Texte der Antifaschistischen Linken International A.L.I. zu Zusammenhängen zwischen Patriarchat und Rassismus"

Mit den vorliegenden Texten in der Broschüre "fight sexism and racism!" treten wir in Diskussion um feministische und antirassistische Strategien. Gerade als Antifagruppe sind uns diese Bezugspunkte wichtig im Kampf für ein Leben, in dem die Herrschaft des Menschen über den Menschen überwunden ist (...).

Hier findet Ihr die Broschüre als pdf-Datei. Ihr könnt die Broschüre beim Red Stuff Antifaversand bestellen.

Aus dem Inhalt

Einleitung | Geschichte des Rassismus | Ordnung, Ordnung, Ordnung bei den Geschlechtern! | ...das alles zeitgleich und immer zusammen | Von sexistischen Rassismen, rassistischen sexismen, sexistischen Antisemitismen... | Vom Mulitikultirassismus | Kriege und Kopftücher | Gespräch mit einer iranischen Genossin | Ende: Was gelernt? Praxis!

Die Inhalte der Broschüre wurden am 12. Juli 2008 bei der Veranstaltung "Rassismus und Patriarchat united?" im Jungen Theater vorgestellt. Weitere Infos zur Veranstaltung und zur Ausstellung sowie zur Party, die wir im Zuge der Broschüre-Vorstellung veranstaltet haben, findet Ihr hier.


Rassismus und Sexismus united?

In den letzten Jahren werden vermehrt gesellschaftliche Diskussionen geführt, in denen antiarabischer Rassismus geschürt und forciert wird. Bedeutende Beispiele sind die Mobilisierungen für den Afghanistankrieg 2001 und den Irakkrieg 2003 sowie die Debatte um ein Kopftuchverbot an Schulen 2003 und 2004. Diesen Debatten ist unter anderem gemein, dass hier rassistische und sexistische Strukturen an vielen Stellen untrennbar miteinander verbunden werden. Beispielsweise wurde der Afghanistankrieg moralisch legitimiert, indem mit einer Befreiung für die afghanischen Frauen argumentiert wurde. Die Entwicklung eines Gegensatzes zwischen dem "patriarchalischen, arabischen Mann", sowie der "unterdrückten, unmündigen arabischen Frau" und der "fortschrittlichen, aufgeklärten, westlichen Welt" werden in diesen Diskussionen für Machtinteressen instrumentalisiert.

Die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen Rassismus und Patriarchat in diesen Debatten haben uns zu den Fragen veranlasst, wie und an welchen Stellen Rassismus und Patriarchat zusammen wirken. Dafür haben wir uns auf die Suche nach historischen Entwicklungen gemacht: Worauf greift der gegenwärtige antiarabische Rassismus zurück und in welche gesellschaftlichen und historischen Zusammenhänge ist dieser eingebettet?

Mit dieser Broschüre bieten wir Ansätze, um rassistische und sexistische Verhältnisse zu erklären und zu bekämpfen. Wir beginnen die Broschüre mit historischen Herleitungen, um damit den Zugang zu aktuellen Debatten zu eröffnen. Denn diese finden vor einem bestimmten historischen Hintergrund statt, der gekennzeichnet ist von bürgerlichem Rassismus und bürgerlichem Patriarchat. Beides entwickelte sich im Zusammenhang mit Kapitalismus und Kolonialismus im 19. Jahrhundert. In jener Zeit bildeten sich sowohl Klischees, als auch entsprechende Herrschaftsmechanismen heraus, die unsere Gesellschaft bis heute prägen. Nach diesem historischen Teil beleuchten wir konkrete rassistische und sexistische Bilder. Wir nehmen dabei Bezug sowohl auf Bilder aus dem Kolonialismus, als auch auf heutige Stereotype und verweisen somit auf die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Rassismus und Patriarchat verändern sich jedoch auch und stellen sich heute anders dar als in ihrer Entstehungszeit. Deshalb folgt in der Broschüre ein Artikel zu kulturellem Rassismus, der die aktuellen Verhältnisse am treffendsten beschreibt. Gleichzeitig verweist dieser Artikel auf die jüngsten Debatten um "deutsche Leitkultur", das Kopftuchverbot, den Afghanistan- und den Irakkrieg. Im weiter folgenden vertiefen wir diesen Bereich und schließen damit den Bogen zwischen aktuellen Diskussionen und den historischen Bedingungen. Die Broschüre endet mit einem Interview, das wir mit einer iranischen Genossin zum Thema geführt haben. Es folgen Überlegungen zu einer linken Praxis, die die angerissenen Fragen berücksichtigt. Im Anhang befindet sich ein Glossar mit wichtigen Begriffen und Konzepten, die in den vergangenen und gegenwärtigen Debatten immer wieder auftauchen. Das Glossar soll der Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung Rechnung tragen und nachvollziehbar machen, mit welchem Verständnis wir diese Begriffe verwenden.

Viele andere wichtige Bereiche zu den Themen Rassismus und Patriarchat müssen wir leider außen vor lassen. Allerdings stellt unsere Broschüre "Kleine Reiseführerin durch den Geschlechterdschungel" historische Entwicklungen und Funktionsweisen des Patriarchats dar, sowie feministische Diskussionen und unsere diesbezügliche Positionierung. Auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Machtverhältnisse Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat mit ihren zugrunde liegenden Kategorien können in der vorliegenden Broschüre nur am Rande andiskutiert werden. In unserer Broschüre "Klassenbuch" stellen wir jedoch analytisches Handwerkszeug und Ansätze für eine Praxis gegen den Kapitalismus dar. In diesem Sinne ist die vorliegende Broschüre Ausdruck eines Diskussionsstandes, der an unsere vorhergehenden Überlegungen zu Patriarchat und Kapitalismus anknüpft.

Mit den vorliegenden Texten treten wir in Diskussion um feministische und antirassistische Strategien. Gerade als Antifagruppe sind uns diese Bezugspunkte wichtig im Kampf für ein Leben, in dem die Herrschaft des Menschen über den Menschen überwunden ist. Zudem möchten wir mit unserer Broschüre innerhalb des Antifaspektrums den Blick für einen umfassenden gesellschaftskritischen Ansatz schärfen. In diesem Sinne:

Gemeinsam kämpfen gegen Patriarchat, Rassismus und Kapitalismus!

Für ein würdevolles Leben!



Eine kurze Geschichte des Rassismus

Der moderne Rassismus entwickelte sich unter bestimmten Bedingungen und im Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Diese haben zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft beigetragen und sind deshalb auch heute noch gültig. Beginnen wollen wir deshalb unsere Betrachtung mit dem ausklingenden Mittelalter, um den Blick dann bis in die Moderne zu richten. Selbstverständlich kann die Betrachtung hier nur grob schematisch und beispielhaft erfolgen.

Die Feudalgesellschaften des mittelalterlichen Europas kannten zwar zahlreiche Mechanismen der Aus- und Abgrenzung, Rassismus jedoch gehörte nicht dazu. Die "Fremdenfeindlichkeit" der Dorfgemeinschaft traf die fahrenden Händler aus der Nachbarschaft genauso wie den Schausteller von ganz wo anders. Auch das Misstrauen oder der offene Hass gegenüber JüdInnen oder Sinti und Roma war in erster Linie religiös und nicht "rassisch" motiviert. Das heißt jedoch auch, dass JüdInnen schon früh diskriminiert und verfolgt wurden. So wurden sie mancherorts gezwungen, bestimmte Kleidung zu tragen, wurden von Ämtern ausgeschlossen und es war ihnen oft verboten, sexuelle Kontakte zu ChristInnen zu haben. Diese Fremdenfeindlichkeit speiste sich aus einem religiösen "Antijudaismus", der vor allem auf dem Stereotyp des "Juden als Christusmörder" beruhte. “Rasse”, wie auch “Nation” oder “Staat”, kamem als Kategorie im mittelalterlichen Denken jedoch noch nicht vor. Bezugspunkte waren hier die "Familie" oder das Dorf, die Christenheit und die ständische Ordnung. Wo doch über das "ganz Ferne" gesprochen wurde, da bekam es eher fabelhafte Züge. So gab es ellenlange Beschreibungen davon, dass am Ende der Welt Menschen mit nur einem Fuß leben würden, und die Parzifalslegende spricht davon, wie eine Königin aus dem Morgenland zusammen mit einem Ritter aus Nordeuropa einen "bunt scheckigen" Sohn zeugt.

