Ausstellung und Begleitprogramm
Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg
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Vom 2. April bis 8. Mai 2011 wurde die Ausstellung "Die Dritte Welt im  Zweiten Weltkrieg" in der Alten Mensa in Göttingen gezeigt. 1300  Menschen besuchten in den fünf Wochen die Ausstellung, darunter sieben  Schulklassen verschiedener Göttinger Gymnasien trotz zwei Wochen Osterferien während der Ausstellungszeit. Mit diesen hohen BesucherInnenzahlen gehört Göttingen mit Berlin, Köln und Luzern zu den erfolgreichsten Ausstellungsorten. Nicht nur die Zahlen, sondern auch das Feedback war durchweg positiv bzw. überwältigend - bis zu "Das war die beste Ausstellung, die ich je gesehen habe!"Die Ausstellung sowie das gleichnamige Buch thematisieren die Rolle der Menschen in Asien, Afrika, Ozeanien und Südamerika während des Zweiten Weltkriegs, wie zum Beispiel deren Beiträge zur Befreiung vom Faschismus. Obwohl jede dieser Weltregionen involviert war, wird deren Rolle weder im wissenschaftlichen noch im allgemeinen Geschichtsbild wahrgenommen und gewürdigt. Dem zugrunde liegt ein vorherrschendes Welt- und Geschichtsbild, in dem sich Europa und Nordamerika selber zum Zentrum des Geschehens erklären und ihren ehemaligen Kolonien einen drittklassigen Platz zuweisen.
Die Ausstellung basiert auf zehnjährigen Forschungen und Reisen des Rheinischen JournalistInnenbüros und bietet nun umfangreiches Ton- und Bildmaterial, das die Menschen aus den entsprechenden Regionen selber zu Wort kommen lässt. Seit 2009 tourt die Ausstellung durch den deutschsprachigen Raum, wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, dieses wichtige Kapitel der Geschichte auch in Göttingen präsentiert zu haben.
Fortdauernde Diskussionen
Faschismusbegriff und Geschichtspolitik in Japan
In der Ausgabe Nr. 92 des Antifaschistischen Infoblatt AIB ist ein Artikel der A.L.I. zu "Faschismusbegriff und Geschichtspolitik in Japan" erschienen. Unseren Artikel "fashizumu" könnt ihr hier als pdf runter laden (635 kb) | (bessere Qualität 3,9 MB). In dem Artikel heißt es einleitend:"Neben Deutschland und Italien war Japan bedeutender Akteur des Zweiten Weltkriegs. Während der Pazifikkrieg oder Pearl Harbour bekannte Begriffe in der deutschen Geschichtsschreibung sind, so sind die Ideologie, die Japan verfolgte und das Ausmaß der japanischen Gräueltaten wenig bekannt und hierzulande nur schwer zu recherchieren. Im Rahmen der Ausstellung Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg vom 2. April bis 8. Mai 2011 in Göttingen hat sich die Antifaschistische Linke International A.L.I. mit dem Begriff des historischen japanischen Faschismus und geschichtspolitischen Diskussionen in der Gegenwart auseinandergesetzt."
Am 14. Dezember 2011 fand in Seoul / Südkorea die 1000ste Kundgebung von ehemaligen "Trostfrauen" und ihren UnterstützerInnen statt. Die Frauen fordern Entschädigung und Würde vom japanischen Staat, nachdem das japanische Militär im Zweiten Weltkrieg systematische sexuelle Versklavung von Frauen in Asien betrieben hatte.  Weltweit fanden Solidaritäts-Kundgebungen und Veranstaltungen anlässlich dieses Datums statt.
Beim Korea Verband Berlin findet ihr weitere Informationen.
Am 8. April 2011 fand in Göttingen die Veranstaltung "Das Schweigen durchbrechen - Die sexuelle Versklavung durch das japanische Militär im Zweiten Weltkrieg" statt.
"Ignoranz gegenüber den BewrInnen"
Die Zeitschrift iz3w sprach mit Karl Rössel über die Ignoranz der Medien über die Folgen der Reaktorkatastrophe von Fukushima für die BewrInnen der Pazifikregion. Das Interview könnt ihr hier als pdf downloaden. Bereits in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg am 2.4.2011 in Göttingen kritisierte der Autor und Ausstellungsmacher diesen "atomaren Kolonialismus".
