"Ich bin wieder da und werde von heute an mein alltägliches Leben wieder aufnehmen!"


+++ 700 Leute auf lauter Solidemo +++ Gesuchter Genosse kam zur Demo zurück und wurde nicht aus der Demo gezogen +++ 30 Verletzte +++ Polizei sucht den Genossen mit Durchsuchungsbefehl in Berlin +++


Hintergrund | Bündnisaufruf | Aufruf der A.L.I. | Presseerklärung | Medienberichte | Erklärungen von Eltern und MitbewrInnen | DNA-Entnahme fand am 28. Januar 2011 statt

Am Samstag, den 22. Januar 2011 fand eine lautstarke Solidemo in Göttingen statt. 700 Leuten demonstrierten unter dem Motto "Betroffen ist eine/r, gemeint sind wir alle! Hände weg von linken AktivistInnen, Häusern und Strukturen!". Der junge Antifaschist "Martin R.", der zur Fahndung ausgeschrieben war weil er der Polizei seine DNA nicht geben wollte, lief in der Demo mit. Er war untergetaucht, um von der Polizei nicht gewaltsam zu einer DNA-Entnahme vorgeführt zu werden. Unsere Solidarität machte es möglich, dass er von der Polizei nicht aus der Demonstration gegriffen wurde! Das werten wir als großen politischen Erfolg.

als kleine Demo zum Auftaktort Solidarität mit dem Genossen

Am Anfang der Demo in der FußgängerInnenzone war ein Redebeitrag zu hören, in dem sich der junge Antifaschist zu Wort meldete: "Ich bin wieder da!" Er verkündete, von seiner Flucht zurückgekehrt zu sein, in der Demo mit zu laufen und nunmehr sein gewöhnliches Leben in Göttingen zu führen. Die Demo erwiderte dies lautstark, um ihn solidarisch zu begrüßen.

breite Bündnisbeteiligung auf der Demo Spucke auf den Staatsanwalt Antirepressionsdemo 22.01.2011

Auf Höhe der Göttinger Staatsanwaltschaft kam es zur ersten Auseinandersetzung mit der Polizei. Die neue Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), die künftig fest in Göttingen stationiert sein soll, ließ die Demo erst nicht weiterlaufen. Stattdessen knüppelte sie der Demospitze das Fronttranspi aus den Händen und setzte das erste Mal Pfefferspray ein. Es gab mindestens fünf Verletzte in der Demo durch Tonfa- und Faustschläge.

Solidemo in Göttingen, 22.1.2011Antirepressionsdemo 22.01.2011 Polizei greift die Demo bei der Staatsanwaltschaft an

Die nächste Auseinandersetzung mit der Polizei gab es auf der Leinekanal-Brücke in der Goetheallee. Die Polizisten stürmten auf die Demo zu, knüppelten und versprühten Unmengen an Pfefferspray. Damit verletzten sie mindestens 25 DemoteilnehmerInnen.

Silversterraketen und Knallkörper zur Unterhaltung Kundgebung vor dem Kreishaus Antirepressionsdemo am 22.01.2011

Dennoch zog die Demo lautstark und kraftvoll weiter. In der Nikolaistraße wurden neben Böllern auch kleine Silvesterraketen gezündet. Am Gebäude der Landkreisverwaltung wurde ein weitere Redebeitrag verlesen. Ein angebliche Verpuffung in einer Teeküche hatte im Januar 2010 den Vorwand für die bis heute andauernden Kriminalisierungen linker Strukturen in Göttingen geliefert. Die Demo endete in der Roten Straße. Nachdem ein sogenannter Mantrailer-Dog angeblich vor der Tür des Hauses gebellt haben soll, fand im Januar 2010 eine Hausdurchsuchung in einem linken Wohnprojekt statt. Auf der Solidemo am 30. Januar 2010 soll der junge Antifaschist einen Böller geworfen und damit einen Polizisten per Knalltrauma sehr gefährlich verletzt haben. Diese hanebüchene Geschichte, wird von Polizei. Staatsanwaltschaft und Landgericht als offizieller Grund vorgeschoben, um die DNA des 20-Jährigen zu verlangen.

Antirepressionsdemo am 22.01.2011 Demoende in der Roten Straße

Bereits am Freitag, den 21. Januar 2011 - zwei Wochen nach der Ausschreibung zur Fahndung - klingelte die Polizei bei einer linken WG in Berlin-Wedding und suchte den untergetauchten Genossen. Nachdem der Polizei mitgeteilt wurde, dass er nicht anwesend sei, wollte sie die Wohnung betreten. In der Tasche hatten die Berliner Beamten einen Durchsuchungsbefehl für den Wohnraum des gesuchten Genossen, nicht aber für die WG im Wedding. Alle BewrInnen der Berliner Wohnung mussten ihre Personalien vorzeigen, betreten konnte die Polizei die Wohnung aber nicht.

Obwohl offenbar ein Durchsuchungsbeschluss für den Wohnort des verfolgten Antifaschisten vorlag, "verzichtete" die Göttinger Polizei darauf, erneut die Rote Straße zu stürmen. Nicht zuletzt dürfte diese "Zurückhaltung" auf die relativ breite öffentliche Diskussion und Solidarisierung  zurückzuführen sein.

Wir danken allen Freundinnen und Freunden, allen Genossinnen und Genossen, die durch ihre Unterstützung und Entschlossenheit, den Begriff der Solidarität mit Leben füllen und die der heutigen Solidemo zu einem kraftvollen Ausdruck verholfen haben.

Weitere Berichte gibt es bei www.goest.de und bei www.monsters.blogsport.de


Presseerklärung der A.L.I. zur Antirepressionsdemo am 22.01.2011


"Ich bin wieder da!" Gesuchter Antifaschist nimmt unbehelligt an Solidemo in Göttingen teil

30 Verletzte durch Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE)

Wildplakatiert in der Roten Straße/Göttingen für die Demo am 22.1.2011über 700 Menschen haben sich am heutigen Samstag, den 22. Januar 2011, in Göttingen an einer kraftvollen Solidaritätsdemonstration beteiligt. Unter den TeilnehmerInnen befand sich auch der zum Zweck einer DNA-Entnahme zur Fahndung ausgeschriebene "Martin R.". Mindestens 30 Menschen wurden bei Angriffen von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) verletzt.

"Ich bin wieder da und werde von nun an meinen Lebensalltag wieder aufnehmen!" erklärte "Martin R." in einem Redebeitrag in der Weender Straße. Nach dem 20-jährigen Antifaschisten wird seit zwei Wochen bundesweit gefahndet, weil er sich der DNA-Entnahme entzog. Er bedankte sich für die vielfältigen Formen von Unterstützung, die ihm in den letzten Wochen entgegengebracht wurden. Eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. bewertete die heutige Demonstration als kraftvollen Ausdruck von Solidarität, "der Begriff wurde heute mit Leben gefüllt."
Stadtbibliothek Zu mindestens 30 Verletzten kam es bei zwei Angriffen durch sogenannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE). Nach einer Zwischenkundgebung vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft am Waageplatz verhinderten Polizisten ein Weitergehen der Demo, prügelten mit Tonfa-Schlagstöcken auf Menschen ein und entwendeten zahlreiche Transparente und Fahnen. Hier erlitten mindestens 5 Personen Prellungen und kleinere Platzwunden. Wenig später wiederholten sich in der Goetheallee diese Szenen. Ein Kamerateam der BFE inszenierte an der Leinekanalbrücke einen Zwischenfall, für den es weitere Beamte zur Hilfe beorderte. Eine Einheit der Prügeltruppe schlug sich daraufhin, großflächig Pfefferspray versprühend, durch die Demonstrationsspitze und verletzte dabei mindestens 25 weitere Menschen. Augenverletzungen und Atembeschwerden mussten von SanitäterInnen auf der Goetheallee behandelt werden. "Wir haben heute einen deutlichen Vorgeschmack davon bekommen, was uns bevorsteht, wenn diese Gewalttruppe in Göttingen stationiert wird", kommentierte die A.L.I.-Sprecherin die völlig unbegründeten Angriffe. Und weiter: "Wer einen angeblichen Silvesterböller innerhalb einer Demonstration zu einer gefährlichen Körperverletzung hochstilisiert, selber aber mittels hemmungsloser Gewalt reihenweise Verletzte verursacht, der verzichtet auf den letzten Rest Glaubwürdigkeit".