Mit der "Reconquista" Ende des 15. Jahrhunderts, also der Rekatholisierung des seit dem 8. Jahrhundert von muslimisch-arabischen Einflüssen geprägten Spaniens, vollzog sich eine neue Entwicklung in Europa. Vorher lebten JüdInnen, MuslimInnen und ChristInnen in einem gewissen gegenseitigen Austausch zusammen. Nach der "Reconquista" sollte Spanien ein einheitlicher Staat absolutistischen Zuschnitts, d.h. mit einem "einheitlichem Territorium", einer Führung und einer Religion (Katholizismus), werden. Die Inquisition war zur Herstellung dieses Staates ein Instrument in der Hand der kirchlichen und weltlichen Oberschicht. In dieser Zeit erweiterten sich die antijüdischen Klischees um das Bild des "jüdischen Wucherers" auf Grund des christlichen Zinsverbots. Die nun forcierte Judenverfolgung in Spanien führte dazu, dass viele spanische JüdInnen die christliche Religion annahmen. Diese Gruppe der so genannten "Conversos" bewahrten sich Elemente ihrer kulturellen und religiösen "Besonderheiten". Dies führte dazu, dass Teile der Bevölkerung und besonders die Kirche und der Adel die Wirksamkeit des Glaubensübertritts bezweifelten. Gleichzeitig wuchs jedoch die Bedeutung der "Conversos", die ein Teil des aufstrebenden Bürgertums ausmachten. Ziel des Adels und der Kirche war es nun, den Einfluss der "Conversos" zurück zu drängen. Dies konnte auf Grund des Religionsübertritts nicht mehr mit der Begründung der "falschen" Religion geschehen, so dass die Ausgrenzung nun mit angeblichem "jüdischen Blut" begründet wurde. Im Zusammenhang mit diesem neuen Konzept des "jüdischen Blutes" wird auch erstmals der Begriff der "Rasse" zur Ausgrenzung von Menschen verwendet. Dieser wurde zuvor nur in der Pferde- und Hundezucht sowie für adelige Geschlechter angewandt.

Die “Reconquista” war nicht allein ein spanisches Ereignis sondern hatte Bedeutung für ganz Europa. Hier fanden überall politische und territoriale Neuordnungen statt, in Spanien mit der größten kulturellen und religiösen Vielfalt kam dies jedoch am Stärksten zum Ausdruck. Der Begriff der "Rasse" verbreitete sich nun, im 17. Jahrhundert, in ganz Europa. Er bezeichnete hier jede Art einer sozialen Gruppe wie "christliche Rasse" oder "Adelsrasse". Seine Bedeutung hat sich seit den letzten zweihundert Jahren stetig gewandelt.

Die europäische “Eroberung” Amerikas war zunächst eher vom christlichen Bild der Missionierbarkeit geleitet. Die Expansion und einsetzende Sklavenhaltung hatte zunächst keine vorab bestehende, in sich geschlossene rassistische Doktrin zur Grundlage. Zunächst waren ökonomische und machtpolitische Interessen von Relevanz.

Aufgrund des Widerstandes der Native Americans gegen die Missionare und eines schnellen Bevölkerungsrückgangs durch eingeschleppte Krankheiten sowie der Massaker an der einheimischen Bevölkerung, herrschte ein Mangel an Arbeitskräften in Nordamerika. Dies war Anlass, um SklavInnen aus den afrikanischen Kolonien nach Nordamerika zu verschleppen. Diese gewannen für das Wirtschaftssystem eine zunehmende Bedeutung. Die Degradierung der Menschen zur ökonomischen Ware bedurfte nun der Rechtfertigung. Die Sklaverei wurde von da an mit der Möglichkeit, SklavInnen zu missionieren und durch Ausbeutung auf den Plantagen zu "erziehen", gerechtfertigt.

Ökonomische Ausbeutung der afrikanischen SklavInnen und eine hergestellte Verbindung zwischen Hautfarbe, dem Status als SklavInnen und daran gebundener "Minderwertigkeit", führten dazu, dass afrikanische SklavInnen auf der untersten Stufe einer "Rassenhierarchie" gestellt wurden. Die damalige Praxis der Sklaverei beeinflusste die rassistische Theoriebildung genauso wie letztere die Praxis beeinflusste. Die theoretische Rechtfertigung für den neu einsetzenden Rassismus lieferten u.a. Denker und Wissenschaftler der zeitgleich beginnenden Aufklärung. Grundlage der neuen Ansätze war die Behauptung, dass "schwarze" Menschen keine Kultur besäßen sowie dem Tier näher als dem Menschen stünden. Deshalb seien sie "Weißen" unterlegen. Die Ursachen für unterschiedliche "Hautfarben" wurden nun mit verschiedenen Theorien zu begründen versucht. Erstere wurden zunehmend in körperlichen Aspekten wie Nervenzellen oder Blut gesucht und wurden im Laufe der Zeit mit bereits vorhanden rassistischen Bildern verbunden. An die Stelle nachträglicher Legitimierung rassistischer Praxis trat nun zunehmend eine Stabilisierung der rassistischen Ideologie.

Die sich im 19. Jahrhundert durchsetzende bürgerliche Gesellschaft beruhte zum Teil auf der Ausbeutung der Kolonien. Die oben aufgezeigte Entwicklung des "Rasse"begriffs ermöglichte es, die koloniale Ausbeutung fortzusetzen. Dies stand im Widerspruch zu der in der französischen Revolution von 1789 ausgerufenen Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". Diese war von Anfang an nicht für alle Menschen gültig, da sie z.B. "Schwarze", Besitzlose und Frauen im Wesentlichen von den bürgerlichen Rechten ausschloss.

Die neu einsetzende kapitalistische Produktionsweise unterteilte die Gesellschaft im 19. Jahrhundert in unterschiedliche Klassen, so dass gesellschaftliche Partizipation und Ausschlüsse strukturell neu geordnet wurden. Die Idee der bürgerlichen Nation gewann zunehmend an Bedeutung, u.a. als Modell zur Überwindung der feudalen Kleinstaaterei. Diese Ideologie entwickelte sich in einer immer differenzierteren Art und Weise zu einem Herrschaftsinstrument der bürgerlichen Klasse, indem sie die Klassenunterschiede, die mit der einsetzenden kapitalistischen Produktionsweise zunehmend stärker zum Vorschein kamen, auszublenden versuchte.

Die Nation wurde zunehmend als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft gedacht und die kapitalistische Konkurrenz der Nationen wurde nun direkt mit Rassismus verknüpft. Die "Anderen" wurden zu einer Konkurrenz stilisiert, welche versuchen würden, ihren jeweiligen "Lebensraum" auszuweiten. In der so genannten "Rassenlehre" fand diese Anschauung ihre scheinwissenschaftliche Rechtfertigung. So wurde z.B. im Zuge dessen Charles Darwins Evolutionstheorie im 19. Jahrhundert auf die menschliche Gesellschaft angewandt: Hierbei wurde von "Stärkeren", die sich gegen "Schwächere" durchsetzen, ausgegangen. Folglich stellte jede noch so kleine Gruppe eine angebliche "Gefahr" dar. Die Unterwerfung "minderwertiger Völker" wurde so zu einem "natürlichen" Gesetz.

Die kapitalistische Gesellschaft, die den modernen Rassismus hervorgebracht hat, war gleichzeitig Ausgangspunkt für die Entwicklung des bürgerlichen Patriarchats. Wie sich dies genau darstellte, stellen wir im nächsten Artikel genauer vor.

 

Die Kopfgeburten der bürgerlichen Gesellschaft:
Ordnung, Ordnung, Ordnung bei den Geschlechtern!


Die Grundpfeiler der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft haben sich vom 19. Jahrhundert bis heute nicht verändert, ihre Ausprägungen unterliegen jedoch stetigen Wandlungen. Die grundsätzlichen Bestandteile des bürgerlichen Patriarchats bildeten die Entstehung der bürgerlichen Kleinfamilie, die Teilung der Gesellschaft in "öffentlich" und "privat" und damit einhergehend zugespitzte Rollenzuweisungen an Männer und Frauen. Zudem entwickelten sich gleichzeitig Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität, Monogamie und damit verbunden eine Disziplinierung von Sexualität. In diesem Zusammenhang wurde ein neuer Begriff von "Liebe" hervorgebracht. Diese Entwicklungen verliefen weder gradlinig noch auf einen Schlag, aber Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die einzelnen Bereiche in der bürgerlichen Gesellschaft ideologisch fixiert und festgeschrieben.

