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Kurdistan Solidemo Berlin 2007

Keine türkische Intervention im Nordirak!

Solidarität mit den KurdInnen in der BRD!

Im November 2007 veröffentlichte die A.L.I. die unten stehende Solidaritätserklärung zum kurdischen Befreiungskampf in der Türkei und im Nordirak, sowie gegen die Angriffe gegen KurdInnen in der EU.

Am Wochenende 3./4. November 2007 haben rund 10.000 Menschen in der BRD für eine politische Lösung im Konflikt um die türkische Besatzung in Kurdistan protestiert. In Berlin, Dortmund, Köln, Hamburg, Stuttgart und Magdeburg forderten die DemonstrantInnen eine Ende der militärischen und politische Unterdrückung in Kurdistan; ein Stop der Übergriffe rechter Türken gegen Kurden in der BRD und der Türkei sowie ein Ende der "Terror-Hetze" gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK). Mehr dazu bei www.antifa.de

Weitere Informationen zum Thema Kurdistan findet ihr bei der Informationsstelle Kurdistan ISKU .

Hier findet ihr eine Solidaritätserklärung der A.L.I. mit der Kurdischen Zeitung Özgur Politika aus dem September 2005. Im Dezember 2004 organisierten wir eine Veranstaltung mit der Internationalistin Anja Flach zum Thema Frauen in Kurdistan. Mehr dazu hier.


Schluss mit den Kriegen im Nahen Osten

Keine türkische Intervention im Nordirak!

 

Seit Ende Oktober eskaliert der Konflikt um die kurdische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. deren Nachfolgeorganisation Kongra-Gel und deren bewaffnete Kräfte im kurdischen Teil des Nordirak. Nachdem die türkische Regierung angekündigt hat, im Nordirak zu intervenieren, zeichnet sich nicht nur eine weitere Eskalation im hin durch den US-Angriffskrieg von 2003 destabilisierten Irak ab, auch in zahlreichen Ländern der EU kam es zu Angriffen auf KurdInnen.

 

 

Der türkische Chauvinismus und die KurdInnen

 

Die kurdische Bevölkerung auf dem Staatsgebiet der Türkei, aber auch im Irak und im Iran, ist den jeweiligen Staaten seit jeher ein Dorn im Auge. Besonders brutal ging der Irak unter Saddam Hussein 1988 gegen die kurdische Bevölkerung vor. Seitdem die PKK 1979 in der Türkei den Kampf für die Rechte der KurdInnen und einen sozialistischen Staat Kurdistan aufgenommen hat, führt die Türkei einen mal offenen, mal verdeckten Krieg gegen die Organisation und ihre vermeintlichen Anhänger - in den Augen der türkischen Nationalisten jede Kurdin und jeder Kurde. Etwa 30.000 Menschen fielen den zahlreichen Massakern und Überfällen bis Ende des 20. Jahrhunderts zum Opfer, wie Menschenrechtsorganisationen berichten. Mehrere einseitige Waffenstillstände seitens der PKK sowie eine Änderung der politischen Linie seit der Verhaftung des Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan im Februar 1999 - die PKK kämpft seitdem für die Anerkennung der Rechte der KurdInnen in der Türkei, hat das politische Ziel eines eigenen kurdischen Staates aber aufgegeben - haben an der Gesamtsituation wenig geändert.

 

Gleichzeitig wurde auch im Rahmen der Reformen des EU-Beitrittsprozesses der Türkei die faktische sprachliche und soziale Benachteiligung der kurdischen Bevölkerung aufrechterhalten. Nach wie vor wird jedes Bekenntnis zum Kurdisch-Sein als terroristisch und den türkischen Staat gefährdend verfolgt. Die Beitrittsperspektive hat sogar eher dazu beigetragen, das Ausmaß der Diskriminierung und Entrechtung zu verschleiern und die Türkei im außenpolitischen Interesse als demokratischen Staat darzustellen. Welche Blüten der Kemalismus im Zuge der jüngsten Auseinandersetzungen treibt, offenbaren nicht nur die Hetzjagden auf kurdische Menschen in Berlin und anderen Städten Europas sowie die chauvinistischen Massenkundgebungen in vielen türkischen Städten, sondern auch das Schicksal acht türkischer Soldaten, die Ende Oktober von der kurdischen Guerilla gefangen genommen und wenig später wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Getreu dem Motto, dass ein Soldat nicht aufzugeben, sondern zu sterben habe, werden die Soldaten in der Türkei als Verräter der nationalen Sache angesehen, die sich arglos dem Feind ausgeliefert hätten. Vor einigen Tagen hat nun ein türkischer Militärgerichtshof Anklage wegen „Befehlsverweigerung“ gegen die Soldaten erhoben. Verschiedene Politiker äußerten, dass es eine „Schande“ sei, dass die Soldaten sich nicht im Kampf geopfert hätten. Das Gericht wirft ihnen tatsächlich vor, mit ihrer Gefangenschaft Propaganda für eine terroristische Vereinigung gemacht zu haben.