Gesprühter Demoaufruf am Göttinger WilliplatzDie Absurdität dieser selbstherrlichen Staatsgewalt wurde auch deutlich, als ein Mitglied der Initiative BürgerInnen beobachten die Polizei mit Strafanzeige bedroht wurde und seine Personalien aufgenommen wurden, weil angeblich ein filmender Polizist gefilmt wurde.
Die Demonstration endete am späten Nachmittag vor den Häusern linker Wohnprojekte in der Roten Straße. RednerInnen erinnerten an die illegale Hausdurchsuchung vor einem Jahr und riefen dazu auf "linke AktivistInnen, Häuser und Strukturen gegen die Angriffe des niedersächsischen Innenministeriums zu verteidigen".

Wie heute ebenfalls bekannt wurde, erschienen bereits am gestrigen Freitag Polizeibeamte an der Tür einer linken Wohngemeinschaft in Berlin-Wedding. Sie suchten den zur Fahndung ausgeschriebenen Göttinger Antifaschisten und drohten den BewrInnen mit einer Durchsuchung der Wohnung. Da lediglich ein Durchsuchungsbeschluss für die Wohnräume des Gesuchten, nicht aber für die WG im Wedding vorlag, verweigerten die BewrInnen der Polizei den Zutritt, mussten sich jedoch alle ausweisen.

Während der heutigen Solidaritätsdemonstration erneuerte die Antifaschistische Linke International A.L.I. ihre Aufforderung zu praktischer Solidarität: "Sollte die Polizei unseren Freund und Genossen festnehmen und zwangsweise zur DNA-Abnahme vorführen, fordern wir alle auf, hinzuzueilen und den verfolgten Antifaschisten nicht mit der Polizei alleine zu lassen". Für den Abend einer solchen erzwungenen DNA-Abnahme wird um 18.00 Uhr am Markt / Gänseliesel eine Kundgebung statt­finden.


Pressemitteilung der ALI vom 4.1.2011

Nach Weigerung des Bundesverfassungsgerichts: Gewaltsame DNA-Entnahme gegen 20-jährigen Antifaschisten steht bevor

Solidarität gegen staatliche Repression!


Nachdem heute bekannt wurde, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe es ablehnt, die Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag gegen die zwangsweise DNA-Entnahme bei einem 20-jährigen Antifaschisten aus Göttingen anzunehmen, steht ab morgen eine gewaltsame Polizeiaktion bevor. Die Antifaschistische Linke International A.L.I. ruft zur Solidarität mit dem Betroffenen auf.

Die Göttinger Antifagruppe ruft dazu auf, den Jugendlichen nicht mit der Polizei alleine zu lassen: "Sollte sich die Göttinger Polizei tatsächlich erdreisten, den 20-Jährigen wegen eines angeblich geworfenen Silvesterböllers zur DNA-Entnahme abzuholen, gehen wir auf die Straße und statten der Polizei ebenfalls einen Besuch ab!". Im Falle einer erzwungenen DNA-Entnahme wird am selben Tag um 18.00 Uhr eine Kundgebung am Markt/Gänseliesel in Göttingen stattfinden.

Für Samstag, den 22. Januar 2011, mobilisiert die A.L.I. in diesem Zusammenhang zu einer Demonstration gegen staatliche Repression: "Knapp ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen durch die Polizei in der Roten Straße, rufen wir wieder dazu auf, auf die Straße zu gehen, um die anhaltenden Angriffe gegen unsere Häuser, Strukturen und AktivistInnen abzuwehren!" erläuterte eine Sprecherin der Antifagruppe.

In einem offenen Brief hatten bereits im Dezember 2010 siebzehn Initiativen, Parteien, Abgeordnete, Studierendengruppen und Gewerkschaftsjugendliche eine Rücknahme der Aufforderung zur DNA-Entnahme gefordert und sich erneut gegen Kriminalisierung gesellschaftlichen Engagements gewandt.


Das war los

Stadthalle Göttingen: Gegen die DNA-Entnahme!Ein paar Tage nach Silvester wird möglicherweise ein Knaller in einer Demo fallen gelassen. Polizei und Staatsanwaltschaft suchen sich nach politischen Motiven einen passenden Verdächtigen aus - "Martin R." ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge, zudem bieten sich bei ihm Querermittlungen nach einer Verpuffung im Kreishaus an. Und schon drehen sich die Mühlen der Repression.

Mit ihrem Vorgehen setzen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte aber auch neue Maßstäbe für politische Repression in Göttingen: In Zukunft sollen ein bloßer Verdacht und ein Polizist mit Knalltrauma - der sich an Silvester wohl im schallgeschützten Keller verstecken muss und vor dem Laut der eigenen Schusswaffe Angst hat - ausreichen um DNA-Entnahmen zu rechtfertigen.

Hier könnt ihr Hintergründe zur DNA-Entnahme, einen Pressespiegel, offenen Brief und Informationen zu vorangegangenen Kriminalisierungsversuchen in Göttingen nachlesen.


Bündnisaufruf: Gegen Kriminalisierung und politische Justiz

Wildplakatiert Rote Straße/Göttingen für die Demo am 22.1.2011

Im Folgenden könnt ihr den Bündnisaufruf zur Solidaritätsdemonstration am 22. Januar 2011 nachlesen. 16 Gruppen, Initiativen und Parteien aus Göttingen haben diesen unterschrieben, ebenso wie zahlreiche Gruppen aus der Bundesrepublik. In Göttingen haben zudem verschiedene Gruppen oder Parteien eigene Aufrufe verfasst. Beispielsweise seien diese erwähnt.

Den Bündnisaufruf als pdf Datei gibt es hier.

Am 27. Januar 2010 durchsuchte die Polizei rechtswidrig ein linkes Wohnprojekt in der Roten Straße, nachdem es in einer Teeküche des Landkreisamtes zu einer „Verpuffung“ kam. Bei der anschließenden Solidaritätsdemonstration am 30. Januar 2010 stellte sich die Polizei erneut provokativ vor die Wohnhäuser der Roten Straße, als die Demo eigentlich beendet werden sollte. In Folge fiel ein Silvesterknaller innerhalb der Demo zu Boden, ein Polizist meldete sich mit „Knalltrauma“ krank und ein linker Jugendlicher wurde als angeblicher Täter ausgemacht.

In den folgenden Wochen wurde das Konstrukt der Polizei eines angeblichen „Sprengstoffattentats in der Teeküche“ immer löchriger. Die Beamten wurden von KollegInnen für ihr unprofessionelles Vorgehen kritisiert, Beweismittel wurden durch die Polizei selbst unbrauchbar gemacht und trotz ausufernder Maßnahmen – bspw. der Kontrolle aller RadfahrerInnen Göttingens darauf, mit welchem Bein sie vom Fahrrad steigen – gab es keinerlei neue Erkenntnisse. Am Ende folgte, was abzusehen war: Einstellung der Verfahren, eine Blamage vor Öffentlichkeit und Vorgesetzten, schlicht die Ermittlungspleite.

Göttingen 2011: Demomobilisierung in der InnenstadtAber politische Repression kennt keine rationalen Argumente. Dem zuständigen Fachkommissariat 4, der Staatsschutzabteilung ist es weiterhin ein Anliegen, „Linke“ unter Druck zu setzen. In diesem Fall soll eine Zeugin im Kreishaus einen Mann mit „dunklem Teint“ gesehen haben. Linke „mit dunklem Teint“ kennt das Fachkommissariat 4 genau. Zügig suchen sich die BeamtInnen also eine Person aus und besorgen sich vom Einwrmeldeamt Bilder für eine Lichtbildvorlage. Die Zeugin erkennt niemanden sicher, das hindert das Fachkommissariat jedoch nicht, einen Antrag auf Observation zu stellen, was selbst vor Gericht für absurd gehalten wird, – und bei eben jenem „Linken mit dunklem Teint“ eine DNA-Entnahme anzuordnen.