Ein Zentrum der bürgerlichen Ordnung ist die Kleinfamilie. Das Wort "Familie" kommt von "famulus", was bei den RömerInnen die SklavInnen eines Mannes bezeichnete. Es ging hierbei um eine gesellschaftliche Situation, in der ein Mann Frau, Kinder und SklavInnen unter seiner Gewalt hatte und über deren Leben und Tod entscheiden konnte. Der Begriff "Familie" verbreitete sich in Europa, und zwar vor allem in Frankreich und England, erst Ende des 18. Jahrhunderts. In der bürgerlichen Gesellschaft wurde Familie als eine Verbindung zwischen Zusammenleben und Verwandtschaft angesehen, auf der Grundlage, dass der Mann das Oberhaupt darstellt. Durch verschiedene Gesetzesreformen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Lebenskonzept zur Normalität für alle. Die Eheschließung wurde nun instrumentalisiert, um sie für die Verwertungslogik des Kapitalismus zu nutzen.

Beim Adel war dieses Lebensprinzip vorher nicht verbreitet. Das Zusammenleben aller Familienmitglieder, besonders des Ehemannes mit Frau und Kindern, war beim Adel nicht gegeben. Die Erziehung der Kinder war hier nicht Pflicht der Mutter, sondern wurde von Ammen und Hausmädchen übernommen. Bei ArbeiterInnen, BäuerInnen und HandwerkerInnen war die mit dem Entwurf der Kleinfamilie einhergehende Maßgabe, dass Frauen im häuslichen Bereich bleiben und der Mann in der Produktion arbeitet, vorher nicht möglich. Denn auf Grund der ökonomisch sehr schlechten Situation mussten Frauen und auch Kinder ebenso arbeiten. Das Leben fand hier in Großfamilien statt. Die langen Arbeitszeiten, das niedrige Lohnniveau und die schlechte Versorgung mit dem allernötigsten sowie die enorme Altersarmut bewirkten, dass ein Familienleben im Sinne der bürgerlichen Ideologie bei ArbeiterInnen, BäuerInnen und HandwerkerInnen lange Zeit nicht existierte.

Durch die Industrialisierung wurde fortschreitend die Produktion aus der Familie ausgelagert. Dadurch trat der Mann nun endgültig aus dem Haus aus, während der Haushalt Domäne der Frau wurde. Somit wurde die Gesellschaft in einen öffentlichen und einen privaten Raum eingeteilt: Der öffentliche bestand aus einem gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Leben, in dem Einfluss und Macht erlangt und verbreitet wurden. Dieser Bereich war dem Mann vorbehalten. Die Frau hingegen blieb zu Hause, wodurch ihr eine Weiterentwicklung und -bildung weitgehend verwehrt wurde. Diese Teilung ging mit der gesellschaftlichen Differenzierung in Produktions- und Reproduktionsbereich einher: Der Mann verrichtet Mehrwert-schaffende Arbeiten in den Fabriken (Produktion), die Frau umsorgt ihren Mann, bekommt Kinder und versorgt auch diese (Reproduktion).

Vor dem Hintergrund dieser neuen Arbeitsteilung wurden bestimmte Spezialisierungen auf Fertigkeiten von Frauen und Männern zugeschrieben, die noch heute als “typisch männlich” oder “typisch weiblich” gelten: Taktgefühl, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, "Sinn für´s Schöne" auf der einen Seite; Ehrgeiz, Stehvermögen, Rationalität, Beherrschtheit und Willensstärke auf der anderen. Die Beschränkung des weiblichen Lebenszusammenhangs auf die privatisierte Familie bedeutete für die Frau nicht nur ökonomische Abhängigkeit, sondern auch Isolation. Es wäre jedoch zu einseitig, die Zuständigkeiten der Frauen für die Familie allein als eine Beschneidung ihrer Entwicklung darzustellen. Durch die entsprechenden Hintergründe entwickelten sich auch neue Identitäten und Widersprüche: Anfang des 20. Jahrhunderts emanzipierten sich zahlreiche Frauen aus den bisherigen Strukturen und schlossen sich in der proletarischen oder der bürgerlichen Frauenbewegung zusammen. Sie erkämpften z.B. das Frauenwahlrecht und Zugänge für Frauen zu Bildung.

Die bürgerliche Familienform markierte zudem einen Übergang zur Monogamie. Das Monogamieprinzip stellte eine nützliche Voraussetzung für die kapitalistische Verwertungslogik dar und wurde somit nun für die Mehrheit der Gesellschaft endgültig durchgesetzt. Um die Treue der Frau, also die unbestrittene Vaterschaft der Kinder, sicherzustellen, wurde Sexualität außerhalb der Ehe v.a. den Frauen untersagt. Eindeutige Vaterschaft war wichtig, um Eigentum in der Erbfolge des Mannes weitergegeben zu können. Vorher konnte die Ehe von beiden Geschlechtern gelöst werden, von jetzt an nur noch durch den Mann. Vorher war außereheliche Sexualität von Männern mit unverheirateten Frauen, von Frauen mit anderen Männern wie auch homosexuelle Beziehungen relativ weit verbreitet. Sexualität wurde mit Einführung der bürgerlichen Kleinfamilie derart eingeengt, dass sie nur noch heterosexuell, also zwischen Mann und Frau, und innerhalb der Grenzen der Familie ausgeübt werden durfte.

In dem gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstehenden Bild von Ehe und Familie spiegelten sich die neuen Lebensverhältnisse des Bürgertums wider. Zusätzlich zu den Eigentums- und Verwandtschaftsgründen, die die wesentlichen Motive vorheriger Eheschließung darstellten, rückte nun die Zuneigung als Bindeglied zwischen den Eheleuten ins Zentrum. Im Zuge dessen entwickelte sich ein neues Bild von "romantischer Liebesbeziehung". Im 18. Jahrhundert gab es zwei Auffassungen von diesem Konzept: Zum einen die "wahre" Liebe der Aufklärung, was sich auf die Einsicht in die Vorzüge des anderen, im Verständnis für seine Fehler und v.a. in der Achtung vor Anderen als gleichberechtigte Menschen bezog. Alle Bereiche des Lebens mussten hier verstandes- und vernunftmäßig kontrolliert werden können, so dass alle sinnlich-erotischen Komponenten als unbeherrschbar ausgeklammert wurden, da sie als prinzipiell gegen die Vernunft betrachtet wurden. Zum anderen gab es die spätere romantische Auffassung von Liebe, die über diese Betonung der gegenseitigen Gemeinschaft weit hinausging. Hier wurde von einer individuellen Geschlechtsliebe, von Erotik, von Liebe als Ehe auch Trauung ausgegangen. In dieser Vorstellung hatten Kinder übrigens keinen Platz. In dem Maße, in dem sich in der bürgerlichen Kleinfamilie der Wirkungsraum der Frauen auf den häuslichen Bereich konzentrierte, setzte sich eine institutionalisierte Eheauffassung durch, die sowohl Gefühls- wie Geistesgemeinschaft ist und in der Kindererziehung hohe Bedeutung zugemessen wurde.

Die tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts mit der Betonung der Geschlechterdifferenz männlich-weiblich dienten als biologische Begründung der unterschiedlichen sozio-kulturellen Geschlechterrollen. Die polarisierten Geschlechterrollen wurden von nun an an gegensätzliche Körperlichkeit gebunden, die als Zeichen für den Unterschied zwischen Mann und Frau interpretiert wurde. Vor dem 18. Jahrhundert gab es kein zwei-geschlechtliches Modell, wie wir es heute noch kennen, sondern ein ein-geschlechtliches Modell. Die zentrale Vorstellung hierbei war, dass Frauen und Männer dieselben Genitalien haben und sich der Geschlechtsunterschied nur darin ausdrückt, ob sich die Genitalien im Körperinneren (bei Frauen), oder außerhalb des Körpers (bei Männern) befinden. Die Frau wurde zu der Zeit als unvollständige Kopie des Mannes angesehen, da ihr die entsprechenden "Geschlechts"teile fehlen würden. Dieses Modell ist nicht besser als das heutige, da es das damalige "vollständige" (aus heutiger Sicht "männliche") Geschlecht als höherwertig ansah. Aber es zeigt, dass das Modell von zwei Geschlechtern nicht so "natürlich" und "selbstverständlich" ist, wie heute betont wird.