Begleitprogramm zur Ausstellung
In Göttingen setzten verschiedene Institutionen, Gruppen und Initiativen aus Göttingen in einem kulturellen und politischen Begleitprogramm eigene Schwerpunkte, um einzelne Themen genauer zu betrachten und in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
Ausstellung in Uni und Schulen
Aus der großen Ausstellungsversion konnten weitere Kontakte und Möglichkeiten entwickelt werden. So zeigte der Göttinger AStA dieselbe Ausstellung in einer kleinen A2-Version vom 2. bis 13. Mai 2011 in den beiden größten Göttinger Mensen - der Nord- und der Z-Mensa. Auch an der Berufsbildenden Schule III war die kleine Ausstellung zu sehen. Mehr Infos und Bilder findet Ihr hier.
Eröffnungsveranstaltung
Am Samstag, den 2. April 2011 wurde die Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg" in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz mit Karl Rössel (Ausstellungsmacher) eröffnet. 100 Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Spektren hörten sich bei einem Glas Sekt oder Orangensaft den Eröffnungsvortrag an. Zuerst sprach eine Vertreterin der Göttinger OrganisatorInnen über die Intentionen die Ausstellung in die Stadt zu holen.
Sie erläuterte das Anliegen, dem vorherrschenden Welt- und Geschichtsbild mit den Themen der Ausstellung eine komplexe, internationalistische Perspektive entgegenzustellen. Zum anderen ist den Göttinger Initiativen daran gelegen, mit der Ausstellung auch auf die Gegenwart zu verweisen. Denn die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieg und Faschismus' sind auf der ganzen Welt allgegenwärtig: während die ZwangsarbeiterInnen von der rot-grünen Bundesregierung vor einigen Jahren mit einem Almosen abgespeist wurde, warten ehemals sexuell versklavte Frauen in Korea und Japan auf Entschuldigungen und Entschädigungen der japanischen Täter. Dafür demonstrieren sie seit den 1990er Jahren jede Woche in Seoul/Korea.
Nach dieser Einführung der Göttinger OrganisatorInnen sprach Karl Rössel 45 Minuten über die Entstehungsgeschichte und die Inhalte der Ausstellung. Seine Eröffnungsrede könnt Ihr hier nachlesen. Seit den 1980er Jahren beschäftigt er sich mit seinem Kollektiv Rheinisches JournalistInnenbüro mit der Dritten Welt im Zweiten Weltkrieg. In ihrem Buch "Hoch die internationale Solidarität" aus den 1980er Jahren wollten sie einige Zahlen von Opfern aus Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika nennen. Als sie in Kölner Archiven keine einzige Zahl finden konnten, entschlossen sie sich zu den internationalen Recherchen in den verschiedenen Kontinenten. Denn dort sind Kriegserlebnisse sehr präsent - ob in den verschiedenen "Veteranenclubs", Museen oder Schriften.
Karl erklärte nicht nur die verschiedenen Ereignisse, die in Asien, Afrika, Ozeanien und Lateinamerika während des Zweiten Weltkriegs - der in Afrika bereits 1935 und in Asien 1937 begann und erst im August 1945 durch die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki endete - passierten. Er erklärte auch, warum er es nach 20 Jahren Diskussion um den Begriff "Dritte Welt" diesen nach wie vor favorisiert: er nutzt ihn trotz aller Kritiken im Sinne Frantz Fanons als politischen Kampfbegriff.
Einen aktuellen Bezug stellte Karl in Bezug auf Ozeanien her: Die aktuellen Nachrichten zur Reaktorkatastrophe in Fukushima/Japan werden stets damit kommentiert, dass die radioaktiv verstrahlte Wolke "glücklicherweise" auf den Pazifik ziehe. Dass Millionen von Menschen auf kleinen und größeren Inseln den Pazifik bevölkern, kommt in dieser Denkweise nicht vor. Die Menschen aus Ozeanien werden bis heute aus dem eigenen Weltbild ausgeblendet. Zumal Ozeanien die Region der Erde mit der größten atomaren Verseuchung durch 300 Atomwaffentests seit 1945 bis heute ist.
Nach dem Vortrag schauten sich noch viele BesucherInnen bis 22 Uhr die Ausstellung an und hörten den ZeitzeugInnen an den 10 Hörstationen zu.