All dies mag vielleicht außergewöhnlich klingen und auf ersten Blick unlogisch erscheinen, insgesamt reiht sich dieser Vorgang aber nahtlos in eine lange Reihe der Repressionsversuche gegen Linke in Göttingen ein. An der Öffentlichkeit gingen diese nicht spurlos vorbei. Über ein Dutzend Repressionsfälle wurden in einem Reader zusammengestellt, Veranstaltungen abgehalten, selbst der Rat der Stadt stellte die Frage, ob derartiges Vorgehen wirklich Polizeiarbeit sein darf. Die Reaktion des Göttinger Polizeichefs Robert Kruse war es, sich den Göttinger Rat in nicht-öffentlicher Sitzung vorzuladen, einen Vortrag zu halten und alle Repressionsmaßnahmen für gut zu befinden – schließlich wird ja gegen Linke vorgegangen. Gewaltenteilung einmal andersrum.

30.1.2010: Demo gegen die Hausdurchsuchung in der Roten StraßeDie linke, antifaschistische Kultur Göttingens ist wichtig. In ihrer Folge wurden Teile Südniedersachsens „zum weißen Fleck auf der Landkarte der Nazis“. Gleichzeitig bleibt sie ein Dorn im Auge von Innenministern, Polizeichefs und Oberstaatsanwälten.

Wenn die Repressionsmaßnahmen auf zu viel Widerstand stoßen, wird schnell umgeschwenkt und ein anderes Opfer auserkoren. Fakten hin oder her. Die Nachricht, dass derart durchsichtige Kriminalisierungsversuche in der Öffentlichkeit nicht unbeantwortet bleiben, scheint bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten in Göttingen immer noch nicht ganz angekommen sein und muss weiterhin laut und deutlich in die Öffentlichkeit getragen werden.

Daher rufen wir für den 22. Januar 2011 um 14 Uhr zu einer Demonstration ab Markt/Gänseliesel Göttingen unter dem Motto

„Betroffen ist eine/r, gemeint sind wir alle! Hände weg von linken AktivistInnen, Häusern und Strukturen!“ auf.

Es ist wichtig, den Betroffenen in dieser Situation nicht alleine zu lassen. Er steht stellvertretend für alle potentiellen Demonstrierenden. Sollte es zu einer DNA-Entnahme und Zwangsmaßnahmen kommen, rufen wir dazu auf, den Antifaschisten aktiv zu begleiten sowie abends um 18 Uhr mit einer Kundgebung am Gänseliesel unserer Solidarität Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig fordern wir den Verzicht von weiteren polizeilichen Grenzüberschreitungen, wie sie z.B. illegaler Weise mit Hausdurchsuchung im Januar 2010 angewandt wurden.

Unsere Solidarität gegen ihre Repression!


UnterstützerInnen (Stand 16.1.2011):

Göttingen:
Anti Atom Plenum Göttingen | Antifaschistische Linke International A.L.I. | attac Göttingen | Basisgruppe Geschichte, Studierendengruppe an der Universität Göttingen | Basisgruppe Medizin, Studierendengruppe an der Universität Göttingen | Basisgruppe Philosophie, Studierendengruppe an der Universität Göttingen | Bündnis gegen Abschiebung und Rassismus | Bündnis 90/Die Grünen KV Göttingen | BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz
Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät | Grüne Jugend Göttingen | Patrick Humke (Partei Die Linke, Mitglied des Landtages) | SDAJ Göttingen
SDS.Göttingen

überregional:
Antifaschistische Aktion Burg | Antifaschistische Aktion Hannover [aah] | Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen | Antifaschistische Aktion Rendsburg [AARD] | Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) | Antifaschistisches Plenum Braunschweig | Gruppe Arbeitermacht Kassel | IKC (Interventionistisches Kollektiv Celle) | Jugend Antifa (JAA) Braunschweig | REVOLUTION Kassel - internationalistische, kommunistische, Jugendorganisation | 762-Antifa Hannover

Bereits im Dezember 2010 hatten sich verschiedene Gruppen und Einzelpersonen in einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt, um auf den Fall von "Martin R." aufmerksam zu machen. Diesen findet ihr hier.

Darüber hinaus haben verschiedene Spektren, Organisationen und Initiativen mit eigenen Berichten oder Aufrufen zur Demo mobilisiert.

Libertad! hat einen längeren Artikel zu den Hintergründen und der Demo am 22.1.2011 verfasst. Den könnt Ihr hier online nachlesen.

Aufruf der A.L.I.: Spüren sie die Angst?

Plakat Demo 22. Januar 2011

Den Aufruf der A.L.I. als .pdf Datei gibt es hier. Das nebenstehende Plakat als pdf Datei gibt es hier.

Läuft einem Berliner Polizisten nicht ein kalter Schauer über den Rücken wenn er sieht, wie tausende Militante in Athen seinen Kollegen aus Griechenland konfrontierten?

Hat eine Richterin in Stuttgart nicht über die Bombe, die ein Gerichtsgebäude in Athen zerstört hat, gelesen und ängstigt sie sich nicht, dass sich in Europa mehr und mehr Menschen gegen den Staat erheben und zeigen, dass sie überall und immer zuschlagen können?

Denken die zahllosen deutschen Universitätsbürokraten und Stadträte nicht zweimal über ihre Entscheidungen nach wenn sie die Bilder aus London sehen, wo Massen von Studierenden die Straßen mit ihrem Zorn und ihrer Wut füllen?

Erinnern sich Gewerkschaftsfunktionäre und andere Verwalter des sozialen Friedens daran, dass in Frankreich vor nur ein paar Monaten noch zehntausende Menschen deren Autorität trotzten und den Pfad der Selbstorganisation und direkten Aktion gewählt haben um den Staat und ihre Bosse zu konfrontieren?

Grübeln Politiker und Kriegshetzer nicht darüber nach, welche Überraschungen die Zukunft für sie bereithält, wenn sie an Rom und die vielen Menschen denken, die mit ihrem Protest am 14. Dezember die Stadt in einen Unruheherd versetzen und damit eine klare Botschaft von Ablehnung und Bruch mit dieser Realität geliefert haben?

Die Realität ist leider, dass sie es nicht wissen. Jüngste Ereignisse der sozialen Bewegungen in Deutschland haben gezeigt, dass sie sich nicht allzu viele Sorgen machen müssen. Die Wirtschaft floriert. „Wir“, die hart arbeitenden, bescheidenen Patrioten des neuen Deutschlands bemühen uns, die faulen, inkompetenten und unfähigen Länder in Südeuropa zu unterstützen. Der Staat ist unser Freund und beschützt uns vor den Außenseitern und Gefahren, die den sozialen Frieden gefährden können. Dennoch…

Präventive Repression

Demo 30. Januar 2010

Der deutsche Staat wendet Maßnahmen der präventiven Repression an, die in der Vergangenheit entweder unbekannt oder politisch und sozial nicht rechtfertigbar waren. Diese Maßnahmen werden entweder legitimiert aus Vertrauen in die Stärke des Sozialen Konsens, der die Macht des Staates garantiert, oder aus präventiven Instinkten, die gezielt auf die Schwächung antagonistischer Elemente in der Gesellschaft zielen bevor Zustände wie in der europäischen Peripherie entstehen.

Die Angriffe gegen die politischen und die sozialen Aktiven und besonders gegen Jugendliche und solche, die bewusst gewählt haben, den Staat aus einer außerparlamentarischen Position anzugehen, beginnen auf einer immer früheren Stufe. Das Spektrum reicht dabei von den Erfahrungen der letzen Zeit in Göttingen mit massiver Polizeipräsenz bei Demonstrationen, Razzien, Prozessen und einschüchternden Überwachungsmechanismen hin zu bundesweit beliebten Praxen wie das Aussondern von jungen Menschen auf antifaschistischen Demonstrationen und neue Versammlungsgesetze – die nicht die militante Auseinandersetzung als solche, sondern schon die Idee einer solchen kriminalisieren – sowie den kommenden Zensus mit seiner beispiellosen Größe bis hin zu den immer beliebter werdenden Diskursen über „Extremismus“.

Das „Extremismus“-Label wird nicht nur benutzt um Bewegungen und Ideen die Legitimation zu entziehen, um damit die gesellschaftliche Mitte als alternativlos dazustellen. Außerdem dient es dazu die, die für eine freie Gesellschaft Staaten, Nationen, Grenzen und Ausbeutung kämpfen, auf die gleiche moralische und ideologische Stufe mit Neo-Nazis zu stellen. Dass ist nicht nur faktisch, inhaltlich und historisch falsch, es ist auch ein klarer Versuch der Leute, die den Diskurs führen, einen Rahmen für zukünftige noch extremere und „präventive“ Maßnahmen zu legitimieren um radikale und revolutionäre Politik zu schwächen. Es ist ein präventiver Krieg der Ideen, der auf die Gesellschaft als Ganzes zielt und ein Repressions- „Krieg“, der auf den Schultern derer geführt wird, die als Gefahr für die bestehende Ordnung gesehen werden.