Die Familienstruktur ist seit dem 19. Jahrhundert zahlreichen Entwicklungen unterworfen. Ein bedeutendes Beispiel ist der Sozialstaat der 1950er Jahre: Dieser wirkte insofern auf die Familie und vor allem auf die Rolle der Frauen, als dass früher gekaufte oder in der Familie erbrachte Leistungen nun als öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung standen oder von Sozialversicherungen gestellt wurden. Kindergärten, Kranken- und Altenversorgung sind hierfür wichtige Beispiele.

Die Anforderungen kapitalistischer Produktion an die Arbeitskräfte haben sich bis heute verändert, wodurch die Disziplinierung der Kleinfamilie an einigen Stellen an Wichtigkeit verliert. Bei aller “Individualisierung” und Pluralität von Lebensstilen ist dennoch auch heute die Wirkung des bürgerlichen Bilds von Ehe und Familie keineswegs verschwunden.

Nachdem wir nun kurz herausgestellt haben, dass sich das bürgerliche Patriarchat bis heute verändert hat, möchten wir im nächsten Artikel noch einmal zu den Anfängen zurückkehren. Im Folgenden verdeutlichen wir durch einige einprägsame Beispiele, wie Rassismus und Patriarchat im Zusammenhang mit Kolonialismus gewirkt haben und welche Klischees hierbei entwickelt wurden.


...das alles zeitgleich und immer zusammen...

Kolonialismus, bürgerliches Patriarchat und bürgerlicher Rassismus entwickelten sich zeitgleich, zusammenhängend und teilweise in gegenseitiger Abhängigkeit. Seit dem 15./16. Jahrhundert begaben sich Missionare, Händler und Kolonialisten in für sie "fremde" Welten. Sie brachten Bilder und Berichte von so genannten primitiven Völkern aus außereuropäischen Ländern mit nach Hause. Anhand ihrer Schriften und Bilder entwickelten sie Thesen und Theorien u.a. über Geschlecht und verknüpften dabei menschliche Evolution mit der Evolution der Geschlechterverhältnisse. Dies lässt sich am Beispiel des britischen Vorgehens in Westafrika zeigen: Diese stuften ab ihrer Ankunft vor Ort die westafrikanischen Frauen herab und machten sie zu Prostituierten für die Kolonisatoren. In Verschränkung mit Sklaverei und Ausbeutung wurde darauf eine Theorie der “rassischen Überlegenheit des weißen Mannes” und der “Tiernatur” der afrikanischen Frau gemünzt. Diese “Naturalisierung” der kolonialisierten Frauen galt als Gegenstück zur “Zivilisierung” der europäischen Frauen. Während afrikanische Frauen als “Wilde”" behandelt wurden, “stiegen” die Frauen der Kolonisatoren zum Status von “Damen” auf.

Die afrikanische Frau im Speziellen und der afrikanische Kontinent im Allgemeinen wurden mit “Naturhaftigkeit” gleichgesetzt. Als sich der private, häusliche Bereich für die Frauen in den kolonisierenden Ländern herauskristallisierte, wurde den Frauen ebenfalls das Attribut der Naturhaftigkeit zugeschrieben, die vom Mann kontrolliert werden muss. Im Gegenzug dazu stellte der “weiße Mann” das rationale Gegenstück dar: Als “Weißer” im Abgrenzung zum afrikanischen Kontinent und als Mann in Abgrenzung zur Frau in der neuen bürgerlichen Ordnung. Afrika wurde als der “jungfräuliche Kontinent” bezeichnet, den es zu erobern und zu kontrollieren galt - ähnlich wie die Frauen in der eigenen bürgerlichen Gesellschaft.

Viele Wissenschaftler waren überzeugt, dass die bürgerliche Gesellschaft und dabei besonders die Kultur des Bürgertums den Höhepunkt menschlicher Entwicklung darstellt und die Geschlechter in ihrer schönsten Gestalt zeige. An der Spitze dieser Wertungen steht die so genannte “Zivilisation”, welche sich in ihrer Selbstdefinition vor ständigen Bedrohungen durch Rückschritt und Barbarei zu Wehr setzen muss. Sie wird charakterisiert durch den weißen, rationalen Mann, er bildet die Norm und ist die quasi “personalisierte Zivilisation”. In der Kolonialzeit wurde versucht, die Andersartigkeit von Schwarzen und Frauen "wissenschaftlich" zu beweisen und sie anhand des evolutionistischen Gesellschaftsbildes in mehr und weniger Entwickelte zu sortieren. Als Folge dieser Selektion wurden entsprechende Wertigkeiten der Menschen anhand der Einordnung in die Schemata “höher und minderwertig” abgeleitet.

Die Menschen der außereuropäischen Länder wurden von einigen Wissenschaftlern als “Thiermenschen” (z.B. Georg Jung, Geschichte der Frauen von 1850) bezeichnet, da sich Männer und Frauen in diesen Ländern nicht unterscheiden würden. Als Krone der Schöpfung wurde die körperliche und soziale Unterscheidbarkeit von Männern und Frauen angesehen. Das hatte u.a. die Funktion, die neu entwickelte Zweigeschlechtlichkeit biologistisch festzuschreiben. Die sozialen Geschlechterrollen wurden dadurch weiter polarisiert.

Diese entwickelten Bilder von Menschen haben sich bis heute verändert. In ihren Grundzügen sind sie jedoch immer noch Bestandteile unserer Gesellschaft. Wie rassistische und sexistische Klischees in Vergangenheit und Gegenwart hervorgebracht werden und an welchen Stellen diese zusammen hängen, vertiefen wir im nächsten Artikel.

 

Von sexistischen Rassismen, rassistischen Sexismen, sexistischen Antisemitismen...

Wie gegenwärtig sexistische und rassistische Klischees entwickelt werden, lässt sich an dem autobiographischen Bestseller-Roman "Die weiße Massai" von Corinne Hofmann verdeutlichen. Er erzählt von dem sexuellen Liebesverhältnis der Autorin mit einem "Samburu-Krieger" in Kenia. Ein fortlaufendes Bild, das sich durch diesen Roman und die entsprechende Verfilmung zieht, ist das der "emanzipierten, weißen Europäerin", die sich mit einer "rückständigen Kultur" konfrontiert sieht. Am Ende wehrt sie sich erfolgreich gegen den "triebhaften Kenianer". Solche Klischees stellen heutzutage keine Seltenheit dar. Im Gegenteil: Wie "Die weiße Massai" zeigt, werden sie medial vermarktet, gesellschaftlich begierig aufgesogen und so weiter verbreitet und anerkannt.

Diese Klischees bauen auf historischen Bildern auf. Wir spannen an dieser Stelle einen Bogen zurück zum kolonialen Rassismus. Der "schwarze Afrikaner" wurde in dieser Zeit als besonders triebhaft und potent angesehen. Er wurde als unfähig erachtet, seine "Triebe" zu kontrollieren, was mit einer sozialen Komponente verbunden wurde: Er sei genauso unfähig, gesellschaftliche Kontrolle auszuüben. An dieses Bild knüpft das der "weißen Massai" direkt an.

Dennoch gibt es Brüche zwischen den verschiedenen Klischees, wie das Bild der sexuellen Beziehungen zeigt: "Schwarze Frauen" wurden in der Kolonialzeit als exotische, begehrenswerte Objekte angesehen, auf die "weiße Männer" jederzeit "Zugriff" hätten. Der "weiße Mann" konnte Verbindungen sowohl mit der "schwarzen", als auch mit der "weißen Frau" eingehen. Die Beziehung zwischen einem "schwarzen Mann" und einer "weißen Frau" war gleichzeitig tabu. In Corinne Hofmanns Roman ist jedoch genau dies das zentrale Motiv. Diese Verschiebung hängt mit einer verbesserten Lage von “westlichen” Frauen zusammen, die durch eine Annäherung an männliche Positionen nun in ähnlicher Weise rassistisch agieren können.

Aktuelle Medienanzeigen für "Sextouristinnen" unterstreichen dieses Bild. Die "besondere Männlichkeit afrikanischer Männer" wird hier beworben. Diese Hervorhebung von Männlichkeit wird jedoch ebenso an Stellen durch verschiedene Mechanismen gebrochen. So müssen sich "schwarze Männer" durch rassistische Arbeitsteilung unterordnen und “niedere Arbeit” verrichten. Dies entspricht nicht dem Ideal autonomer Männlichkeit.

