"Euch zum Trotz werden wir Kurdistan befreien!"

Drei kurdische Politikerinnen in Paris ermordet

Am Smstag den 9.02.2013 erinnerten 100 Menschen an die drei Kurdinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Söylemez die vor einem Monat am 09.01.2013 in Paris ermordet wurden.

Um 13 Uhr versammelten sich die TeilnehmerInnen am Gänseliesel und zogen über den Kornmarkt in die Jüdenstraße, wo ein Redebeitrag zur Geschichte des PKK Verbots und dessen Auswirkungen von der Grünen Jugend gehalten wurde (den Redebeitrag gibt es hier).

Dann zogen die Demonstrierenden weiter zum Carré, wo eine weitere Zwischenkundgebung mit einem Redebeitrag der kurdischen Frauenbewegung stattfand.

Parallel gab es in Hamburg eine Demonstration für die Freilassung des in Hamburg gefangen gehaltenen Ali Ishan und für die Einstellung seines §129/b-Prozesses. Mit den §129-Paragraphen werden seit Jahrzehnten politisch aktive Kräfte in Deutschland kriminalisiert, in diesem Fall wegen angeblicher "Mitgliedschaft in einer Terroristischen Vereinigung im Ausland". Ali soll 2007-2008 in Hamburg und Norddeutschland verantwortlicher Kader der PKK gewesen sein und ihm wird vorgeworfen, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ beteiligt zu haben.

Weiter Infos findet ihr hier: freiheitfueraliihsan.noblogs.org

Mord an Kurdischen Aktivistinnen

Am  09.01.13 wurden die kurdischen Politikerinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Söylemez in den Räumen des Kurdischen Informationsbüros in der Nähe des Pariser Nordbahnhofes heimtückisch ermordet.

Diese Morde waren kein Zufall sondern geplante Exekutionen. Sakine Cansız und Fidan Doğan wurden mit Kopfschüssen, Leyla Söylemez mit Schüssen in den Kopf und den Bauch gezielt ermordet. Der oder die Täter benutzten Waffen mit Schalldämpfern. Sakine Cansiz, ein Gründungsmitglied der kurdischen Freiheitsbewegung PKK, Fidan Doğan, die Vertreterin des Kurdischen Nationalkongresses in Frankreich und die Jugendaktivistin Leyla Söylemez wurden gezielt, als führende Persönlichkeiten in der kurdischen Bewegung ausgewählt. Dieses Massaker fand vor dem Hintergrund eines möglichen Friedensdialogs zwischen der türkischen Regierung und dem Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan statt und scheint darauf zu zielen diesen Verhandlungsprozess zu sabotieren.

Diese Ereignisse sind keine Einzelfälle; regelmäßig beim Beginn von Friedensgesprächen verüben Kräfte des türkischen Geheimdienstes, des Militärs oder dem Staat nahestehende Faschisten Massaker an ZivilistInnen und prokurdischen AktivistInnen. Gerade die Auswahl von Sakine Cansiz, einer Frau die, die gesamte Entwicklung der PKK mit erlebt hat, die Folter im Gefängnis von Diyarbakır ungebrochen überlebt hat und als langjährige Vertraute Abdullah Öcalans gilt, ist symbolisch. Dieses Verbrechen zielt auf die gesamte kurdische Bevölkerung ab, bezweckt diese einzuschüchtern und zu demoralisieren.

Trotz der laufenden Verhandlungen mit Öcalan hatte der türkische Ministerpräsident Erdogan erklärt, die Militäroperationen würden fortgesetzt werden und gegenüber der PKK gedroht: „Wir werden euch überall finden, wo ihr auch seid.“ Vor einer Woche wurden dann in Lice zehn Guerillakämpfer getötet und jetzt drei Frauen in Paris. Noch bevor eine Stellungnahme der französischen Behörden vorlag, reagierten sowohl der stellvertretende AKP Vorsitzende Hüseyin Çelik, als auch die parteinahe Tageszeitung Yeni Şafak, mit der Unterstellung, die Morde seien eine „innere Abrechnung in der PKK“ gewesen.

Es ist offensichtlich, dass der türkische Staat dieses Massaker instrumentalisieren möchte, um die kurdische Freiheitsbewegung zu spalten und ein Klima des Misstrauens zu schaffen.

Aufruf zur Demo | Erklärung der IL | Wer waren die Aktivistinnen


Wer waren die ermordeten kurdischen Aktivistinnen?

