Angestellten aus einer Firma beruht z.B. letztlich auf Gewinnmaximierung und Behauptung am Markt. Dagegen setzen wir keine "besseren Chefs", sondern eine grundsätzlich andere Lebensweise, die nicht auf Arbeitszwang und Machtausübung basiert.

"Alles für Alle" oder "Alles für Deutsche"

Die Nazis fordern eine klare Abgrenzung zwischen den "Völkern". Solidarität ist schön und gut, solange sie innerhalb der einzelnen Staaten bleibt. "Ausländer" sollen zu Hause bleiben, damit das deutsche "Volk" von "Überfremdung" gesunden kann. Dass Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern Verfolgung und Folter erwartet, ist in dieser menschenverachtenden Weltsicht egal, dass Migrant_innen jede Menge dazu beitragen, den deutschen Wirtschaftsstandort zu stärken wird übersehen.

Wir stellen diesem plumpen Rassismus eine weltweite Solidarität entgegen, die nicht an Staatsgrenzen aufhört oder sich an Hautfarbe, Sprache und Herkunft orientiert. Wir wollen, dass jeder Mensch dort leben kann, wo er will und nicht da, wo er optimal verwertet werden kann. Denn die Forderung nach Abschottung gegenüber dem Rest der Welt verbessert die Verhältnisse in keiner Weise, sondern sorgt nur für noch größeres Elend und provinzielle Abgeschiedenheit.

"Volksgemeinschaft statt Klassenkampf" oder "Organisiert euch selbst"?

Zur Versöhnung von Arbeit und Kapital fordern Nazis die Volksgemeinschaft, in der Arbeiter_innen und Kapitalist_innen an einem Strang ziehen und gemeinsam das beste für das eigene "Volk" herausholen. Ganz anders als die oben angesprochene Installation nahe legt, wollen die Nazis eben nicht, dass Menschen für ihre eigenen Interessen kämpfen, sondern die Konflikte unter den Teppich der Volksgemeinschaft kehren. Im Namen des Volkes ist das Wohl des einzelnen damit völlig gleichgültig.

Wir machen dagegen stark, dass soziale Konflikte ausgetragen werden. Der Versöhnung von Arbeit und Kapital unter einer Nationalen Führung setzen wir die Vision einer Gesellschaft entgegen, in der die Konflikte darum, was und wie produziert wird, offen gelegt und offen ausgetragen werden. "Globalisiert den Widerstand" statt "National gegen Globalisierung"

"Kapitalismus abschaffen - Globalisierung stoppen" ist eine Naziparole wenn es um Kritik am Kapitalismus geht. Die Öffnung der Grenzen sehen sie als Bedrohung für die Souveränität und Reinheit ihres "Volkes". Es wird nach "Selbstbestimmung der Völker" gerufen und sich nach einer schönen alten Zeit zurückgesehnt, in der alle angeblich in der Behaglichkeit ihrer regionalen bzw. nationalen Wirtschaft gearbeitet hätten.

Auch wir kritisieren einen Teil der Globalisierung, wie sie zur Zeit stattfindet. Unsere Kritik richtet sich aber nicht darauf, dass Grenzen geöffnet werden, sondern, dass sie nur für Wirtschaft, Markt und Geld offen stehen, nicht aber für Menschen. Dem global wirksamen Terror der Ökonomie setzen wir einen globalisierten Widerstand entgegen, der eine völlig neue Perspektive von Zusammenarbeit eröffnet.

Zurück zum "nationalen Sozialismus" oder hin zu einer besseren Welt?

Die Zielrichtung der nationalen Kritik ist deutlich. Dass die Transparente "nationalen Sozialismus" und nicht "Nationalsozialismus" fordern, hängt alleine an der Rechtslage. Das Ziel ist nach wie vor, diejenigen tot zu schlagen, die (vermeintlich oder tatsächlich) die Volksgemeinschaft stören, eine Deutsche Gemeinschaft zu schaffen, in der alle Widersprüche und Konflikte national zugedeckt werden, in der Arbeiter_innen sich nicht mehr in Gewerkschaften organisieren, sondern zusammen mit Arbeitnehmer_innen daran arbeiten, ihre Unterdrückung zu optimieren - kurz, eine Welt in der innerhalb des völkischen Kollektivs keine Konflikte geduldet werden und nach außen aggressiv zugeschlagen wird.

Unsere zukünftige Welt begrüßt die Vielfalt und lebt durch Konflikte. Statt im Namen der Nation und der Arbeit alle anderen Unterdrückungsverhältnisse zu deckeln, setzen wir auf einen breiten Ansatz. Wir lehnen alle Formen und Systeme von Herrschaft ab, einschließlich aber nicht beschränkt auf Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Art. Unsere Vision ist eine Welt, in der es ein Gutes Leben für alle Menschen gibt und nicht eine Herrschaft der weißen, deutschen Männer.

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