Nicht nur rassistische Stereotype gehen einher mit sexistischen Zuschreibungen. Auch antisemitische Klischees werden oft gleichzeitig mit Sexualisierungen verbunden. So wird die Hauptfigur André Ehrl-König in Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" von 2002 als jemand dargestellt, der keiner sexuellen Befriedigung mächtig sei, da er stets vorschnell ejakuliere und deshalb eine "Nullbefriedigung schlechthin" sei. Deshalb interessiere er sich lieber für junge Mädchen. Zudem habe Ehrl-König eine "sich bis zum überschlagen steigernde Stimme", also eine Fistelstimme, die Ähnlichkeiten mit einer weiblichen Stimme aufweisen soll. Ein klassisches historisches Bild von Juden ist ihre "anstandslose Geilheit". Allerdings seien Juden weder dazu in der Lage, Frauen zu befriedigen, noch sie zu kontrollieren. Diese beiden Klischees werden in dem aktuellen Roman aufgegriffen und fortgeführt.

Die jüdische Frau wurde in der Vergangenheit hingegen als "Mannsweib" und dadurch als "Bedrohung für das Patriarchat" angesehen. Im Gegensatz zum rassistischen Diskurs, der der "schwarzen Frau" eine besondere Nähe zur Natur zuschreibt, zeichne sich "die Jüdin" gerade durch eine Ferne zur Natur aus.

Auch an dieser Stelle lassen sich Widersprüche erkennen. Zu dem Bild des "jüdischen Mannsweibs" existierte auch das der "schejnen Jiddin" - der schönen Jüdin - die in diesem Zusammenhang nicht als "Zerstörerin des Patriarchats" auftaucht, sondern durch die Patriarchalität des Judentums unterdrückt wird.

Die Widersprüchlichkeiten erklären sich dadurch, dass Flexibilität für das Funktionieren rassistischer, sexistischer und antisemitischer Diskurse unabdingbar ist. Die klischeehaften Attribute sind keine Eigenschaften von "schwarzen Menschen" oder JüdInnen, sondern Legitimation ihrer Diskriminierung und Unterdrückung.

Weitere Veränderungen der bisher beschriebenen Zusammenhänge greifen wir im nächsten Artikel auf. Nicht nur die Bilder, sondern auch die Herrschaftsverhältnisse unterliegen stetigen Erneuerungen: So wurde der koloniale völkische Rassismus zum gegenwärtigen kulturellen Rassismus weiterentwickelt.


... vom MultikultiRassismus

Aktuelle Diskussionen sind oft geprägt von Begriffen wie "kulturelle Identität", "kulturelle Eigenheiten" und "kulturelle Konflikte". Die Betonung von "Kultur" verweist auf eine Verschiebung der Bilder, anhand derer Grenzen gezogen werden.

Der koloniale Rassismus sezierte den menschlichen Körper noch sehr bewusst im Hinblick auf die Existenz unterschiedlicher "Rassen". Heute funktioniert dieses Phänomen eher unterschwellig: Der kulturell rassistische Diskurs geht nicht mehr nur in den gegensätzlichen Stereotypen von "schwarz" und "weiß" auf, sondern produziert eine Vielzahl sexuell-ethnisierender (genetische, geschlechtliche, kulturelle) Zuschreibungen, die in Wechselverhältnissen zueinander stehen. Eine bestimmende Rolle in den gegenwärtigen Diskussionen spielen demnach kulturelle Hierarchievorstellungen, so dass in diesem Zusammenhang auch von einem "Rassismus Rassen" oder "kulturellem Rassismus" gesprochen wird. Dennoch werden auch in dieser neuen Form des Rassismus gelegentlich biologische Bezugspunkte aufgegriffen: "äußerlich sichtbare kulturelle Merkmale" werden als naturgegeben angesehen, da von einem unveränderlichen Bestimmt-Sein der Menschen durch ihre Herkunft ausgegangen wird.

Weiterer wichtiger Bezugspunkt des kulturellen Rassismus ist die Annahme, dass sich Menschen aus anderen "Kulturen" von der eigenen unterscheiden und somit "anders" sind. Im kulturellen Rassismus wird kein inhaltliches Merkmal der Kulturen angeführt, sondern deren Kennzeichen gehen in einem Verhältnis auf. Dabei wird die "aufgeklärte Kultur des westlichen Abendlandes", die sich durch Rationalität und Individualität auszeichne, einem Lebensstil der "Anderen" gegenübergestellt. Durch diese Aufteilung braucht die "westliche Welt" nicht mehr direkt auf ihre angebliche Überlegenheit hinweisen, da sich durch das "Anderssein" eine Weigerung der "Anderen", sich dem eigenen Lebensstil anzupassen, ausdrückt.

Nach wie vor bedürfen Herrschaftsverhältnisse wie der kulturelle Rassismus unterscheidbare Gruppen, nach dem Prinzip von Norm und Abweichung. Die Norm braucht das "Andere", um sich selbst zu definieren und zu konstruieren. Hierfür müssen Klischees offen und flexibel sein, um veränderte Vorstellungen in das Prinzip der Unterscheidbarkeit von Menschen mit aufnehmen zu können.

Kultureller Rassismus wird in unserer Gesellschaft oft mit dem Stichwort "Multikulturalismus" legitimiert und somit verharmlost. Dieser multikulturalistische Diskurs geht von einer unaufhebbaren, "wissenschaftlich nachgewiesenen" Differenz der "Kulturen" aus, die zwar "gleichwertig aber nicht gleichartig" seien. Der "Respekt" vor der Andersartigkeit ist hierbei nur eine Methode, die "Anderen" erneut einer rassistischen oder ethnisierenden Definition zu unterwerfen. Überlegenheitsgefühle bedürfen so kaum mehr einer Legitimation.

Das aus den 1980ern stammende Konzept des Multikulturalismus bildete ursprünglich einen fortschrittlichen Gegenpol gegenüber dem alltäglichen Rassismus. Gleichberechtigtes Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft und die Überwindung rassistischer Vorurteile wurden damit eingefordert. Vielen MigrantInnen bot sich nun die Möglichkeit, am politischen, sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben, den herabsetzenden Status als "Gast", der den "GastarbeiterInnen" in der Bundesrepublik seit den 1950er Jahren anhing. Schon damals mangelte es in diesem Konzept jedoch an weiter reichenden Erklärungen zu gesellschaftlichen Widersprüchen und Konflikten. Kultur wurde und wird im Multikulturalismus als etwas Feststehendes, quasi Vererbtes wahrgenommen, und nicht als etwas Erlerntes, bzw. in der Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld erworbenes Verhältnis verstanden. Der ehemals fortschrittliche Begriff des Multikulturalismus wird zunehmend identitär aufgeladen.

Zu verteidigen ist das Konzept vor rechtskonservativer Kritik, die offen völkisch rassistisch und nationalistisch argumentiert. Auch Neofaschisten arbeiten mit einem inzwischen wieder weit in der Gesellschaft verbreiteten Kulturbegriff: Gerade weil alle Kulturen gleichwertig seien und ihren je spezifischen Beitrag zum Fortgang der menschlichen Entwicklung leisten würden, dürften sie sich nicht beliebig vermischen. Denn sonst würden die einzelnen Kulturen ihren Charakter verlieren und zu einer Einheitlichkeit verschmelzen, die mit einer Schwächung der Menschheit einhergehe. Diese Ideologie des "Ethnopluralismus" knüpft direkt an faschistische Wertungen an.

Eine verschleiernde Entpolitisierung bahnt sich mit der kulturalistischen Ideologie ihren Weg. In einer so genannten toleranten und weltoffenen Gesellschaft lassen sich kulturalistische Vorurteile als nicht rassistisch sondern als logisch und gerechtfertigt vermitteln. Der Begriff der Kultur wird hier instrumentalisiert, anerkannten Differenzen eine Wertigkeit unterstellt. Die rassistischen Bedingungen für die Trennung in "eigene" und "fremde Kultur" stehen nicht zur Diskussion. Soziale Konflikte werden in kulturelle umgedeutet. Die als Kulturen gegenübergestellten gesellschaftlichen Widersprüche sind damit nicht mehr umkämpfbar, sondern werden als "kulturelle Eigenheiten" angesehen. Die hergestellte "Andersartigkeit" von Menschen resultiert nach dieser Logik nicht aus z.B. der jeweiligen sozialen Situation (Lohnarbeit, etc.), sondern aus dem "kulturellen Hintergrund". Gesellschaftliche Zugehörigkeiten müssen sich unserer Meinung nach über politische und soziale Standpunkte innerhalb der jeweiligen Lebensrealitäten sowie über Lebenskonzepte entwickeln.