Die 1958 in Tunceli (Dersim) geborene Sakine Cansiz gehört zu den Gründungsmitgliedern der 1978 gegründeten PKK (Arbeiterpartei Kurdistan). Von den noch wenigen lebenden Gründungskadern der PKK handelt es sich bei Cansiz um die einzige Frau. 1979, ein Jahr vor dem Militärputsch des 12.September 1980 wurde Cansiz inhaftiert. In ihrer 12jährigen Haftzeit wurde sie Opfer von schwerster Folter, in der sie durch ihren geleisteten Widerstand zu einer Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampfs aufgestiegen ist. Als erste Frau der PKK leistete sie vor dem Putschgericht in Diyarbakir eine politische Verteidigung. Nach ihrer Entlassung 1991 führte sie ihren Kampf in verschieden Orten im Mittleren Osten weiter. 1998 erhielt Cansiz politisches Asyl in Frankreich. Seitdem war Cansiz in mehreren Ländern

Europas politisch für die kurdische Frage und die Geschlechterfrage engagiert. Darunter auch in Deutschland, wo sie 2007 in Hamburg
kurzzeitig in Haft saß. Sie war Mitglied des Kurdischen Nationalkongress (KNK) mit Sitz in Brüssel. Sakine Cansiz gilt unter
der kurdischen Bevölkerung in Kurdistan und der Diaspora als die Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampfes.

Fidan Dogan, geboren 1982 und aufgewachsen in der Stadt Elbistan, Türkei, kam als Flüchtlingskind nach Frankreich. Dort war sie seit dem
Jahr 2001 in mehreren Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit aktiv. Seit einigen Jahren fungierte Dogan ebenfalls als Vertreterin des Kurdistan Nationalkongress (KNK) in Frankreich. Sie galt als eine junge und trotzdem über große Erfahrung verfügende Diplomatin. Auch außerhalb
von Frankreich war sie als Diplomatin des KNK aktiv.

Leyla Şaylemez ist Tochter einer yezidischen Einwandererfamilie. Die aus Diyarbakir (Amed) stammende Söylemez verbrachte ihre Kindheit in der türkischen Küstenstadt Mersin, wohin ihre Familie aufgrund von religiöser Verfolgung fliehen musste. In den 90ern ist ihre Familie nach Deutschland ausgewandert und lebte die meiste Zeit über in Halle. Geprägt von ihrer Vergangenheit und dem aktuellen Geschehen in ihrer Heimat brach Söylemez ihr Architekturstudium ab und widmete sich von da an voll und ganz der politischen Tätigkeit. Jahrelang war Şaylemez als Jugendaktivistin in Europa aktiv.

Quelle: civakaazad.com


Aufruf des Ksk "Kurdistan solidaritätskomitees"

„Euch zum Trotz werden wir Kurdistan befreien!“

Am 09.01.2013 wurden die drei Revolutionärin-nen der kurdischen Freiheitsbewegung, Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und LeylaŞaylemez (Ronahî), in den Räumen des kurdischen Informationszentrums in Paris ermordet. Sakine war Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der kurdischen Frauenbewegung. Fidan war Vertreterin des kurdischen Nationalkongresses (KNK) und Leyla Aktivistin der kurdischen Jugendbewegung. Alle drei waren wichtige Persönlichkeiten, die ihr ganzes Leben dem kurdischen Befreiungskampf widmeten.

Wir verurteilen die Morde an den drei Aktivistinnen auf das Schärfste!

Die Morde an den drei Genossinnen liegen zeitlich in einer kritischen Phase. Zu Beginn des neuen Jahres wurden erneut Gespräche zwischen dem türkischen Staat und dem seit 1999 inhaftierten Vorsitzenden der PKK Abdullah Öcalan aufgenommen. Diese erneute Mög lichkeit für eine friedliche Lösung des Konfliktes wur de vor allem von der kurdischen Seite voller Hoffnung begrüßt. In dieser Phase einer möglichen Annäherung wurden die drei bedeutenden Freiheitskämpferinnen kaltblütig hingerichtet. Gleichzeitig führt der türkische Staat in der Praxis ihre massive Repressionspolitik ge gen die kurdische Bewegung der letzten Jahre weiter fort. Die Massenverhaftungen halten an und militäri sche Operationen in Nordkurdistan, sowie Luftangriffe auf die Kandilberge in Südkurdistan/Nordirak werden weiterhin durchgeführt. Allein in den ersten 16 Tagen dieses Jahres wurden 116 Menschen festgenommen und 57 inhaftiert. Bei den militärischen Operationen in Nordkurdistan/Türkei und bei Bombardierungen der Kandilberge verloren in dieser Zeit mindestens 32 Gue rillakämpfer_Innen ihr Leben. Und auch die Rhetorik der türkischen AKP-Regierung ist voller Widersprüche. Auf der einen Seite gibt sie sich gesprächsbereit, auf der anderen Seite tut der türkische Ministerpräsident Erdoğan seinen Willen kund das „unangepasste“ kurdi sche Volk auszuschalten.

Wir fordern eine friedliche Lösung für Kurdis tan und den Nahen Osten sowie die Aufnahme der Friedensverhandlungen sowie ein Ende der Re pressionen gegen kurdische Genoss_Innen auch in Europa!

