An der Göttinger Universität regte sich WinterSemster 05/06 Widerstand gegen die neoliberalen Umstrukturierungsmaßnahmen des Unipräsidenten Kurt von Figura. Demonstrationen, die Besetzung des Unipräsidiums und die 48h-Uni waren Highlights dieser Zeit.
Die A.L.I. beteiligte sich an den Protesten und bietete während der 48h-Uni mehrere Veranstaltungen an. Wir haben auf dieser Seite einige Informationen und Bilder von den Aktionen zusammengetragen.

Hier findet ihr Informationen von linken Unigruppen in Göttingen:

Basisdemokratisches Bündnis Göttingen
Basisgruppe Geschichte




Darum ging's | Besetzung des Unipräsidiums | History | Die >A.L.I.< auf der 48h Uni



Uni-Präsident von Figura hat die Schließung der Fächer Politikwissenschaften, Sportwissenschaften und Pädagogik angekündigt...

...Dagegen regte sich Widerstand. Denn hier geht es nicht nur um die Schließung der drei Fächer, sondern um die Schließung der gesamten Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Göttinger Uni. Das Fach Ethnologie soll wieder in die Philosophische Fakultät eingeliedert werden, die Soziologie soll hingegen "gestärkt" werden. Das neue Konzept sieht nämlich die sogenannte "Niedersachsen-Uni" vor, d.h. das Lehrangebot von Soziologie sollen künftig alle niedersächischen Studierenden in Göttingen, Politik jedoch in Hannover in Anspruch nehmen. Diese Bereiche sollen demnach niedersachsenweit gestärkt werden, dabei verwundert es jedoch, dass auch bei den Politikwissenschaften in Hannover gekürzt wird...

Die Schließung der Sozialwissenschaftlcihen Fakultät hat nichts mit Geldmangel der Universität zu tun, hierbei geht es einzig und allein um das Auslöschen von kritischer Wissenschaft. Die Göttinger Uni soll zu einer naturwissenschaftlich-medizinischen Eliteuni ausgebaut werden, in der Fächer, die sich mit Gesellschaftsstrukturen auseinandersetzen keinen Platz haben. Kurt v. Figura sagte selbst, er will mit einer Wissenschaft, die "nur Bücher produziert" nichts zu tun haben, sondern möchte am Ende wirtschaftlich verwertbare Resultate sehen.
Dieser Prozess, der streng der neoliberalen Wirtschaftslogik
folgt, lässt sich nicht nur in Göttingen, sondern auch an sämtlichen anderen Universitäten beobachten. Und natürlich steht dieser Prozess auch im Zusammenhang mit gesamtgesellschaftlichen Kürzungen. Ein Kampf gegen diese Zustände muss demnach von Solidarität und Zusammenarbeit mit sämtlichen sozial benachteiligten Gruppen geführt werden.

Alles für alle und zwar umsonst!


Besetzung des Unipräsidiums beendet

Seit dem 29. November 2005 war der Eingangsbereich der Universitätsaula am Wilhelmsplatz von Studierenden besetzt. Im selben Haus residiert auch Kurt von Figura, noch Präsident der Göttinger Uni. Die Univerwaltung verzichtete zunächst auf eine Räumung ihrere heiligen Hallen, solange die ProtestiereInnen nichts kaputt machen würden und den Betrieb nicht ernsthaft lahmzulegen versuchen.


Die Besetzung der Universitätsaula wurde am 1. Dezember 2005 von den Studierenden beendet. Vorausgegangen war eine Verschärfung der Aktion: Am Vormittag wurde die Besetzung auf das Sekretariat des Unipräsidenten Kurt von Figura ausgeweitet und die Arbeit lahmgelegt. Von Figura verschanzte sich derweil in seinem Büro und rief am Nachmittag schließlich die Polizei. Diese stürmte zunächst die untere Etage des Gebäudes - die Univerwaltung kündigte mit dieser Rückendeckung eine Räumung des gesamten Hauses an, sollten die BesetzerInnen bis 18.00 nicht selber abgezogen sein. Gemeinsam verließen die BesetzerInnen darauf hin den Amtssitz des Unipräsidenten. Es folgte eine kraftvolle und lautstarke Demonstration von etwa 150 Menschen, die mehrfach über den Weihnachtsmarkt zog und am Unicampus endete. Ein schwer überfordertes Polizeispalier wurde hier von seinem Anführer gerade noch rechtzeitig zum Rückzug vom Campus aufgefordert - ansonsten wäre das Team Green in einen Wassergraben geschoben worden.