Wie kultureller Rassismus derzeit in unserer Gesellschaft hervorgebracht und eingesetzt wird und was die Wirkungsweisen dessen sind, vertiefen wir im folgenden Artikel.


Kriege und Kopftuecher

Die Diskussion um Unterdrückung von Frauen im Islam hat in den vergangenen Jahren an Präsenz gewonnen und wird in einem breiten gesellschaftlichen Kontext diskutiert. Besonders lässt sich diese Debatte an den Diskussionen um "deutsche Leitkultur" sowie an den Mobilisierungen für den Afghanistankrieg 2001, den Irakkrieg 2003 und an Debatten um das Kopftuchverbot an Schulen 2003 und 2004 festmachen.

Äußerungen der konservativen Feministin Alice Schwarzer in der FAZ vom 4. Juli 2006 verdeutlichen den gesellschaftlichen Mainstream zu diesen Diskussionen: Sie bezeichnet das Kopftuch als "Branding", welches "vergleichbar mit dem Judenstern" sei. Sie stellt die “westliche” Gesellschaft als fortschrittlich gegenüber der "arabischen Welt" dar. Deshalb sei diese in der Pflicht, den "unmündigen" Frauen zur Seite zu stehen. Ähnlich wird sich in diesem Interview auf den Afghanistan-Krieg bezogen, der die Frauen in eine grundsätzlich verbesserte Lage gebracht haben soll. Entsprechende Argumentationen werden von anderen Stichwortgebern unterstützt und fortgeführt: Das Leben in der "Parallelgesellschaft" wurde ein bedeutendes Schlagwort. Es häuften sich Berichte über "Allahs rechtlose Töchter", so ein Spiegel-Titel im November 2004. Musliminnen, die eingesperrt, vergewaltigt, ermordet oder mit dem Kopftuch zwangsverhüllt werden, werden zahlreich in den Magazinen beschrieben. Differenzierungen gehen dabei verloren. Musliminnen, die ihren Freund selbst aussuchen oder Sex vor der Ehe haben, gelten innerhalb der gesellschaftlichen Bilder unterdrückter, zwangsverschleierter Frauen als besonders “westlich” beeinflusste Ausnahmen.

Das jahrhunderte alte Feindbild “Islam” erfährt an diesen Stellen eine starke Wiederbelebung. Hierzu ist das gern angewandte Bild von der verschleierten, rückständig-traditionellen und religiös tief verpflichteten Orientalin (ggf. türkischer Migrantin) vs. westliche Aufklärung und Gleichstellung sehr nützlich. Teil dieses antiarabischen Rassismus ist zudem das Bild des "islamistischen Terroristen". Dieser stellt das männliche Pendant zum gesellschaftlichen Klischee der arabischen Frau dar. Er, der frauenunterdrückende, aggressive, arabische Mann und Sie, die unterdrückte, passive Frau als Opfer.
Vergegenwärtigt man sich die Situation der Frauen im Irak und in Afghanistan nach den anfänglichen Kriegseinsätzen wird deutlich, welche Auswirkungen diese bisher vor Ort erbracht haben: In einem Interview von 2005 berichtet Houzan Mahmoud von der "Organisation für die Rechte der Frauen im Irak" ganz ähnliches wie die afghanische Frauenrechtlerin Malalai Joya in einem Interview 2007: Beide sprechen von einer Verschlechterung der Lage von Frauen im Irak und in Afghanistan seit der Besatzung durch die USA und die Alliierten. Das neue Regime im Irak bspw., das von den Besatzungsmächten installiert wurde und v.a. aus rechten religiösen Kräften besteht, biete den Frauen weniger Sicherheit als in den Jahren zuvor. In beiden Ländern komme es fast täglich zu Erschießungen, Entführungen, Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen und Mädchen. Frauenrechtsaktivistinnen leben in einer besonders bedrohlichen Situation und werden immer wieder Opfer von gezielten Anschlägen. Gleichzeitig werden andere Kräfte in der Region, die bewusst für eine verbesserte Lage von Frauen kämpfen, aktiv angegriffen: Die kurdische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und deren Nachfolgeorganisation Kongra-Gel machen sich zum Ziel, Frauen aus patriarchalischen Strukturen zu befreien und setzen dies u.a. in der Frauenarmee seit 1993 aktiv um. Ende Oktober 2007 kündigte die türkische Regierung an, im kurdischen Teil des Nordirak militärisch zu intervenieren, um dadurch die kurdische Bewegung zu schwächen. Unterstützt wurde dies durch “grünes Licht” der USA und durch Angriffe auf die Organisation in zahlreichen Ländern der EU.

Der gesellschaftspolitische Hintergrund, vor dem die beschriebenen Diskussionen und Praxen stattfinden, ist geprägt von kulturell rassistischen und sexistischen Argumentationsweisen. Imperialistische Kriege wurden hier frei nach dem Motto “Wir bomben die Frauenrechte und den Fortschritt nach Afghanistan und in den Irak” mit dem Schlagwort des “Feminismus” und der “Aufklärung” legitimiert, während vor Ort linke feministische Kräfte verfolgt und ermordet werden. Patriarchale Strukturen, besonders in bestimmten fundamentalistischen Ausprägungen des Islam, dürfen wir nicht ignorieren. Legitime Interessen von Frauen vor Ort, gegen ihre Unterdrückung vorzugehen, werden jedoch instrumentalisiert, um Kriege zu führen.

In Europa wollten verschiedene Kräfte in der Kopftuchdebatte die entsprechenden migrantischen communities "demokratisieren". Sexistische Strukturen in der eigenen Gesellschaft können durch derartige Diskussionen leicht ausgeblendet werden, indem von ihnen abgelenkt wird. Der Islam wird hierbei stets zum dominanten Erklärungsprinzip für die Unterdrückung von Frauen erhoben. Kopftücher werden allerdings in unterschiedlichen sozialen Kontexten getragen, die wir zur Kenntnis nehmen müssen. Eine pauschale Wertung des Tragens eines Kopftuches steht uns somit nicht zu. Grundsätzlich erachten wir es als müßig, für oder gegen ein Kopftuchverbot zu argumentieren. Denn dies geht am eigentlichen Problem vorbei. Letzteres besteht für uns in dem dahinter stehenden rassistischen Diskurs, der mit sexistischen Klischees untermauert wird.

Diesen Diskurs anzugreifen beinhaltet jedoch Widersprüche: Die Versuche, den gesellschaftlichen - in diesem Fall antiarabischen - Rassismus gegen die entsprechenden MigrantInnen und communities abzuwehren, dürfen nicht dazu führen, reaktionäre, religiöse Tendenzen in diesen communities zu unterstützen. Eine Kritik am Sexismus in muslimischen communities darf nicht gegen eine Kritik am deutschen Rassismus ausgespielt werden. Bei antirassistischen Bündnissen müssen wir bewusst danach fragen, mit wem wir zusammenarbeiten. Es ist demnach unsere Aufgabe, linke, feministische MigrantInnen zu stärken. Es ist notwendig, gegen rassistische Diskriminierung vorzugehen um Bedingungen zu schaffen, unter denen sich Frauen ggf. gegen ihre Religion entscheiden können, sich dabei aus allen sozialen Zugehörigkeiten verabschieden zu müssen.

Mit diesem Ansatzpunkt haben wir das folgende Interview mit einer iranischen Genossin geführt.

 

Ein Gespräch mit einer iranischen Genossin

Du bist in der 8. März-Frauengruppe aktiv. Wer seid ihr und welche Ziele verfolgt ihr?