 

 

Der Nordirak als geopolitisches Spielfeld

 

Auf dem Weg einer Aussöhnung und Gleichberechtigung zwischen TürkInnen und KurdInnen bleibt der türkische Nationalismus, der sich mit seiner Ablehnung einer kurdischen Identität und der Verweigerung von Minderheitsrechten auf den 1938 gestorbenen Übervater und Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk bezieht, das zentrale Problem. Dabei geht es der Türkei mit ihrer geplanten Intervention im Nordirak keineswegs nur um die zahlenmäßig kleine Guerilla des Kongra-Gel, sondern auch um die staatlichen Strukturen der Autonomen Region Kurdistan, die sich im Nordirak unter den ehemaligen Verbündeten der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) herausgebildet haben. Die beiden Parteiführer Masud Barzani und Dschalal Talabani spielen im Rahmen der US-Besatzungspolitik im Irak eine wichtige Rolle. Sollten sie die Kontrolle über die ölreichen Gebiete rund um die Stadt Kirkuk erlangen, würde sich die Quasi-Staatlichkeit der Autonomen Region Kurdistans aufgrund des gestiegenen ökonomischen Gewichts vertiefen, wie die Türkei befürchtet. Gleichzeitig stellen die beiden Parteiführer, deren Familien und Anhänger sich die Macht in der Region teilen, internationalen Ölkonzernen lukrative Bedingungen zur Ausbeutung der vorhandenen Ölreserven. Mit einem Einmarsch im Nordirak verfolgt die Türkei also nicht nur das Ziel, die kurdische Guerilla zu zerstören, sondern auch den Entstehungsprozess eines kurdischen Staates an der Südost-Grenze der Türkei zu verhindern.

 

Solidarität mit den KurdInnen in der BRD!

 

Die militanten Übergriffe türkischer Nationalisten und Faschisten auf kurdische Menschen in der BRD, insbesondere die hetzjagdartigen Szenen vor zwei Wochen in Berlin, wo etwa 600 Nationalisten Jagd auf alles machten, was in ihren Augen kurdisch aussah, haben uns erschreckt. Sie offenbaren nicht nur zum wiederholten Male, dass die deutsche Linke die Augen vor den internationalen Auseinandersetzungen und Konflikten nicht verschließen darf, sondern fordern auch unsere Solidarität mit der kurdischen Bevölkerung hier, zumal die Situation in den nächsten Wochen weiter eskalieren könnte. Dabei darf allerdings auf der einen Seite nicht der Eindruck entstehen, dass alle türkischen Menschen in Deutschland geifernde FaschistInnen seien: keineswegs wollen wir in das Horn des Rassismus blasen, das die Boulevard-Presse in den vergangenen Wochen bediente, wenn sie Menschen aus dem Nahen Osten als generell gewalttätig und gefährlich beschrieb. Auf der anderen Seite geht es uns keineswegs um eine Solidarisierung mit dem Programm des Kongra-Gel bzw. der PKK, die mit ihrer Befürwortung des US-Angriffskrieges gegen den Irak viele Sympathien verspielt hat. Angesichts der rassistischen Übergriffe müssen solche Differenzen aber zurückstehen.

 

 

 

Eine Lösung für die kurdische Bevölkerung in der Türkei wird der EU-Beitritt nicht bringen, das haben die letzten Jahre gezeigt. Vielmehr deutet sich an, dass eine Verbesserung der Situation der KurdInnen nur im Rahmen einer allgemeinen Demokratisierung des Nahen Ostens stattfinden kann. Autoritäre Regime und ihre westlichen Bündnispartner sowie der durch militärische Interventionen gewachsene islamistische Terrorismus* haben dort in den vergangenen Jahren alle Wege verbaut. Dass das US-Konzept „Demokratisierung durch Krieg“ keine Antwort ist, zeigt der Irak-Krieg und dessen Folgen sowie die Intervention in Afghanistan.

 

 

Deshalb: Schluss mit Krieg und Besatzung im Nahen Osten! Solidarität mit den Kurden und Kurdinnen! Keine türkische Intervention im Nordirak!

 

 

 

* Unter islamistischen Terrorismus wollen wir auf keinen Fall die in den Medien inflationär benutzte und mittlerweile fast gängige Bezeichnung verstehen, die jede Art von Widerstandshandlung im Nahen Osten mit dem Etikett "Terrorismus" versieht. Konkret meinen wir mit islamistischem Terrorismus die Anschläge beispielsweise der Al Qaida.

Bottom Line