Die Kriminalisierung von Widerspruch und die Kapitulation der Zivilgesellschaft

Bullen zurückgeschlagenDas angebliche „Ende der Geschichte“ und das „Ende der Ideologien“ haben uns stattdessen in eine Ära beispielloser ideologischer Kriegsführung hineingeführt, die an die ganze so genannte Zivilgesellschaft gerichtet ist. Unser Leben ist ein Kriegsfeld geworden, in dem wir uns ständig mit Propaganda aller Farben und Formen bombardiert finden – überall, in allen Situationen, jeden Tag. Marketingmaschinen lesen unsere Emails um uns bessere Produkte zu verkaufen während Facebook und andere „soziale“ Netzwerke „Verkaufsprofile“ entwickeln, die auf frei gegebenen Informationen basieren, sodass wir vertraut mit den Ideen von Marketinghaien gemacht werden. PolitikerInnen und „ExpertInnen“ füttern uns mit dem Diskurs der „Kampf der Kulturen“, indem nur repräsentative Demokratien, die auf einem verbraucherorientiertem Kapitalismus basieren, Schutz gegen die „Barbaren“ an den Toren leisten können, während JournalistInnen der Boulevardpresse gegen Demonstrationen, kritische Stimmen und Radikale hetzen indem sie erzählen, diese sozialen Revolutionäre wären nichts anderes als Neo-Nazis. The market names the target, the press aims the guns, the state pulls the trigger.

Im Licht dieser frontalen Angriffe ist es kein Wunder, dass immer größere Gesellschaftsschichten kapitulieren und so die Ausbreitung der Ideen erlauben, die einst nur Fantasien der extremen Rechten waren: Das Konzept, dass Privatsphäre nur eine Idee der „Bösen Menschen“ ist, die etwas zu verbergen haben, die Idee, dass wir große Mauern brauchen um Europa zu schützen, die Vorstellung, dass Polizei und staatliche Einrichtungen immer mehr Macht bekommen sollten um Widerstand zu brechen und dass eine starke ArbeiterInnenbewegung eine Belästigung ist, die bekämpft werden muss.

Der Staat verlässt sich immer weniger auf seine brutale Kraft dafür aber mehr und mehr auf die Akzeptanz und Resignation der stillen Masse, die gelernt hat, für den „nationalen Erfolg“ zu jubeln, und an jene stille Masse, die FaschistInnen und AuländerInnen hasst. Kurz gesagt: Es gibt eine wachsende Masse guter BürgerInnen, die schweigt im Angesicht aller Freveltaten gegen Menschen, aber sich auflehnt aus ihren Sesseln wenn die Unantastbarkeit der Ordnung und des Eigentums gefährdet ist.

Es ist genau diese Absicherung der Masse gepaart mit unserer derzeitigen Schwäche als Bewegung, die den Rahmen vorgibt in dem der Staat Demonstrationen wie Verbrechertransporte behandeln kann. Der es der Polizei ermöglicht alternative Buchläden dutzende Male zu betreten. Es ist dieser Rahmen, der die Gerichte legitimiert, die Erlaubnis zu erteilen, jungen DemonstrantInnen DNA abzunehmen, damit es für den Rest des Lebens gespeichert wird und in einer „Verbrecherkartei“ archiviert wird und die den Rahmen vorgibt für absurde Strafen die erteilt werden für Aktionen, die nur marginal mit den Grenzen der Legalität brechen.

Befreiung wird immer illegal sein

Legalität ist das aktuellste Totschlagargument. Wenn es wahr ist, dass dieser Welt die beste aller möglichen Welten ist, und dieses System die Repräsentation des objektiven Guten in der Form der „vernünftigen Mitte“ annimmt, dann können die Gesetze, die diese Welt regeln und vom System gemacht werden, nur als heilig interpretiert werden. Dieser Diskurs hat sich so weit etabliert, dass sich oft sogar die symbolischen Gesetzesübertretungen wie etwa Blockaden oder Beschädigung von Eigentum Grund genug sind für ein weit verbreitetes Gejammer über „extreme Gewalt“ und „Chaoten“, mit denen irgendwie umgegangen werden muss sodass der Frieden wiederhergestellt werden kann.

Unter dem Risiko übermäßig rhetorisch zu klingen, müssen wir wieder die Frage stellen, in was für einer tauben und irrationalen Gesellschaft wir eigentlich leben. Trotz Toter an Arbeitsplätzen, Prekariat und Ausbeutung, tausende Ertrunkene an der europäischen Grenze, militärische Aggression im großen Stil geführt von den sogenannten „entwickelten“ Ländern dieser Welt und all die anderen Schrecken der systematischen und berechnenden Gewalt die Alltag ist…im Anblick dessen muss man kein Wort verlieren über die marginale und sehr gerechtfertigte Gewalt der Unterdrückten und derer, die den Pfad des Widerstandes gegen Staat und Kapitalismus wählen.

Genau gegenteiliges muss gesagt werden, und dass auch mit einer ständig wachsenden Dringlichkeit. Nicht nur zur eigenen Selbstverteidigung und zu unserer Überzeugung, sondern auch, weil mehr und mehr sind die Teile der Gesellschaft (in einigen mehr, in anderen weniger), der Jugend, der MigrantInnen, der Studierenden, der prekären ArbeiterInnen, der Arbeitslosen und alle anderen die als „negative Faktoren“ in der Gleichstellung des Kapitalismus gesehen werden, die sich für den Bruch mit dem System entschlossen haben und mit der Gasse des Widerspruchs die dieser anbietet. Es ist dringend und wichtig, dass wir mit allen antagonistischen Kräften um uns herum in Solidarität stehen wo und wie wir können und dass wir sie unterstützen in dem was sie tun, wie auch immer dieser Widerstand aussehen mag.

Ungehorsam sein!

Demo 30. Januar 2010

Von der Demonstration zu den Blockaden, den Sabotagen, der aufmüpfigen Haltung im Gericht, der Wahl, einen „Termin“ nicht zu achten, der Akt der Massenmilitanz oder der konspirative Akt einiger weniger wütender Individuen…wenn wir konfrontiert sind mit der Komplizenschaft, der Konformität und dem sozialen Kannibalismus, der die Norm stellt, dann kann der Ungehorsam nur erwünscht sein. Jeder Bruch mit der Legalität, jede Übung in Massenmilitanz, jede Kette verschlossener Arme gegen Robocops und jede Verbindung und Netzwerk, dass sich entwickelt zwischen allen gleichgesinnten ist ein klares Signal der Ablehnung des Systems und eine Verleugnung der Legitimation des Staates.

Diese Vervielfachung gemeinsamer widerständiger Reaktionen und Akte des Ungehorsams – allein, als Revolutionäre oder zusammen mit den Teilen der Gesellschaft die auch unzufrieden sind mit der Richtung, in die die Gesellschaft schliddert – durch die wir die Mittel bereitstellen können, die Stimmen zu vervielfachen, die den Staat offen konfrontieren können und wollen.

Ausgebrannte Autos, ein Stein in einer Bank, die Bilder der Zerstörung nach einer militanten Demonstration, sind Momentaufnahmen von einer wachsenden und sich ausbreitenden Welle von Revolten. Fragen nach Schuld und Unschuld sind Angelegenheiten für die Gerichte unserer Feinde. Wir werden nichts entschuldigen oder verurteilen. Tatsächlich verlieren wir kein Wort über solche Angelegenheiten. Unsere Aufgabe ist die der Solidarität und die Offenlegung der Ursachen und Freveltaten die zu solchen Aktionen führen.

Die Praxis der Solidarität

Wir wehren uns gegen die Schwarzseherei die sagt, dass Ungehorsam und Widerstand unvermeidlich die Kraft der staatlichen Repression nach sich ziehen werden, denn dieser Pessimismus stellt Niederlage, Registrierung, Arrest usw. als schicksalhaft gegeben dar. Das sind sie nicht. Aber in der Realität sind FreundInnen und GenossInnen oft mit staatlicher Repression konfrontiert. Repression zielt darauf ab, dass sich Betroffene isoliert und allein fühlen, dass sie mit (finanziellem) Ballast belastet sind oder gezwungen sind sich in den Käfige für „Kriminelle“ zu begeben. Es ist die praktische Solidarität unserer Verteidigungsstrukturen, unserer Spendenaktionen, unserer Gespräche, Diskussionen und Öffentlichkeitsarbeit, die den Betroffenen zeigt, dass sie nicht allein sind und wir lassen nicht zu, dass der Staat sie einschüchtert oder auseinander treibt.