Wir sind eine Gruppe von iranischen und afghanischen Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund und verschiedener sozialer und politischer Erfahrung. Wir haben uns 1997 gegründet, um gegen sexuelle Unterdrückung und männlich-chauvinistische Beziehungen zu kämpfen. Wir haben Kontakt zu Flüchtlingsorganisationen hier in Europa und arbeiten eng zusammen mit iranischen Frauenorganisationen. Wir sind aktiv gegen den Krieg und im Kampf gegen die US-amerikanische und westliche Invasion in Afghanistan und im Irak. Wir sind natürlich auch gegen das iranische Regime, Kriege lösen die Probleme aber nicht, das kann man im Irak und in Afghanistan sehen. Stattdessen wünsche ich mir, dass die westlichen Staaten mit einem politischen und wirtschaftlichen Boykott gegen die iranische Regierung vorgehen, keinesfalls aber mit einem Embargo, denn das trifft wiederum nur die Bevölkerung. Wir nehmen an politischen und sozialen Kampagnen teil, die sich z.B. gegen die Steinigung von Frauen im Iran und in Afghanistan richten oder auch für die Rechte von Flüchtlingen und gegen die Folter von politischen Gefangenen. Jedes Jahr feiern wir den internationalen Frauentag mit Frauen aus aller Welt. Wir haben Kontakte zu Frauen in verschiedenen Städten in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, der Schweiz, Kanada und in der Türkei.

Was ist das zentrale Problem, wenn es hier in Deutschland um die Frauenrechte im Iran geht?

Das zentrale Problem hier in Deutschland ist, dass die Probleme der Frauen im Iran nur als Interventionsgrund herhalten. Deswegen bin ich gegen eine "Arme-Frauen-Rhetorik", denn das schadet den Organisationen hier und vor Ort im Iran nur. Ich möchte lieber ein Bild von der Frauenarbeit und vom Widerstand vermitteln, denn, und dass muss ich betonen, den gibt es auch und der wird stärker. Wir sammeln und berichten zwar auch über Frauenschicksale, z.B. Steinigungen usw., mein Erlebnis mit internationalen Organisationen, wie z.B. amnesty international ist aber sehr negativ. Amnesty international habe ich mehrmals mit Informationen, Bildern, Filmen etc. versorgt, die erst dann veröffentlicht wurden, als es darum ging im Iran, Irak und in Afghanistan zu intervenieren. Seitdem publizieren wir selbst.

Der Zusammenhang zwischen Sexismus und Rassismus kann in Deutschland sehr gut anhand der Kopftuchdebatte beobachtet werden. Was ist deine Meinung dazu und wie gehst du mit dem Problem um?

Die Kopftuchdebatte in Deutschland? - Scheiße! Wir vertreten, dass das Kopftuchtragen die Entscheidung der Frau sein soll. In Deutschland trete ich für gegenseitige Akzeptanz ein, da hier die Kopftuchfrage zumeist droht, ins rassistische abzudriften. Im Iran bin ich grundsätzlich gegen den Schleier, aber da ist der Fall auch ein anderer. In Deutschland ist die Schleierfrage Rassismus, denn ähnlich wie in Frankreich geht es ja nicht darum, dass eine Minderheit einer Mehrheit ihren Willen aufzwingt. Hier gibt es kein islamistisches Regime und es besteht auch keine Gefahr, dass demnächst eines entsteht. Die Gefahr ist viel eher, dass man sich heute gegen ein Kopftuch ausspricht und morgen ist dann Solingen. Das Problem ist nicht der Schleier, das Problem ist der alltägliche Rassismus. Die Kopftuchdebatte ist doch nur ein Mittel, um Politik zu machen. Mir ist wichtig, dass man alles, was von oben kommt, kritisch betrachtet. Wenn jemand mit viel Geld eine Kampagne für das Kopftuch finanziert, werde ich genauso misstrauisch wie andersherum. Wir sind übrigens gegen jegliche Form von Fundamentalismus und sind deswegen auf dem Christival mit einem Flugblatt zum Thema Abtreibung präsent gewesen.

Ihr arbeitet hier und im Iran mit Flüchtlingen und Flüchtlingsorganisationen zusammen. Wie unterstützt ihr die Frauenarbeit hier und dort?


Viele der Migrantinnen, die in Deutschland leben, sind nicht unbedingt politisch, aber das ist ja kein Grund, sie hier vor Ort nicht zu politisieren. Da die Grenzen ansonsten dicht sind, läuft der klassische Einwanderungsweg über eine Heirat mit einem in Deutschland lebenden Iraner, der sich in der Heimat eine meist sehr viel jüngere Frau sucht. Wir unterstützen die Frauen dabei, hier Asyl zu beantragen, wenn sie den Mann nur geheiratet haben, um nach Deutschland zu kommen, damit sie nicht gezwungen ist, mit ihm fünf Jahre hier zu leben. Im Iran arbeiten wir auch mit Flüchtlingsorganisationen zusammen. Im Iran leben viele afghanische Flüchtlinge, die dort zwar als Arbeitskräfte gebraucht werden, denen aber keinerlei Rechte zuerkannt werden. So durften bis vor kurzem die Kinder nicht in die Schule gehen. Der Ausländerhass ist ein neues, aber leider sich stetig erweiterndes, Problem. Afghanen und Afghaninnen werden diskriminiert, festgenommen und abgeschoben. Wir unterstützen die Flüchtlingsorganisationen vor Ort, die für gleiche Rechte der im Iran lebenden Flüchtlinge eintreten und haben z.B. erreicht, dass die Kinder in die Schule gehen dürfen. Dafür müssen sie im Gegensatz zu den Iranern allerdings Geld zahlen.

Ihr schreibt in eurem Flugblatt "Die Befreiung der Frau ist das Werk der Frauen selbst!" und richtet euch gegen die US-amerikanische Besatzungspolitik in Afghanistan.

Die Frauen in Afghanistan haben erfahren, was die "Befreiung der Frau" unter der Herrschaft einer von den Westmächten abhängigen islamischen Regierung bedeutet und haben im Widerstand gegen diese Regierung viele Leben geopfert. Die Bewahrung islamischer Gesetze und Traditionen und das Verhindern der Entwicklung der Gesellschaft im Allgemeinen und der Frauen im Besonderen sichern den imperialistischen USA und dem kapitalistischen System ihren Superprofit. Wenn sie Veränderungen anstreben, dann nur, um ihre kurz- oder langfristigen Interessen zu vertreten. Das hat nichts mit der Freiheit der Frauen zu tun. Eins der Ziele der amerikanischen Invasion ist die Unterdrückung der Freiheitskämpfe, das betrifft auch die Frauen. Besonders im Iran sind die Menschen unzufrieden und leisten starken Widerstand gegen die islamische Republik und ihre reaktionären Gesetze. Die jetzige Politik der USA ist die direkte militärische Einmischung in die Länder wie Irak und Iran, mit dem Ziel, den Aufstand hinauszuschieben.

Was hältst du denn von europäischen Projekten, die Frauenorganisationen unterstützen und Frauenhäuser aufbauen?

Für uns ist es sehr wichtig, dass die Frauenorganisationen selbstständig arbeiten und offizielle ausländische Hilfe auskommen. Das dient auch dem eigenen Schutz, da der Vorwurf gegen die NGO's immer lautet, dass sie von westlichen Geldern finanziert werden um das Regime zu stürzen. Das Problem der Frauenhäuser ist, dass sie keine Lösung darstellen. Die Familien wissen doch, wo sich die Frauen befinden, dann wird verhandelt und die Frau geht wieder zurück. Danach hört man nichts mehr von ihr. Eine Stärkung der Frauen, da wo sie sich befinden, ist viel sinnvoller.

Weitere Informationen zur 8. März Frauengruppe unter:
www.8mars.com

 

...Ende...

Was gelernt?!


Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Rassismus und Sexismus treten in der bürgerlichen Gesellschaft häufig zusammen und miteinander verschränkt auf. Im Gegensatz zu dem Rassismus und Sexismus der Kolonialzeit gibt es in der modernen bürgerlichen Gesellschaft Transformationen. Das Zusammenspiel hat sich verändert, die Verknüpfungen sind anders gelagert. Der koloniale Rassismus unterscheidet die Menschen bewusst bezüglich einer Existenz unterschiedlicher "Rassen." In einer moderneren Form argumentiert dieser Rassismus nicht mehr von der Überlegenheit angeblicher "Rassen", sondern mit der Unterschiedlichkeit oder Gegensätzlichkeit der Kulturen. Der multikulturalistische Diskurs z.B. geht diesbezüglich von einer natürlichen "Differenz der Kulturen" aus. Das dahinter stehende Weltbild schließt auch Sexualitätsbilder mit ein. Spätestens, wenn vom "gewalttätigen Araber, der eine unzivilisierte Patriarchalität ausstrahlt" oder von der "sexuell unterdrückten Türkin" die Rede ist, greift auch hier neben der kulturalistischen Abgrenzung der Unterdrückungsmechanismus sexueller Wertigkeit. Eine Ideologie der Multikulturalität, die Kultur als natürlich-differenzialistisch begreift, fördert überdies die entpolitisierte Wahrnehmung von Konflikten in den Gesellschaften, wobei für die Befürworter die rassistischen Bedingungen zur Trennung in "eigene" und "fremde" Kultur natürlich gar nicht erst zur Diskussion stehen.