Führung mit Karl Rössel
Am Sonntag, den 3. April 2011 führte Karl Rössel 70 BesucherInnen durch die Ausstellung. Im Prolog erklärte er die weltpolitische Situation zu Anfang des Zweiten Weltkriegs, in dem die Niederlande, Großbritannien und Frankreich den Großteil der Erde kolonial unterworfen hatten. Das war der wichtigste Ausgangspunkt für die Einbeziehung Asiens, Afrikas, Ozeaniens und Lateinamerikas in den Zweiten Weltkrieg.
Nach allgemeinen Einführungen im Prolog erklärte Karl anhand des Ausstellungsteils zu Ozeaniens die genauen Dimensionen, die der Zweite Weltkrieg in den verschiedenen Kontinenten angerichtet hat. Nach der zweistündigen Führung schauten sich noch viele BesucherInnen weitere Teile der Ausstellung an.
Der zweite Ausstellungstag war mit dieser enormen BesucherInnenanzahl ebenfalls ein voller Erfolg. An den ersten beiden Tagen besuchten insgesamt 200 Menschen die Ausstellung.
"Die
"Das Schweigen durchbrechen - Die sexuelle Versklavung durch das japanische Militär"
Am Freitag, den 8. April 2011 fand die Veranstaltung "Das Schweigen durchbrechen - Die sexuelle Versklavung durch das japanische Militär im Zweiten Weltkrieg" statt. Die Veranstaltung handelte von den 200.000 Mädchen und Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs systematisch durch das japanische Militär verschleppt und vergewaltigt wurden. Ein Teil dieser Frauen kämpft bis heute um Würde und Entschädigung - denn die japanische Regierung leugnet dieses patriarchalische Kriegsverbrechen bis heute. Natalay Jung-Hwa Han vom Korea-Verband (Berlin) und Tsukasa Yajima (Fotograf aus Berlin/Japan) waren als ReferentInnen zu Gast. 40 Menschen aus verschiedensten Spektren und gesellschaftlichen Positionierungen besuchten die Veranstaltung.Die Veranstaltung wurde von den OrganisatorInnen der Ausstellung und der Veranstaltung eingeleitet. Die entsprechende Vertreterin erläuterte, dass der feministische Schwerpunkt bewusst gewählt wurde. Vergewaltigung als Kriegsstrategie ist kein ausschließlich japanisches Phänomen, sondern wurde im deutschen Faschismus genauso betrieben. In den ehemaligen Konzentrationslagern wurden die sogenannten "Sonderbauten" eingeführt, in denen Frauen vergewaltigt wurden. Sie waren Teil eines "Belohnungssystems" für die KZ-Häftlinge. Bis heute wird in imperialistischen Kriegen Vergewaltigung als systematische Kriegsstrategie genutzt. Am Beispiel des Kosovo wurde dies deutlich, wie die Vertreterin erklärte.
 
Nach der Einführung folgte der einstündige Dokumentarfilm "63 Years On...", in dem betroffene Frauen aus Ost- und Südostasien selbst zu Wort kommen. Auf ergreifende Weise erzählen betroffene Frauen und teilweise ihre Nachkommen von ihren Erlebnissen. Auf eine komplexe Art stellt der Film dar, wie das japanische Militär das System der Vergewaltigungen entwickelte, welchen Strategien dies folgte und wie die japanische Regierung bis heute damit umgeht: Das Thema wird bis heute verschwiegen oder gar dementiert.
Nataly Jung-Hwa Han folgte mit der Präsentation "Von der Ohnmacht zur Ohrmacht" zu den sogenannten "Trostfrauen". Neben historischen Fakten berichtete sie vor allem über die politische Bewegung, die sich vor 20 Jahren entwickelt hat. Anfang der 1990er Jahre brach Kim Hak-Soon als erste Frau das Schweigen und klagte die japanische Regierung öffentlich an. Mehrere hundert Frauen folgten ihr prompt. Seitdem kämpfen sie als Bewegung für eine Entschuldigung und Entschädigung seitens der japanischen Regierung. Jeden Mittwoch demonstrieren sie in Seoul/Südkorea vor der japanischen Botschaft - am 14.12.2011 wird die tausendste Demonstration stattfinden.