Diese praktische Solidarität war vor 12 Monaten in Göttingen spürbar: Während die Polizei sich entschlossen hatte, ein selbst verwaltetes Haus zu durchsuchen, sammelten sich hunderte von Menschen auf der Straße um die GenossInnen im Haus zu unterstützen und veranstalteten eine kraftvolle Demonstration durch die Stadt. Tage später kamen mehr als 500 Menschen und standen Seite an Seite mit den Betroffenen gegen weitere Polizeiattacken.

Wesentlicher Bestandteil einer effektiven praktischen Solidarität ist auch die Überzeugung, dass trotz regionaler Besonderheiten und Differenzen wir gemeinsam zu einer breiten internationalen revolutionären Bewegung gehören und die Überzeugung, dass wir die Aussage „Einer für alle, alle für einen“ wörtlich nehmen. Im Laufe der Jahre haben wir uns in gemeinsamen Projekten mit FreundInnen und GenossInnen aus ganz Europa und darüber hinaus engagiert und wenn Solidarität nötig war, dann standen wir zusammen und gingen auf die Straße für unsere FreundInnen in Not. Es ist diese Praxis die unserem Netzwerke aufgebaut hat und unsere Verbindungen gestärkt. Und es ist diese Praxis, die uns die Sicherheit gibt, dass, wenn es noch mehr Angriffe gegen unsere FreundInnen, NachbarInnen, GenossInnen, Häuser oder Strukturen geben sollte, wir mit Sicherheit nicht alleine stehen werden!

Unsere Welt gegen ihre

Unsere Unterstützungspraktiken mit den Bewegungen und Individuen, die von staatlicher Repression betroffen sind, und unser Schutz von autonomen Strukturen und Räume, sind viel mehr als einfache Verteidigungskämpfe. Diese Fronten sind auch gleichzeitig Werkzeug und Waffe mit denen wir auf die Gegensätze zwischen der Welt in der wir Leben und der, in der wir leben wollen, aufmerksam machen.

Auf der einen Seite steht ein öffentliches „Gefängnis“ bewacht von der Polizei, von Richtern, Bürokraten und anderen Kollaborateuren, dass beherrscht wird von Wettbewerb, Sozialabbau, Konsum und Individualismus. Auf der anderen Seite stehen die Erfahrungen kollektiven Lebens, die Erfahrung von selbst organisierten Projekten und nachhaltigen Kooperationen und gegenseitiger Hilfe, wo Grenzen, Uniformen, Bullen, Richter, Hausdurchsuchungen und DNA-Entnahmen nicht mehr sind als ein ferner Gedanke. Eine Demonstration ist nicht unbedingt ein großer Schritt in diese Richtung, aber irgendwo muss ja angefangen werden….

Für einen dynamischen und diversen Widerstand

Für praktische Solidarität

Gegen Polizei, Richter, und Repression

Für die soziale Revolution


Antifaschistische Linke International ALI im Januar 2011


Erklärungen

Erklärung der MitbewrInnen

Solidarität mit dem Genossen

In einer Presseerklärung der Mitbewrinnen und Mitbewr von Martin R." heißt es am 5.1.2010: "Unser Mitbewr ist heute morgen 10.00 Uhr nicht zur Abgabe seiner DNA bei der Polizei erschienen. Seit Tagen ist er leider nicht mehr bei uns". Und weiter:  "(...) fordern wir, dass die Polizei alle weitere Massnahmen sowohl gegen unseren Mitbewr, als auch gegen uns unterlässt". Weiter lesen.


Erklärung der Eltern

Die Eltern des betroffenen Aktivisten haben am 18.1.2011 eine Erklärung verfasst:

Zu erst einmal möchten wir uns für die breite Unterstützung unseres Ss bedanken. Diese Solidaritätsbekundungen können ihm und uns helfen diese Situation zu überstehen.

Vielleicht sieht man als Eltern die Dinge anders als eine Staatsgewalt, aber hier hat der Staatsanwalt H.H. Heimgärtner unmenschlich überzogen. Es waren immer schon diejenigen, die die Gesetzeslage unmenschlich interpretierten, die Tür und Tor für totalitäre Systeme öffneten und sich später zu Gute hielten, sich ja nur an das Gesetz gehalten zu haben.

Eine Entscheidung, ob Heimgärtners Haltung überhaupt verfassungsgemäß ist, wurde ja nicht getroffen, sondern überhaupt nicht zur Entscheidung angenommen. Das Gericht muss diese Entscheidung nicht begründen, aber sieht hier offensichtlich nicht die Grundsätzlichkeit der Umstände.

Es darf nicht sein, dass jemand der verdächtigt wird bei einer Demonstration Silvesterböller gezündet zu haben, behandelt wird wie ein bereits verurteilter Straftäter. Noch immer gilt "im Zweifel für den Angeklagten", bevor jemand verurteilt ist, gilt er als unschuldig. Dieser Grundsatz einer humanen, demokratischen Gesellschaft wird hier auf schamlose Weise verletzt.

Gleichzeitig erdreistet sich dieser Staatsanwalt im GT vom 15.01.2011 hervorzuheben, dass die Gewalt der Naziszene in Göttingen reduziert werden konnte, aufgrund einer starken Antifa in Göttingen. Wie bitte? Warum greift er dann die Antifa so agressiv an?

Wir fordern den Staatsanwalt auf nicht politisch motiviert, sondern wie ein Anwalt eines Rechtsstaates zu handeln und die Aufforderung zur DNA-Abnahme zurückzunehmen.


Medienberichte

Stadtradio Göttingen, 24.1.2011
650 Teilnehmer bei Demonstration gegen DNA-Entnahmen

Rund 650 Personen haben am Samstagnachmittag in Göttingen an einer Demonstration „Gegen staatliche Willkür“ teilgenommen. Die Polizei spricht von 550 Teilnehmern. Hintergrund ist die angeordnete Zwangsentnahme der DNA eines 20-jährigen Mitglieds der linken Szene. Nachdem das Bundesverfassungsgericht seine Beschwerde nicht angenommen hatte, war der 20-Jährige untergetaucht. Auf der Demonstration in Göttingen verkündete er jetzt zwei Wochen nach seinem Verschwinden: „Ich bin wieder da und werde von nun an meinen Lebensalltag wieder aufnehmen!“. Während des Protestmarsches setzte die Polizei mehrmals Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Antifa-Gruppen kritisieren ein unverhältnismäßiges und aggressives Verhalten der Polizei mit mindestens 30 Verletzten. Die Polizei spricht von vermummten Demonstranten, außerdem seien Beamte angegriffen und teilweise verletzt worden. Die Demonstration verlief über die Weender Straße an der Staatsanwaltschaft vorbei durch die Innenstadt zum Kreishaus. Von dort zogen die Demonstranten zur Roten Straße, wo sich der Protestmarsch nach zwei Stunden auflöste. Die Polizei war mit mehreren hundert Beamten im Einsatz.

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taz, 24.1.2011
Aktivist meldet sich zurück
REPRESSION In Göttingen geraten Demonstranten und Polizisten aneinander


Bei einer Demonstration gegen "staatliche Willkür und Repression" sind am Samstag in Göttingen bis zu 30 Menschen von der Polizei verletzt worden.

Die Beamten gingen mit Reizgas und Schlagstöcken gegen die weitgehend friedliche Demo vor. "Willkürliches Verhalten der Polizei findet nicht nur in Bananenrepubliken statt, sondern direkt vor unserer Haustür", kommentierte eine Sprecherin von Die Linke.SDS. Die Europaparlamentsabgeordnete Sabine Lösing und der Landtagsabgeordnete Patrick Humke (beide Die Linke) verurteilten den "gewalttätigen Polizeieinsatz". Die Polizei beklagt, vereinzelt aus der Demonstration heraus mit Fahnenstangen angegriffen worden zu sein. Verletzte PolizistInnen gab es nicht. Etwa 650 Menschen beteiligten sich an der Demonstration, darunter sowohl Autonome als auch AnhängerInnen und MandatsträgerInnen von Linkspartei, SPD und Grünen.