Bilder von der Demo am 22. November 2005

Am 22. November 2005 demonstrierten in Göttingen 2.000 Menschen gegen die Umstrukturierungspläne. Unipräsident Kurt von Figura ließ sich von BereitschaftspolizistInnen schützen, die den Eingang seines Amtssitzes mit Schlägen, Tritten und durch den Einsatz von Reizgas gegen Studierende freihielten.



Und das war in den letzten Jahren an der Göttinger Uni los

Bei den Protesten gegen die neoliberalen Umstrukturierungen der Universität ist der Amtssitz des Göttinger Unipräsidenten am Wilhelmsplatz ein exponiertes Angriffsziel. Hier residiert Kurt von Figura und pflegt seine autokratische Selbstherrlichkeit. Während der Demonstrationen in den letzten Wochen ließ sich der Unipräsident von BereitschaftspolizistInnen schützen, die den Eingang des Gebäudes mit Schlägen, Tritten und durch den Einsatz von Reizgas gegen Studierende freihielten.

Am 25. Mai 2005 kamen von Figuras schlagkräftige Gehilfen zu spät und sein Amtssitz wurde während der Proteste gegen die Einführung von Studiengebühren kurzzeitig besetzt.

Am 14. Juni 2005 empfing Kurt von Figura hier den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Die A.L.I. und linke Unigruppen demonstrierten gegen diesen Akt universitärer Unterwürfigkeit. Mehr dazu findet ihr hier.

Während des Unistreiks im Herbst 2003 besetzten Studierende am 8. Dezember 2003 das Oeconomicum. Das Unigebäude wurde am frühen Abend durch einen brutalen Polizeieinsatz geräumt. Der Polizeieinsatz gegen die streikenden StudentInnen fand auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Unipräsidenten Horst Kern und des ADF/RCDS-AStA statt. Mehr dazu könnt ihr im Göttinger Internet Stadtinfo nachlesen.

Nach der polizeilichen Räumung des besetzten Basisgruppe Geschichte Raumes im AStA-Gebäude im Frühjahr 2003, forderte von Figuras Vorgänger Horst Kern Wachschutz an, um nicht weiter von Protesten belästigt zu werden. Der abgestellte Wachmann war kein anderer als Daniel Hubert, Göttinger NPD-Vorsitzender. Mehr zur NPD-Wachmann-Affaire findet ihr im Kampagnenarchiv der Autonomen Antifa [M].

Zur Wahl des Studierendenparlaments im Frühjahr 2003 trat die rechtsextreme Uniliste FDL an. Die FDL war eine Tarnliste der Liberalen Hochschulgruppe LHG. Frontmänner dieses Projektes waren Moritz Strate und Nicolo Martin. Bei diesen Aktivitäten am rechten Rand beließen es die beiden Göttinger FDP-Funktionäre nicht. Als es am 20.7.2003 im Keller eines linken Studierendenwohnhauses brannte, wurden Strate und Martin angetroffen - die Brandstiftung richtete sich gegen eine Ausstellung über den kurz zuvor geräumten BG-Geschichte Raum. Mehr dazu findet ihr im Kampagnenarchiv der Autonomen Antifa [M] und beim Göttinger Internet Stadtinfo goest.de.

 


Veranstaltungen der >A.L.I.< während der 48h-Uni vom 5. bis 7.12.2005

Die Uni und der Rest der Welt. Bildung als Soziales...

Info- und Diskussionsveranstaltung der A.L.I. am 5.12.2005

Bei den Protesten gegen Bildungsabbau und Studiengebühren scheint es den unausgesprochenen Konsens zu geben, dass „Allgemeinpolitik" nicht so richtig dazugehört. Wenn dann doch Bezug auf außeruniversitäre Konflikte genommen wird, trägt das Ganze immer den faden Beigeschmack von „Taktik" oder wird als Allgemeinplatz abgehakt.

Dass es aber im Gegenteil Vorraussetzung für ernstzunehmende Kritik ist, die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu begreifen in denen der Ab- und Umbau der Uni betrieben wird, scheint einigen Beteiligten zwar klar zu sein, wird aber kaum ausformuliert.

Genau diesen Zusammenhang haben wir in unserer Veranstaltung untersucht und diskutiert. Nach einem kurzen Rückblick auf vergangene Kämpfe und Umbrüche in Universität und Gesellschaft haben wir einen Blick in die Zukunft von Kampf und Umbruch gewagt.


 

Cinema, Cinema: La Haine - Hass

Filmvorführungen der >A.L.I.< bei der 48h-Uni

Am 05.12.2005 hat die >A.L.I.< den französischen Film "Hass" auf dem Uni-Campus gezeigt. Der Film beschreibt die Situation von MigrantInnen in den französichen Vorstädten, die genauere Beschreibung und unsere Ankündigung findet Ihr unten. Als Vorfilm gab es die Episode "Wie der rechte AStA mit seinen Luftballons am 29. Oktober die NPD gestoppt hat" (Vielen Dank an die FilmpiratInnen!) zu sehen. Etwa 100 Leute amüsierten sich bei Feuertonne und Glühwein.