Nach einer Diskussion wurde der Abend mit der Foto- und Klanginstallation "Von Angesicht zu Angesicht" des Menschenrechtsaktivisten und Fotografen Tsukasa Yajima geschlossen. Er wohnte von 2003 bis 2006 im "Haus des Teilens" in Seoul/Südkorea, in dem ehemalige sexuell versklavte Frauen heute gemeinsam leben. Er portraitierte diese Frauen in schwarz-weiß Fotografien und nahm gemeinsam mit einem Kollegen ihre Gesänge über die Zeit des Zweiten Weltkriegs auf.
 
 
 
"Die Verdammten dieser Erde im Zweiten Weltkrieg"
Am 7. Mai 2011 fand die Abschlussveranstaltung - "Die Verdammten dieser Erde im Zweiten Weltkrieg" mit Alice Cherki - der Ausstellung statt. Mit 140 Menschen war dies die am besten besuchte Veranstaltung.
Als Einleitung reflektierte eine Vertreterin der AusstellungorganisatorInnen über die fünf Wochen, in denen die Ausstellung in der Alten Mensa in Göttingen gezeigt wurde. Besonders geschätzt wurde der Kontakt zu Menschen, mit denen der politische und soziale Kontakt sonst nicht alltäglich ist. So besuchten z.B. auch mehrere ältere Frauen um die siebzig Jahre alt die Ausstellung und redeten mit den Aufsichtspersonen über ihre eigenen Kriegserlebnisse. Durch die verschiedenen Schulklassen konnte mit SchülerInnen ebenso ein weiteres Zielpublikum für die eigenen Inhalte und Publikationen gefunden werden.
Es folgte der Vortrag von Alice Cherki. Sie ist als jüdisches Kind in Algier/Algerien aufgewachsen und musste unter dem Vichy-kontrollierten Land antisemitische Gesetze selbst miterleben. Später arbeitete sie als Psychiaterin in Algerien und lernte dabei Frantz Fanon, den späteren internationalen Sprecher der algerischen Befreiungsbewegung, kennen. Gemeinsam revolutionierten sie erst das psychiatrische System Algeriens, um sich dann gemeinsam mehr und mehr dem antikolonialen Befreiungskampf zu widmen. Alice Cherki kämpfte in der Front de Libération Nationale (FLN) im algerischen und tunesischen Untergrund.
 
In ihrem Vortrag sprach Alice Cherki über die Bedeutung des Zweiten Weltkriegs für die antikolonalen Befreiungskämpfe am Beispiel Algeriens. Sie legte ihren Fokus auf die Erfahrungen Frantz Fanons aus dem Zweiten Weltkrieg für seine antikoloniale Theoriebildung, die er in "Schwarze Haut, weiße Masken" und "Die Verdammten dieser Erde" niederschrieb. Wichtige Erfahrung war für ihn der Rassismus in der Armee des "Freien Frankreichs", der er sich freiwillig von Martinique aus anschloss, um gegen den Faschismus zu kämpfen. Obwohl alle Soldaten dasselbe Ziel hatten, wurden sogenannte "Coloureds" und "Schwarze" nicht nur von ihren "weißen" Kameraden, sondern auch von institutionalisierter militärischer Ebene diskriminiert. So erhielten sie weniger Sold und schlechteres Essen. Als der Faschismus in Europa besiegt war, durften die Soldaten aus den damaligen Kolonien nicht an den offiziellen Feiern teilnehmen. Nach Ende des Krieges lösten die damaligen sogenannten "Mutterländer" der Kolonien nicht nur ihre Versprechen bezüglich weiterem Sold oder Kriegsrente nicht ein, sondern verwehrten ihnen auch ihre nationalen Unabhängigkeiten. Diese Erfahrungen waren ausschlaggebend für die antikolonialen Befreiungskämpfe der 1950er Jahre, wie auch in Algerien.
 
 
 
Nach dem Vortrag wurde eine sehr vielfältige und umfangreiche Diskussion geführt. Es wurden die psychiatrischen Punkte in Cherkis und Fanons Biographie vertieft, aber auch über die aktuellen Revolten in Nordafrika diskutiert. Der Bogen wurde am Ende wieder geschlossen, als über ein Lernen aus Fanons Theorien für die heutigen Kämpfe in Nordafrika gesprochen wurde.