Hintergrund war die geplante DNA-Entnahme bei einem Antifa-Aktivisten. Martin R. war zur Fahndung ausgeschrieben worden und über zwei Wochen untergetaucht. Mit einem "Ich bin wieder da!" meldete sich der 20-Jährige über den Lautsprecherwagen bei der Demonstration zurück. Er wolle seinen "Lebensalltag wieder aufnehmen". Die Polizei versuchte nicht, den Aktivisten zu verhaften.

Die Eltern von R. bedankten sich für die Solidaritätsbekundungen: "Vielleicht sieht man als Eltern die Dinge anders als eine Staatsgewalt, aber hier hat der Staatsanwalt Heimgärtner unmenschlich überzogen", kommentierten sie die durch die Staatsanwaltschaft beantragte DNA-Entnahme.

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HNA, 24.1.2011
Mann verweigerte bisher DNA-Probe
Linksaktivist tauchte bei Demo in Göttingen auf


Mehrere Hundert Menschen haben am Samstag in der Göttinger Innenstadt an einer Demonstration unter dem Motto „Für die Verteidigung von Bürgerrechten - gegen staatliche Willkür“ teilgenommen. Anlass war eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, nach der ein Linksaktivist aus Göttingen eine DNA-Probe abgeben soll.

Während die Polizei rund 500 Demonstranten zählte, sprechen politische Gruppierungen von 700 Teilnehmern. Nach übereinstimmender Darstellung kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Angaben zu Verletzten gibt es nicht. Im Einsatz waren mehrere Hundert Polizisten.

Der zwischenzeitlich untergetauchte Linksaktivist hat an dem Protestzug auch teilgenommen und sich nach Angaben der Gruppe „Antifaschistische Linke International“ für die Solidarität bedankt. „Ich bin wieder da und werde von nun an meinen Lebensalltag wieder aufnehmen!“, soll der 20-Jährige in einem Redebeitrag während einer Kundgebung an der Weender Straße geäußert haben.

Auch der Linken-Landtagsabgeordnete Patrick Humke richtete das Wort an die Demonstranten. Er kritisierte die angeordnete DNA-Entnahme als Beschneidung von individuellen Grund- und Freiheitsrechten.

Nach Angaben der Polizei vermummten sich während einer Kundgebung vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft am Waageplatz mehrere Demonstranten. Daraufhin habe die Polizei die Fortsetzung des Protestzugs vorübergehend unterbrochen, sagte eine Polizeisprecherin.

Ein Beamter sei mit einer Fahnenstange geschlagen worden, da er aber einen Schutzanzug trug, unverletzt geblieben. Bei einem weiteren Zwischenfall in der Goetheallee hätten Polizisten „vereinzelt“ den Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt, da Demonstranten sie bedrängt hätten, sagte die Sprecherin. Die Grüne Jugend Göttingen dagegen kritisierte den Schlagstockeinsatz als „unverhältnismäßig“, der Studentenverband Die Linke/SDS als „unverständlich“.

Der 20-jährige Linksaktivist soll vor rund einem Jahr während einer Demonstration einen Böller geworfen haben, wodurch ein Polizist ein Knalltrauma erlitten haben soll. Im Zuge der Ermittlungen zu diesem Vorfall hatte die Staatsanwaltschaft angeordnet, dass der 20-Jährige eine DNA-Probe abgeben soll. Als der Aktivist dem nicht nachkam, hatte die Polizei ihn ausgeschrieben, das heißt, dass sein Name auf eine Liste gesuchter Personen gesetzt wurde.

Anmerkung der Redaktion am Montag, 24. Januar 2011: Linksaktivist war bei Demo nur zu hören

Eine missverständliche Information hat in dem Bericht über die Linken-Demo in Göttingen zu einer falschen Darstellung geführt. Der bislang abgetauchte Linksaktivist, der eine DNA-Probe abgeben soll, war bei der Demo nicht anwesend. Sein Redebeitrag wurde in einem Lautsprecherwagen von einem Band abgespielt. Wir bitten das Missverständnis zu entschuldigen. (coe)

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Göttinger Tageblatt, 23.1.2011
Handgreiflichkeiten während Demonstration
650 Menschen protestieren gegen DNA-Entnahme


Zu Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstrationsteilnehmern ist es am Sonnabend in der Innenstadt gekommen. Anlass war ein Protestzug „Für die Verteidigung der Bürgerrechte – gegen die zwangsweise DNA-Entnahme“.

Dabei wurden nach Angaben der Veranstalter 30 Demonstrierende verletzt.Die Polizei berichtete von einem Beamten, den bei einem Angriff nur die „Körperschutzausstattung“ vor Verletzungen bewahrt habe. Insgesamt protestierten rund 650 Menschen. Dem standen mehrere hundert Polizeibeamte gegenüber.

Aufgerufen hatten zu der Demonstration Die Linke, Grüne Jugend und Hochschulgruppe, die Antifaschistische Linke International (ALI) sowie weitere linke und antifaschistische Gruppen. Begonnen hatte die Protestaktion mit einer Kundgebung am Alten Rathaus, wo Redner sich solidarisch mit einem 20 Jahre alten Antifaschisten erklärten. Der Göttinger soll sich nach einem Böllerwurf bei einer Demonstration, die sich gegen die Ermittlungsmethoden der Polizei nach dem Anschlag auf die Teeküche des Kreishauses richtete, einer DNA-Entnahme unterziehen. „Ob beim Versammlungsrecht oder bei der DNA-Zwangsentnahme: Grund- und Freiheitsrechte werden zugunsten von Repression und Willkür immer weiter zurückgedrängt“, kritisierte Patrick Humke, Landtagsmitglied der Linken, staatliches Vorgehen. „Betroffen ist einer, gemeint sind wir alle“, stellten andere Redner fest.

Die Demonstration begann friedlich mit einem Protestzug durch die Innenstadt. Eskortiert wurden die vom sogenannten schwarzen Block angeführten Teilnehmer von zahlreichen Einsatzkräften der Polizei. Allein die Spitze des Zuges machten mehr als 60 Uniformierte aus. Vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft am Waageplatz kam es zu ersten Rangeleien.

Die Polizei hatte die Demonstranten aufgehalten und ließ sie erst nach einer Viertelstunde weiterziehen. „Die Vermummung mit Sonnenbrillen und Schals bis über die Nase“ sei Grund für die polizeiliche Aktion, teilte Humke dem Demonstrationszug über Lautsprecher mit. Ein weiterer Zwangsstopp in der Goetheallee führte erneut zu Gewalttätigkeiten. Beamte, die laut Pressemitteilung der Polizei „von Versammlungsteilnehmern bedrängt und mit Transparentstangen angegriffen“ worden seien, setzten Schlagstöcke- und Pfefferspray ein. Demonstranten schubsten und warfen Feuerwerkskörper.

Nach den Handgreiflichkeiten im Gedränge auf der Brücke über dem Leinekanal klagten zahlreiche Demonstrationsteilnehmer und Beobachter über Beschwerden durch eingeatmetes Pfefferspray, unter anderem der Pastor und Grünen-Kommunalpolitiker Thomas Harms, der die Polizei kritisierte: „Bei einer sonst friedlichen Demo wird billigend in Kauf genommen, dass Bürger verletzt werden.“
Zwischenfälle verlief die übrige Wegstrecke durch die Innenstadt. Die Polizei teilte am Sonnabend mit, es seien Ermittlungsverfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz gegen Unbekannt eingeleitet worden.

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Junge Welt, 24.01.2011
Staatliche Willkür angeprangert
Göttingen: 700 Menschen demonstrierten für Bürgerrechte und Repression gegen Antifaschisten


Unter dem Motto »Für die Verteidigung von BürgerInnenrechten – gegen staatliche Willkür« gingen am Samstag knapp 700 Personen in Göttingen auf die Straße. Hintergrund der Aktion ist eine angekündigte Zwangsmaßnahme gegen einen jungen Antifaschisten. Die Staatsanwaltschaft wirft Martin R. eine »Straftat von erheblicher Bedeutung« vor, weil er bei einer Demonstration einen Böller auf einen Polizisten geworfen haben soll. Der Beamte soll daraufhin ein Knalltrauma erlitten haben. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf wurde der 20jährige aufgefordert, eine DNA-Probe abzugeben.