Hass (Frankreich 1995) ׀ Buch und Regie: Mathieu Kassovitz

Angesichts des Aufstandes in den französischen Banlieus zeigte die Antifaschistische Linke International den Film, der die Geschichte eines solchen Aufstandes erzählt, im Rahmen der 48-Stunden-Uni. Ähnlich wie bei dem vor fünf Wochen in den Pariser Banlieus ausgebrochenen und sich dann auf ganz Frankreich ausgebreiteten Aufstand steht am Anfang des Films „Hass" ein brutaler Polizeiübergriff, der mit dem Tod eines Jugendlichen endet. Ist es im Film der junge Migrant Abdel, so waren es in der Realität die beiden Jugendlichen Bouna und Zyed, die am 27. Oktober infolge einer Hetzjagd durch die Polizei ums Leben kamen. Die Antwort auf ihren Tod war die spontane Mobilisierung der Banlieujugend.

Die Reaktionen der französischen Politik, vor allem des Hardliner-Innenministers Sarkozy, der die rebellierenden Jugendlichen als „Gesindel" und „Abschaum" bezeichnete, haben einmal mehr gezeigt, dass es für die Reaktionen der Ausgegrenzten kein Verständnis geben wird, allein schon deshalb, weil die Riots nicht vermittelbar sind. Die Jugendlichen, die sich seit dem Tod der beiden Jugendlichen Ende Oktober Nacht für Nacht Auseinandersetzungen mit der für ihren Rassismus berüchtigten Landespolizei (CRS) lieferten, haben kein politisches Programm, und sie gehen für keine konkreten Ziele auf die Straße. Ihre Angriffe, das massenhaft Abfackeln von Autos, Supermärkten, Polizeistationen, Jugendtreffs, Kinos usw. wirken wahllos. Alles an der Gesellschaft, die sie nicht will, ist ihnen verhasst. Die Äußerungen des Innenministers haben die Stimmung da nur noch weiter angeheizt.

Interessant sind die Reaktionen der bürgerlichen Medien, die zwischen Sensationslust und schierem Schock, ihre Erklärungsversuche anbringen. Die Integration sei gescheitert, heißt es. Wir fragen uns, von welcher Integration da eigentlich gesprochen wird? Die wirtschaftliche und politische Ausgrenzung sowie die Ghettoisierung sind der offensichtliche Beweis der Tatsache, dass die MigrantInnen in den Banlieus Menschen zweiter Klasse sind. Ihre Perspektive ist es, keine Perspektive zu haben. Auch ist der jetzige Aufstand wohl kaum, dass Ergebnis eines spontan entstandenen Konflikts, dem mit ein paar Sozialprogrammen beigekommen werden kann. Die französische Polizei hat seit den 70er Jahren ein paar Dutzend Jugendliche aus den Banlieus erschossen. Größere Aufstände hat es bereits 1981, 1983 und 1990 gegeben. Brennende Autos und nächtliche Straßenschlachten mit der Polizei gehören in manchen Banlieus fast schon zum Alltag.

Dass die offizielle Politik nun ganz schnell mit rassistischen Erklärungsversuchen bei der Hand ist, muss da nicht weiter verwundern. Es ist das Geschäft der bürgerlichen Medien, den Aufstand zu delegitimieren. Dass die angebliche Polygamie der MigrantInnen der Grund für die Gewalt sei, gehört da noch zu den abstruseren Argumenten. Gefährlich und in aller Entschiedenheit zurückzuweisen, ist vor allem die Behauptung von der „islamische Identität" der Jugendlichen. Es passt nur all zu gut in das Szenario des „Kriegs gegen den Terror", der längst ein Krieg gegen MigrantInnen aus islamischen Ländern geworden ist, dass die Jugendlichen von Hasspredigern aufgewiegelt worden sein sollen. Das Gegenteil ist der Fall. Die islamischen Kleriker übernehmen dieselbe Rolle wie sie die katholische Kirche schon immer inne hatte, sie mahnen zur Ruhe und versuchen, die Jugendlichen vom Aufstand abzuhalten.

Der Film „Hass" macht sehr anschaulich, worum es heute in den Banlieus geht, um Verzweiflung, Perspektivlosigkeit, um Wut gegen den Staat, seine Symbole und vor allem seine Schläger in Uniform nämlich. „Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt", so Hubert, einer der Hauptdarsteller des Films. Es ist eine sehr reale Geschichte.