Im Anschluss wurde in den 8. Mai, den 66. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus, gefeiert. Im Foyer über der Alten Mensa gab es Cocktails und Musik.Denn auch wenn den OrganisatorInnen der Ausstellung besonders an einer internationalistischen Perspektive auf die Geschehnisse in der Welt gelegen ist, und obwohl am 8. Mai 1945 in Sétif/Algerien die Franzosen ein Massaker an der algerischen Zivilbevölkerung angerichtet haben, so bleibt der 8. Mai von einem antifaschistischen Standpunkt aus in Deutschland ein Tag der Freude über den Sieg des Faschismus. Am nächsten Tag, den 8. Mai 2011 war dann der letzte reguläre Ausstellungstag in Göttingen - vom Datum her von den OrganisatorInnen sicher nicht ganz zufällig gewählt.
Kleine Ausstellung
Gemeinsam mit dem Göttinger AStA wurde organisiert, dass die Ausstellung in einer kleinen A2-Version vom 2. bis 6. Mai in der Nordmensa und vom 9. bis 13. Mai im Eingangsfoyer Zentralmensa gezeigt wird. Hier könnt Ihr die Presseerklärung des AStA nachlesen.
 
 
Medienberichte
Am Mittwoch, den 30. März 2011 sendete das Stadtradio Göttingen in ihrer Sendung "Eine Stunde Ein Thema" zwischen 10.00 und 11.00 Uhr einen ausführlichen Bericht zur Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg". Im Gespräch mit dem Stadtradio-Redakteuer waren Karl Rössel (Rheinisches JournalistInnenbüro Köln), Regina Begander und Roland Drubig (Institut für angewandte Kulturforschung IfaK und Entwicklungspolitisches Informationszentrum EPIZ aus Göttingen).
Die Sendung könnt Ihr hier als Audio-Dateien runter laden und Euch noch einmal anhören. Vielen Dank an das Stadtradio Göttingen!
Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4
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Göttinger Tageblatt, 8. April 2011
"Das Schweigen durchbrechen"
Eine  Veranstaltung mit dem Titel "Das Schweigen durchbrechen": Die sexuelle  Versklavung von Frauen durch das japanische Militär im Zweiten  Weltkrieg" wird am Freitag, 8. April, angeboten. Um 18 Uhr wird in der  Alten Mensa am Wilhelmsplatz der Dokumentarfilm "63 Years on..."  gezeigt. Er berichtet, wie mehr als 200.000 Frauen während des Zweiten  Weltkriegs aus Japan und Korea verschleppt und zu sexuellen Diensten  gezwungen wurden. 
Im Anschluss hält die Menschenrechtsaktivistin  Nataly Jung-Hwa Han einen Vortrag darüber, wie die ehemaligen Ianfu  (japanisch für "Trostfrauen") es schafften, ihre Scham zu überwinden und  politisch aktiv zu werden. Doch bis heute hat die japanische Regierung  sich weder offiziell entschuldigt, noch den überlebenden Frauen eine  Entschädigung gezahlt. Zum Abschluss zeigt der Menschenrechtsaktivist  und Fotograf Tsukasa Yajima eine Foto- und Klangpräsentation. Die  Veranstaltung ist Teil der Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten  Weltkrieg".
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Junge Welt, 7. April 2011
Aus anderem Blickwinkel
Die Ausstellung »Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg« ist in Göttingen zu sehen
In  Berlin gibt es keine Straße, die nach dem bedeutenden  kolonialismuskritischen Intellektuellen Frantz Fanon benannt ist. Auch  einen Platz, der den Namen des antiimperialistischen Schriftstellers  Aimé Cesairé trägt, sucht man vergeblich. Die Konrad-Adenauer-Straße und  -Platz findet man dagegen sehr rasch. Adenauer, der Architekt von  Wiederbewaffnung und Renazifizierung der Bundesrepublik, war von 1931  bis 1933 Vizedirektor der Deutschen Kolonialgesellschaft. In Sorge ob  der Platznot seines Volkes empfahl er, daß das »Deutsche Reich (…)  unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben« müsse. Aber kennen Sie eine  Initiative, die deshalb die Adenauer-Straße oder den Adenauer-Platz  umbenennen möchte? Die Geschichte der ehemaligen Kolonien, des Trikonts  und Ozeaniens, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung, in  Schulunterricht und Forschung der Länder der »Ersten Welt« nicht die  Rolle, die ihr eigentlich zukäme.