R. hatte dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Nach dem Scheitern der Klage war er vor zwei Wochen untergetaucht. Von den Behörden wurde er daraufhin prompt zur Fahndung ausgeschrieben. An der Demonstration in Göttingen nahm er jedoch unbehelligt teil und kündigte in einem Redebeitrag an, seinen »Lebensalltag« wieder aufzunehmen.

Während des Marsches setzte die Polizei mehrfach Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Antifa-Gruppen kritisieren ein unverhältnismäßiges und aggressives Verhalten der Beamten und sprachen von 30 verletzten Demonstranten. Obwohl auch Landtagsabgeordnete von Linkspartei und Grünen anwesend waren, wurde der Zug immer wieder angehalten. Die Polizei spricht von Verstößen gegen das Vermummungsverbot, außerdem seien Beamte angegriffen worden. An den Auseinandersetzungen beteiligt waren vor allem Beamte einer »Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit« (BFE). Augenzeugen sprechen von »inszenierten Zwischenfällen«.

Geht es nach dem Willen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU), soll eine BFE-Einheit künftig in Göttingen fest stationiert werden. Es wäre landesweit die fünfte. Eine Sprecherin der Gruppe »Antifaschistische Linke International« (ali) kündigte eine weitere Kundgebung für den Tag an, an dem Martin R. zwangsweise die DNA-Probe entnommen werde.

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Junge Welt, 06.01.2011
Proteste gegen drohende DNA-Entnahme
20jähriger soll wegen angeblichen Böllerwurfes zur Abgabe einer DNA-Probe gezwungen werden


Gegen die DNA-Entnahme bei einem 20jährigen Göttinger Antifaschisten durch die örtliche Polizei formiert sich zunehmend Protest. Dem jungen linken Aktivisten wird einzig zum Vorwurf gemacht, bei einer Demonstration gegen staatliche Repression, die am 30. Januar des vergangenen Jahres in der Universitätsstadt stattfand, einen Böller in Richtung der Einsatzkräfte geworfen zu haben. Obwohl noch kein rechtskräftiges Urteil den Vorwurf bestätigt hat, beantragte die Staatsanwaltschaft, dem Antifaschisten eine DNA-Probe entnehmen zu lassen, und bedrohte den Betroffenen – sollte er die angeordnete Entnahme nicht über sich ergehen lassen – mit »Zwangsmaßnahmen«. Am Dienstag wurde bekannt, daß das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen die zwangsweise Entnahme Begründung abgelehnt hat.

Das unverhältnismäßige Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei stößt mittlerweile nicht nur bei der antifaschistischen Szene der Stadt auf harsche Kritik. In einem offenen Brief, der von insgesamt siebzehn Göttinger Initiativen, Parteien, Studierendengruppen – darunter auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten die ver.di-Jugend und Bündnis 90/Die Grünen – unterzeichnet wurde, fordern die Unterstützer die sofortige Rücknahme der Aufforderung zur DNA-Entnahme und kritisieren die zunehmende Kriminalisierung linker Aktivisten. Immer zielgerichteter werde dabei in Göttingen versucht, Jugendliche, die politisches Engagement zeigen, einzuschüchtern, sei es durch Besuche bei den Eltern oder in der Schule, konstatieren die Verfasser des Briefes.

Die Antifaschistische Linke International (ALI) ruft im Falle einer erzwungenen DNA-Probe für den selben Tag um 18 Uhr zu einer Kundgebung (am Markt/Gänseliesel) auf. »Sollte sich die Polizei tatsächlich erdreisten, den 20jährigen wegen eines angeblich geworfenen Silvesterböllers zur DNA-Entnahme abzuholen, gehen wir auf die Straße und statten der Polizei ebenfalls einen Besuch ab«, so eine Sprecherin der Antifagruppe gegenüber junge Welt.

Für den 22. Januar mobilisieren die Initiativen darüber hinaus zu einer Demonstration gegen staatliche Repression. »Knapp ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen durch die Polizei in der Roten Straße rufen wir wieder dazu auf, auf die Straße zu gehen, um die anhaltenden Angriffe gegen unsere Häuser, Strukturen und Aktivisten abzuwehren«, kündigte die Antifaschistische Linke International an.

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Stadtradio Göttingen, 30.12.2010
Kritik an DNA-Entnahme wächst

Die Kritik an der geplanten DNA-Entnahme bei einem Göttinger Antifa-Aktivisten wächst. Auch der Göttinger Landtagsabgeordnete der Grünen, Stefan Wenzel, hat das Vorhaben der Staatsanwaltschaft kritisiert. Sie will dem jungen Mann zwangsweise eine DNA-Probe entnehmen, weil er auf einer Demonstration einen Silvesterknaller geworfen hat. Der Mißbrauch von Silvesterknallern könne sehr ernste Folgen haben, aber die Anwendung von DNA-Tests rechtfertige er nicht, sagte Wenzel. Diese Maßnahme sollte schweren Straftaten vorbehalten bleiben. Einfache Verstöße gegen das Versammlungsgesetz könnten dafür keine Rechtfertigung liefern, so der Grünen-Chef. Die DNA-Entnahme ist für den 5. Januar geplant. Vorher wird das Bundesverfassungsgericht noch die Rechtmäßigkeit der Maßnahme prüfen.

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Göttinger Tageblatt, 30.12.2010
Eilentscheidung

Böllerwurf bei Demo vor Verfassungsgericht


Ganz Deutschland wird von Knallerkrach erschüttert. Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftig sich mit Böllerwürfen.

In einer Eilsache will sich das höchste deutsche Gericht bis kommenden Mittwoch, 5. Januar, mit der Frage beschäftigt haben, ob der Wurf eines Feuerwerkskörpers bei einer Demonstration plus einiger leichter Verstöße bei früheren Kundgebungen dazu ausreichen, einem jungen Mann eine DNA-Probe abzunehmen und ihn somit zum Schutz vor weiteren Straftaten in der Verbrecherkartei zu speichern.

Judith Blohm, Pressesprecherin des Verfassungsgerichts, bestätigte gestern, dass eine Eilentscheidung vor dem 5. Januar ergehen solle. Für diesen Tag nämlich ist der 20-Jährige zur Abgabe einer Speichelprobe bei der Polizei vorgeladen. So lange es keine anderslautende Nachricht vom Verfassungsgericht gebe, so Inspektionsleiter Thomas Rath, halte man sich an die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts, das die DNA-Entnahme – anders als zuvor das Amtsgericht – für rechtmäßig erklärte.

Das Landgericht hatte die Böllerwürfe als gefährliche Körperverletzung eingeordnet, weil ein Polizist sich mit einem Knalltrauma krank gemeldet hatte. Die Ermittlungsakte indes enthält nach Tageblattinformationen keine Zeugenaussage, die auf einen gezielten Böllerwurf hindeutet. Vielmehr sei der Feuerwerkskörper innerhalb des Demo-Zuges auf den Boden geworfen worden.

Der Sache kommt deshalb Bedeutung zu, weil der 20-Jährige vorübergehend unter Verdacht stand, am Brandanschlag auf das Kreishaus im Januar beteiligt gewesen zu sein. In einem offenen Brief von 16 politischen Gruppen – von Grüner Jugend bis Attac – wird Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten unterstellt, die DNA-Entnahme diene in Wahrheit weiteren Ermittlungen im bereits eingestellten Anschlagsfall.

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taz, 28.12.2010
DNA-Zwangstest
Spucke für den Staatsanwalt


Wegen eines Böllerwurfs will die Göttinger Staatsanwaltschaft einem Antifa-Aktivisten DNA entnehmen lassen. Möglicherweise soll das die Ermittlungen um eine Explosion im Ausländeramt voranbringen.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen will eine DNA-Probe eines 20-jährigen Antifa-Aktivisten erzwingen. Weil er einen Böller auf Polizeibeamte geworfen haben soll, sagt sie. Weil er wegen seiner dunklen Hautfarbe ins Blickfeld der Ermittler geraten war, sagt sein Rechtsanwalt Sven Adam. Er klagt vor dem Bundesverfassungsgericht.

Offiziell will die Staatsanwaltschaft die DNA-Probe von Martin R. wegen eines angeblichen Böllerwurfs auf einer Demonstration entnehmen lassen. Ob R. tatsächlich einen Böller auf Polizisten geworfen hat, ist noch nicht gerichtlich entschieden: Das Ermittlungsverfahren läuft noch. Es könnte auch Anklageerhebung eingestellt werden.