Verständlicherweise erklärt die kurdische Freiheitsbewegung nun, dass die Voraussetzung für eine Aufnahme von erfolgreichen Friedensgesprächen, die Aufklärung der Morde in Paris sei. Das bedeutet, die wirklichen Verantwortlichen ausfindig zu machen. Es ist offensichtlich, dass es sich bei dem Attentat um eine geplante, politische Aktion gehandelt hat. Kurze Zeit nach Bekanntwerden der Morde, noch bevor von der französischen Polizei oder einer anderen französischen Stelle eine Stellungnahme veröffentlicht worden ist, erklärte ein Sprecher der türkischen AKP-Regierung jegliche Belege, dass es sich bei der Tat wohl um eine innerparteiliche Abrechnung der PKK handele. Uns stellt sich jedoch die Frage, weshalb die türkische Regierung es so eilig hatte, solch eine absurde Erklärung für den Mord zu erfinden? Auch die Behauptung des stellvertretenden Vorsitzenden der türkischen Regierungspartei AKP, Mehmet Ali Sahin, in den kommenden Tagen

könne es zu ähnlichen Vorfällen auch in Deutschland kommen, wirft bei kurdischen Aktivist_Innen hierzulande die Frage auf, ob diese Aussagen als Drohung aufzufassen sind? Beide Aussagen aus den Regierungskreisen, werfen unweigerlich den Verdacht einer Verstrickung der türkischen Regierung bei dem Mord von Paris auf. Fest steht, dass diese Morde die Handschrift der Kriegsprofiteure tragen, die an einem Frieden in Kurdistan und einem Beispiel für die friedliche Lösung von Konflikten im Nahen und Mittleren Osten kein Interesse haben. Ihr Interesse ist das Geschäft mit dem Krieg, für dessen Erhalt sie alles tun werden.

Wir fordern die lückenlose Aufklärung der Morde an Sakine Cansiz, Finan Dogan und Leyla Saylemez!

Die kurdische Bevölkerung in Kurdistan, in Europa und überall auf der Welt lässt sich nicht einschüchtern. Millionen Kurd_Innen und Genoss_Innen gingen in den vergangenen Tagen auf der ganzen Welt auf die Straße. Die jüngere Schwester der 25-jährigen Leyla erklärte in ihrer bewegenden Rede auf der Großde monstration am 12. Januar in Paris an der etwa 100.000 Menschen teilnahmen: „Euch zum Trotz werden wir Kurdistan befreien!“ Solidarität mit der kurdi schen Freiheitsbewegung!

Mit Trauer im Herzen, aber tiefer Entschlossenheit zur Fortführung unseres Widerstandes, leben Sakine, Fidan und Leyla und alle anderen gefallenen Genoss_Innen in unserem weltweiten Kampf weiter.

ŞEHİD NAMIRIN - Die Gefallenen sind unsterblich

Wir fordern: Die lückenlose Aufklärung der Morde an Sa kine Cansiz, Finan Dogan und Leyla Saylemez!

Eine friedliche Lösung für Kurdistan Krieg, Lügen und Unrecht!

Organisiert vom KSK- Kurdistan solidaritätskomitee

Unterstützt wird der Aufruf von:

Yxk – Verband der Studierenden aus Kurdistan, Tatort Kurdistan, Grüne Jugend Göttingen, A.L.I. - antifaschistische Linke international, Rote Hilfe OG Göttingen, Sdaj Göttingen, Civar Akad Stadtrat Göttingen, Stadtrat Fraktion die Linke


Erklärung der Interventionistischen Linken (iL) zu den Morden

Mit Trauer, Wut und Bestürzung haben wir von den Morden an den 3 kurdischen Aktivistinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 09.Januar 2013 in Paris erfahren.

Wie auch die kurdischen Genoss_innen fordern wir die umgehende, lückenlose Aufklärung des Verbrechens.

Besondere Bedeutung bekommt die Tat, weil es ein Angriff auf die revolutionäre, kurdische Frauenbewegung darstellt, in der die 3 Frauen aktiv waren. Für den Prozess zum Frieden und zur Lösung der kurdischen Frage ist es ein schwerer Schlag, für die Demokratisierung der Gesellschaft und die Befreiung der Geschlechter ein noch größerer.

Wir verurteilen die fortgesetzte Praxis extralegaler Hinrichtungen von als "Terrorist_innen" bezeichneten Menschen, nun auch mitten in Europa. Dies und die undifferenzierte Berichterstattung über dieses Thema zeigen die Grenzen des Modells "westliche Demokratie" auf, welches gerade auch in die Nahost-Region und nach Kurdistan exportiert werden soll.

Nötig sind jedoch keine Patriot-Einheiten und andere Exportprodukte aus Europa, sondern eine Friedenslösung für die Region, die auf der Autonomie der Bevölkerung basiert. Genau hier waren die drei Frauen aktiv.
Trotz der Morde, trotz Waffenlieferungen, trotz Geheimdienstoperationen: Kurdistan wird frei sein. Keine Frage.
Hasta siempre compañeras!

In Solidarität,
Interventionistische Linke, Düsseldorf, 21.01.2013