Um so wichtiger sind  Initiativen wie die vom Entwicklungspolitischen Informationszentrum  (EPIZ), dem Institut für angewandte Kulturforschung (IfaK) und dem  Verein für antifaschistische Kultur e.V. veranstaltete Ausstellung »Die  Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg«. Diese Wanderausstellung wurde Ende  2009 erstmals in Berlin gezeigt (siehe jW vom 4.9.2009) und ist derzeit  in der Alten Mensa in Göttingen zu besichtigen. Basierend auf  umfangreichen Forschungen des Rheinischen JournalistInnenbüros wird dort  ein anderer Blick auf Krieg und Widerstand vermittelt als in der  Herrschaftsgeschichtsschreibung der imperialistischen Staaten. Von den  Zwangsrekrutierungen afrikanischer Soldaten über den Vernichtungskrieg  der japanischen Faschisten gegen China bis zur Rolle der Afroamerikaner  in der US-Armee erschließt die Ausstellung Schritt für Schritt dunkle  Stellen auf der historischen und politischen Landkarte der Geschichte  des Zweiten Weltkriegs.
 
Menschen zweiter Klasse
 Zu Wort kommen dabei Forscher und Zeitzeugen aus den jeweiligen Ländern  selbst: Etwa Te Mikael Kidanemariam, der sich im Alter von zehn Jahren  dem Partisanenkampf gegen die italienischen Besatzer in Äthiopien  anschloß; Yoro Ba, der 1940 im Senegal von Kolonialbeamten des  Vichy-Regimes zwangsrekrutiert wurde; Samuel Masila Mwanthi, der als  Fahrer in der britischen Armee 1943/44 gegen die Japaner gekämpft hat.  Ihre Erfahrungen, so unterschiedlich sie sind, lassen sich auf einen  gemeinsamen Nenner bringen: die Behandlung als Menschen zweiter Klasse.  In den Kolonialarmeen galten sie als Kanonenfutter, erhielten geringeren  Sold als ihre weißen »Kollegen«, waren oft gezwungen, für Ziele zu  kämpfen, die mit ihren eignen Interessen nichts zu tun hatten, und  wurden, nachdem man sie nicht mehr brauchte, schleunigst wieder  vergessen. »Man gab uns ein farbloses Hemd, ein Khakihemd  Knöpfe,  eine Decke, ein Paar Stiefel und Socken. (…) Wir waren als Exsoldaten  daran zu erkennen, daß wir gerade mal zehn Cent für einen Tee hatten«,  berichtet Samuel Masila Mwanthi über seine Entlassung aus der britischen  Armee.
Einen Schwerpunkt der Ausstellung und des  Begleitprogramms bildet die Geschichte Hunderttausender Frauen, die von  der japanischen Armee zur Prostitution gezwungen wurden. Hwang Kum-Ju  ist eine der etwa 100000 Koreanerinnen, die man in Militärbordelle  verschleppte, quälte und vergewaltigte. Wurden sie schwanger, bekamen  sie Spritzen, die zu Unterleibsblutungen führten, und japanische Ärzte  schabten ihnen in den Lagerkliniken die Gebärmutter aus. Viele von ihnen  haben diese Tortur nicht überlebt. Lange Zeit nach dem Krieg war die  sexuelle Versklavung der sogenannten Trostfrauen in Japan und in den  betroffenen Ländern Asiens ein Tabu. Erst in den 1990er Jahren brachen  mutige Frauen das Schweigen und setzten sich für Entschädigung und ein  Schuldbekenntnis Tokios ein.