Für das Landgericht Göttingen ist dennoch der "Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung" gegeben, der eine DNA-Entnahme rechtfertigen würde. Auch eine "Gefahrenprognose" bejaht das Gericht - wegen weiterer, jeweils eingestellter Ermittlungsverfahren gegen R. im Zusammenhang mit Demonstrationen und einer Vorstrafe wegen versuchter Körperverletzung, weil er einem Polizisten gegen den Schienbeinschützer getreten hatte. Das Landgericht ordnete deshalb an, dass dem Beschuldigten "Körperzellen entnommen und zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden" dürfen. R. soll am 5. Januar eine Speichelprobe entnommen werden.

"Das Gericht versucht, aus einem Böllerwurf eine erhebliche Straftat zu konstruieren", meint Rechtsanwalt Adam. "Und das in einem Ermittlungsverfahren, in dem bisher nichts erwiesen ist." Womöglich geht es den Ermittlern auch um einen ganz anderen Fall: Im vergangenen Winter ermittelte die Polizei schon einmal gegen den jungen Mann. Sie verdächtigte ihn, einen Brandsatz in der Ausländerbehörde des Landkreises deponiert zu haben. Bei der Explosion einer manipulierten Klebstofftube war dort im Januar ein Mitarbeiter verletzt worden. Die Polizei vermutete einen linkspolitischen Hintergrund, weil sie ein Schriftstück mit der Forderung nach einem Abschiebestopp in Tatortnähe fand.

Eine Zeugin hatte einen vermummten Verdächtigen mit einem "dunklen Teint" gesehen. Der damals 19-jährige R. war der Polizei als dunkelhäutiger Linker von Demonstrationen bekannt. Sie beantragte eine Observation. Die lehnte die Staatsanwaltschaft damals allerdings mangels Anfangsverdachts ab.

In den Akten der mittlerweile ergebnislos eingestellten Ermittlungen findet sich der Hinweis, dass über andere Ermittlungsverfahren versucht werden soll, an die DNA des jungen Mannes zu gelangen. Deswegen geht sein Rechtsanwalt davon aus, dass die Staatsanwaltschaft die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gewonnene DNA mit den in der Ausländerbehörde gefundenen Spuren abgleichen will.

Adam hat deswegen Verfasungsbeschwerde erhoben. Bis zum Jahresende rechnet er mit einer Entscheidung über seinen Eilantrag. "Sollte der Beschluss des Landgerichts Göttingen vor dem Bundesverfassungsgericht halten", befürchtet der Rechtsanwalt, "könnten sich die DNA-Archive schnell auch mit den Daten politisch engagierter Menschen füllen lassen, die sich auf Demonstrationen kleinerer versammlungstypischer Vergehen strafbar gemacht haben." Das will auch R. verhindern. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich eine DNA Entnahme vorherige Verurteilung vor Gericht als polizeiliche Praxis normalisiert", sagt der 20-Jährige, der sich wegen der Sache auch persönlich unwohl fühlt.

Protest gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft kommt auch vom Göttinger Bündnis gegen Rechts, das in einem offenen Brief die Einstellung des Ermittlungsverfahrens fordert - und die "Rücknahme der Aufforderung zur Entnahme von DNA gegen den Demonstranten". Unterzeichnet haben unter anderem Antifa-Gruppen, Grüne Jugend und Jusos sowie die Ratsfraktion GöLinke und ein Landtagsabgeordneter der Linksfraktion. Für sie ist der Versuch, an den genetischen Fingerabdruck zu gelangen, Teil der "immer durchsichtigeren Kriminalisierungsversuche linken Engagements".

 

DNA-Entnahmen

Die zwangsweise Entnahme einer DNA-Probe regelt Paragraf 81g der Strafprozessordnung. Die Straftat muss von erheblicher Bedeutung sein oder sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten. Der bloße Verdacht reicht aus, eine Verurteilung ist nicht notwendig. Eine Gefahrenprognose muss besagen, dass in Zukunft Strafverfahren von erheblicher Bedeutung gegen den Beschuldigten geführt werden. Gespeichert werden die Daten auf unbestimmte Zeit beim Bundeskriminalamt. Staatsanwaltschaften und Polizei dürfen auf die entsprechende Datenbank zugreifen. BELA

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Stadtradio Göttingen, 21.12.2010
Offener Brief kritisiert angeordnete DNA-Entnahme

In einem offenen Brief haben verschiedene Gruppen und Einzelpersonen die bevorstehende Entnahme von DNA bei einem Göttinger Bürger kritisiert. Dem Mann wird vorgeworfen im Rahmen einer Demonstration im Januar dieses Jahres einen Sylvesterböller geworfen zu haben. Die Verfasser des Briefes, darunter Hochschulgruppen, die Grüne Jugend sowie der Landtagsabgeordnete der Partei die Linke Patrick Humke-Focks, vermuten einen Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Brandanschlag, der ebenfalls im Januar im Göttinger Kreishaus stattgefunden hat. Die Polizei habe den Mann damals in das Visier genommen, aber keinen hinreichenden Tatverdacht nachweisen können. Auch der Göttinger Anwalt Sven Adam geht davon aus, dass Polizei und Staatsanwaltschaft nun auf Umwegen an die DNA des Mannes gelangen wollen. Während in dem offenen Brief die Einstellung des aktuellen Ermittlungsverfahrens gefordert wird, hat Adam ein Eilverfahren vor dem Verfassungsgericht angestrengt. Er rechne noch in diesem Jahr mit einer Entscheidung, so Adam. Die DNA-Entnahme ist für den 5. Januar angesetzt.


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Göttinger Tageblatt, 4. Dezember 2010
Verfassungsbeschwerde gegen DNA-Entnahme

Ist jemand ein Krimineller, dem „weitere Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zuzutrauen sind, der während einer Demonstration einen Silvesterkracher zündet? Das Landgericht Göttingen sagt ja. Das sei ein Fall gefährlicher Körperverletzung.

Die Entscheidung ist deshalb pikant, weil der junge Mann dunklen Teint hat. Ein Täter mit dunklem Teint wurde auch im Zusammenhang mit dem Brandanschlag am 22. Januar im Gebäude des Landkreises gesucht. Die Ermittler verdächtigten den 20-Jährigen, so dass sie sich Fotos von ihm aus dem Einwrmeldeamt beschafften, um sie heimlich als Lichtbildvorlage für Zeugen zu benutzen. Ob das überhaupt rechtmäßig war, beschäftigt immer noch das Amtsgericht.

Aus dem Verdacht gegen seinen Mandanten schließt Rechtsanwalt Sven Adam, dass die Polizei in Wahrheit die DNA des 20-Jährigen analysieren will, um sie mit Spuren des Kreishaus-Anschlages zu vergleichen, obwohl diese Ermittlungen längst eingestellt sind und der 20-Jährige auch nicht mehr im Verdacht steht.

Begründet wird die DNA-Entnahme ganz anders: Der Mann soll „gefährliche Körperverletzung“ begangen haben, weil er einen Böller gezündet habe. Ein Verdacht, der nicht einmal bewiesen ist. Andere Knallkörper wurden bei ihm nicht gefunden. Ein Polizist hatte nach einer Demo behauptet, Ohrgeräusche zu spüren. Dies wurde als Knalltrauma angesehen; eine gefährliche Körperverletzung. Eine Vorstrafe und eingestellte Verfahren wegen Widerstandshandlungen bei Demos der linken Szene reichten aus, um dem 20-Jährigen zu unterstellen, es seien von ihm weitere erhebliche Straftaten zu erwarten.

Während das Amtsgericht es noch ablehnte, eine DNA-Abgabe anzuordnen, denn die Körperverletzung sei nur einfach und seine weiteren Taten nicht erheblich, legte die Staatsanwaltschaft dagegen Beschwerde ein. Das Landgericht entschied nun: Er habe „wiederholt Gewalt gegen Polizeibeamte“ ausgeübt, und er habe den „Böller auf Polizeibeamte“ geworfen. Das aber sagt sein Anwalt, gehe aus der Ermittlungsakte gar nicht hervor. Adam wird gegen den Gerichtsbeschluss Verfassungsbeschwerde einreichen. Sollte die DNA-Abgabe erzwungen werden, will er parallel Eilantrag im Verwaltungsgericht stellen.