 
Guerilla
Eine große Stärke der Ausstellung (und des  dazugehörigen Buches »›Unsere Opfer zählen nicht‹. Die Dritte Welt im  Zweiten Weltkrieg«, Berlin/Hamburg 2005) ist, daß sie die Menschen in  den Ländern des Trikonts nicht allein als Opfer begreift, sondern sie  als geschichtlich-handelnde, Widerstand leistende Subjekte ernst nimmt.  So etwa die Mitglieder der Hukbalahap (»Antijapanische  Volksbefreiungsarmee«) auf den Philippinen, der mit 30000 Kämpfern und  70000 Reservisten schlagkräftigsten Guerilla des Landes. Unter großen  Opfern kämpften sie gegen die Streitkräfte des Tenno. Die  Landbevölkerung unterstützte sie, weil sie dort, wo sie konnten, eine  Landreform durchsetzten. Als die US-Armee 1944, zweieinhalb Jahre nach  ihrem Abzug, auf die Philippinen zurückkehrte, waren weite Teile des  Landes bereits befreit. Luis Taruc, Kommandant der Volksbefreiungsarmee,  berichtet: »Die US-amerikanischen Soldaten, die in unsere Provinz  Pangasinán einrückten, saßen in ihren Jeeps, musizierten auf der Ukulele  und verteilten Schokoladeriegel und Zigaretten an die Bevölkerung. Sie  brauchten dort nicht mehr zu kämpfen, denn das hatten wir bereits für  sie erledigt.« Wer nun denkt, Washington hätte sich dafür erkenntlich  gezeigt, irrt. Remedios Gomez-Paraisa, Kommandantin der Hukbalahap,  erinnert sich, daß US-Truppen schon Anfang 1945 etwa 200 ihrer Genossen  ermordeten. Kolonialmacht blieb eben Kolonialmacht, und so gingen die  Kämpfer der Volksbefreiungsarmee abermals zurück in die Berge.
Wer  hat davon je im Schulunterricht gehört? Werden zur Erforschung dieser  verdrängten Aspekte der Geschichte des 20. Jahrhunderts auch nur  annähernd so viele Mittel aufgewandt wie zur Ausdehnung der  »Stasi-Überprüfung nunmehr bis auf den letzten Eskimo« (Wolfgang  Schwanitz)? »Wer die Macht hat, der hat das Sagen, auch in der modernen  Geschichtsschreibung. Deshalb zählen weder die Taten noch die Opfer der  unterdrückten und kolonialisierten Menschen«, faßt Kum’a Ndumbe III.,  Professor an der Universität Jaunde in Kamerun, den Stand der Dinge im  Vorwort des Begleitbuches zur Ausstellung zusammen.
Bis 8. Mai. Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm: www.3www2-goettingen.de
Göttinger Tageblatt, 2. April 2011
Massaker in Nanjing
Ausstellung zeigt Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg
Er heißt zwar Zweiter Weltkrieg, aber häufig wird in  Darstellungen vor allem das Geschehen in Europa und aus europäischer und  nordamerikanischer Sicht beschrieben. Eine konsequent andere Sicht hat  das Rheinische Journalistinnenbüro eingenommen – daraus entstanden das  Buch und die gleichnamige Wanderausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten  Weltkrieg“, die ab heute in Göttingen zu sehen ist.
Afrikanische  Soldaten in britischen oder französischen Diensten, das Schicksal  schwarzer Kriegsgefangener, Stützpunkte im Südpazifik, die Dienste  Einheimischer als Kundschafter: Solchen Themen sind die Journalisten  nachgegangen. Sie wollen damit auch zeigen, welche Rolle Staaten  außerhalb der westlichen Hemisphäre im Kriegsgeschehen hatten.
Bis  1945 hätten Millionen Soldaten aus der Dritten Welt einen wichtigen  Beitrag geleistet, „um die Welt vom europäischen Faschismus und  japanischen Großmachtwahn zu befreien“, wie es in einer Beschreibung der  Ausstellung heißt. Weite Teile der Dritten Welt – von der  lateinamerikanischen Küste über Nordafrika und den Nahen Osten bis nach  Indien, Südostasien und Ozeanien – hätten zudem als Schlachtfelder  gedient und seien nach Kriegsende verwüstet gewesen. Allein in China  habe der Krieg mehr Opfer als in Deutschland, Italien und Japan zusammen  gefordert.
Mit ihren Recherchen geben die Autoren den  Kriegsbeteiligten in der Dritten Welt ein Gesicht, so zum Beispiel Biuku  Gasa von den Salomonen. Dort nämlich strandete 1943 der spätere  US-Präsident John F. Kennedy mit seinen Leuten, nachdem ihr  Patrouillentorpedoboot von einem japanischen Zerstörer versenkt worden  war. Gasa zählte zu den einheimischen Scouts, die die Küsten  überwachten, um die Amerikaner mit Informationen über die Bewegungen der  japanischen Streitkräfte zu versorgen. Gasa und sein Freund Aaron  Kumana fanden den damaligen Kapitän Kennedy mit seinen Leuten und sorgte  dafür, dass das US-Militär die Landsleute retten konnte.
Auch  die Schrecken des Krieges jenseits der westlichen Hemisphäre schildern  die Autoren, so das von Japanern Ende 1937 an der chinesischen  Bevölkerung begangene Massaker in der heute mit Göttingen verbandelten  Stadt Nanjing. Mindestens 200 000 Menschen kostete das Massaker das  Leben, die Autoren des Buches zur Ausstellung gehen von 370 000 Toten  und 20 000 bis 80 000 Vergewaltigungen aus. 3000 Menschen seien lebendig  begraben worden.
Doch auch in der Dritten Welt – das  verschweigen Autoren und Ausstellungsmacher nicht – gab es  Kollaborateure der faschistischen Achsenmächte. Denjenigen, die gegen  die Faschisten kämpften, war nach Kriegsende oft ein bitteres Schicksal  beschert: Sie sollten wieder in den Status der Kolonialisierten  zurückkehren. Diese Erfahrung lieferte Unabhängigkeitsbestrebungen  weitere Nahrung.
Die Ausstellung wird am Sonnabend, 2. April, um  18 Uhr in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz eröffnet. Um 19 Uhr hält Karl  Rössel einen Vortrag. Am Sonntag, 3. April, findet um 14 Uhr eine  Führung mit Rössel statt. Die Schau ist bis Sonntag, 8. Mai, zu sehen,  dienstags 12.30 bis 20.30, donnerstags 12.30 bis 17, mittwochs sowie  freitags bis sonntags von 12.30 bis 17 Uhr. Führungen für Schulklassen  nach Anmeldung unter der Telefonnummer 0551/487141.
Programm zur Ausstellung
Zur Ausstellung „Die Dritte Welt  im Zweiten Weltkrieg“ gibt es ein Begleitprogramm mit Vorträgen und  Filmvorführungen. Gleich mehrere Veranstaltungen thematisieren das  Schicksal von Frauen, die in von Japan besetzten Gebieten in Asien und  der Pazifikregion in Militärbordelle verschleppt wurden. Einen Vortrag  zum Thema und eine Präsentation von Fotos von ehemaligen Sexsklavinnen  gibt es am Freitag, 8. April, um 18 Uhr in der Alten Mensa am  Wilhelmsplatz; das Lumière, Geismarlandstraße 19, zeigt am Dienstag, 26.  April, um 20 Uhr und am Mittwoch, 27. April, um 18 Uhr den  Dokumentarfilm „63 Years on...“ In weiteren Vorträgen geht es um  postkoloniale Geschichte und die Afrika-Politik der Nationalsozialisten.  Schau und Veranstaltungen werden unter anderem von  entwicklungspolitischen Initiativen organisiert.
Buch und Materialien
Ihre Rechercheergebnisse hat das  Rheinische Journalistinnenbüro zu dem Buch „Unsere Opfer zählen nicht.  Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ verarbeitet, das von Recherche  International herausgegeben wurde (geb., 444 Seiten mit rund 400 Fotos,  Verlag Assoziation A, 29,50 Euro). Das Buch enthält übergreifende  Abschnitte etwa zu den Themen „Veteranen aus vier Kontinenten“,  „Kolonialpläne der Nazis“ oder „Schwarze in der US-Armee“. Dazu kommen  ausführliche nach Schauplätzen gegliederte Kapitel, die das Geschehen in  Afrika, in Lateinamerika und der Karibik, im Nahen Osten, in Asien und  in Ozeanien schildern. Teilweise wird dabei auch auf die Situation nach  1945 eingegangen.
Darüber hinaus ist eine 224 Seiten starke  Veröffentlichung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ mit  „Unterrichtsmaterialien zu einem vergessenen Kapitel der Geschichte“  erschienen, die zwölf Euro kostet und ebenfalls reich bebildert ist. Auf  einer beiliegenden CD sind auch die Originaltöne von Zeitzeugen zu  hören.
Ignoranz der Medien über die Folgen der Reaktorkatastrophe von Fukushima
	
	