So werden soziale Konflikte in kulturelle umgedeutet. Gesellschaftliche Widersprüche sind somit kein Terrain sozialer Kämpfe mehr, sondern Ausdruck vermeintlicher "kultureller Eigenheiten". Sozialen Kämpfen werden damit die Legitimitätsgrundlagen abgesprochen und Widerstand auf kulturelle Besonderheiten und Abweichungen reduziert und naturalisiert.

In der heutigen bürgerlichen Gesellschaft funktionieren Klassifizierungen und Machtstrukturen eher latent: Der rassistische Diskurs wird nicht mehr durch einfache Gegensätzlichkeiten zwischen "Schwarzen" und "Weißen" geschaffen, sondern produziert vielfältige sexuell-ethnisierende (z.B. genetische, phänotypische oder kulturelle) Zuschreibungen, die in komplexen Wechselverhältnissen zueinander stehen und in ihrer gegenseitigen Verschränktheit wirken. Rassistische Stereotype sind dadurch fast zwangsläufig sexualisiert und sexuelle Stigmata oftmals rassistisch aufgeladen. Eine feministische oder antirassistische Praxis muss demnach immer das jeweils andere Machtverhältnis mit einbeziehen.


Praxis?!

Unsere Positionierungen zu den Themenbereichen dieser Broschüre verlaufen nicht Widersprüche. Beispielsweise sind wir trotz Abgrenzungen von und Kritik an Konstruktionen von Zugehörigkeiten sehr auf den jeweiligen Kontext und das Vorzeichen der einzelnen Begriffe bedacht. Außer, dass Begriffe wie "Volk" oder "Rasse" in anderen Sprachen mit anderen Konnotationen verwendet werden (s. "people" oder "race"), müssen wir ebenso auf Eigenbezeichnungen von Gruppen oder historische Dimensionen Rücksicht nehmen.

Das bedeutet nicht, Eigenbezeichnungen unhinterfragt zu übernehmen, auch diese müssen wiederum je nach Kontext differenziert betrachtet werden. Selbstbezeichnungen von bestimmten Bevölkerungsgruppen dürfen nicht einfach von uns übernommen werden, da sie z.T. aus Schimpfworten genutzt und für sich selbst ins positive übersetzt werden. Z.B. wird "nigger" von Teilen der schwarzen Bevölkerung der USA selber genutzt, um dem Wort eine positive Bedeutung zu verleihen und es so aus dem Kontext der Unterdrückung zu nehmen. Ähnlich ist es bei dem Begriff "queer", der ursprünglich als diskriminierendes Wort für Lesben, Schwule und Transgender benutzt wurde und zum Teil heute noch mit dieser Bedeutung verwendet wird. In Deutschland und den USA wird er heute von der Transbewegung als Eigenbezeichnung genutzt, so dass er nicht mehr zur Unterdrückung eingesetzt werden kann - d.h. der Begriff wurde "dekonstruiert". "Nigger" allerdings wird von "Weißen" gegen "Schwarze" nach wie vor als diskriminierende Bezeichnung gebraucht, so dass für uns die Benutzung dieses Begriffs nicht zur Debatte steht. Denn der historische und gesellschaftspolitische Kontext ist hierbei ein völlig anderer: dieser gründet sich auf Kolonialismus und Sklaverei und wird durch weltweite Ausbeutung bis heute fortgesetzt. Somit wird auch das Verhältnis zwischen "uns" - denjenigen mit Machtmitteln und Ressourcen - und "denen" - den Unterdrückten - aufrechterhalten.

Andere Selbstbezeichnungen, die wir widersprüchlich betrachten, finden im Kontext von nationalen Befreiungsbewegungen statt. Als Gruppe mit explizit internationalistischem Anspruch entwickeln wir eine Haltung zu diesen Bewegungen, die in vielen Fällen grundsätzlich solidarisch geprägt ist. Denn wir verstehen uns als Teil einer weltweiten Linken, die sich den Zumutungen, existentiellen Bedrohungen und der Ausbeutung durch den Kapitalismus in konkreten Kämpfen entgegenstellt. Unsere Perspektive, die soziale Revolution, ist für uns nur im internationalen Maßstab denkbar. Bezugspunkt und Subjekt von Befreiung sind für uns alle Menschen, die wie wir innerhalb der ihnen gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen den Kampf gegen den Kapitalismus, das Patriarchat, nationalistischen Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus entwickeln wollen; für eine Gesellschaft in der die Herrschaft des Menschen über den Menschen überwunden ist. Dennoch zeigen wir uns nicht einfach "uneingeschränkt solidarisch", sondern erachten eine Diskussion u.a. zu den jeweiligen Konzepten von "Nation" oder "Volk" der entsprechenden Bewegungen als wichtig. Denn diese werden, wie bereits deutlich geworden sein müsste, in anderen Zusammenhängen als Mittel für Macht und Herrschaft eingesetzt.
Wir beziehen uns z.B. positiv auf die zapatistische Bewegung Mexikos, die von einem "Volks"begriff ausgeht. Diesen verstehen die Zapatistas allerdings anders als die bundesdeutsche radikale Linke: Sie meinen damit sich als Indigene mit einem bestimmten kulturellen Hintergrund im Speziellen und alle Marginalisierten der Welt im Allgemeinen. Die anerkannte konstruierte Identität als Indigene ist in diesem Fall wichtig für die Schaffung eines Bewusstseins in der Gesellschaft. Diese Identität setzen die Zapatistas als Mittel zum Kampf ein. Sie fordern ihre Rechte und die Rechte der ausgegrenzten Menschen der ganzen Welt ein. Sie müssen die Identität als Indigene erst annehmen, um den Kampf gegen sie als Indigene führen zu können. Die Zapatistas beziehen sich ebenso auf "Staat" und "Nation" - dennoch kann ihre Bewegung nicht als nationalistisch bezeichnet werden. Im Gegenteil, sie ist die größte internationalistische Bewegung Mexikos. Der Ausgangspunkt der Indígenas in Mexiko ist der, dass sie stets aus der konstruierten "Nation" ausgeschlossen wurden. Durch die Bezugnahme auf diesen Begriff verlangen sie nun Partizipation an sozialen, politischen und ökonomischen Prozessen - auf Grund von Bedürfnissen des täglichen Lebens.

Einen weiteren widersprüchlichen Schauplatz erfuhren wir während der "Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau" 2004. Auch Teile der Linken beriefen sich hierbei positiv auf das Konzept des "Volkes", was sich in der Parole "Das Volk sind wir!" ausdrückte. Verschiedene gesellschaftliche Situationen und unterschiedliche Diskussionsstände der Linken wurden an diesem Punkt sehr deutlich. Wenn Menschen sich gegen ausbeuterische oder unterdrückende Lebensverhältnisse wehren, ist dieser Protest nicht gleich fortschrittlich. Teile der radikalen Linken halten sich aus solchen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wie den Montagsdemonstrationen grundsätzlich raus, da sie die dortigen Kräfte als "nationalistisch" oder als "deutschen Volksmob" abstempeln. Damit soziale Bewegungen einen emanzipatorischen Charakter entwickeln können, braucht es unserer Meinung nach jedoch Kräfte, die solche Positionen hinein tragen und damit gesellschaftlich überhaupt wahrnehmbar machen. Wir suchen diese Auseinandersetzung in Bündnissen und auf der Straße, um die vorhandenen gesellschaftlichen Widersprüche zu zu spitzen. Somit haben wir uns trotz der fragwürdigen Ansätze an den Montagsdemonstrationen beteiligt, um u.a. eine Kritik an diesen Ansätzen in die Bewegung hinein zutragen.

Ein weiterer Bereich, den wir nicht widerspruchslos diskutiert haben, ist der der "Kultur". Im Sinne eines "Kulturkreises" oder einer ähnlichen Verwendung wie "Ethnie" lehnen wir diesen Begriff eindeutig ab. In einem anderen Kontext verstehen wir "Kultur" jedoch als einen Ausgangspunkt für Menschen, die sich mit gleicher Auffassung und gleichen Idealen zusammenfinden. Dieses Konzept ist offen für alle, die sich darunter fassen wollen. Es kommt für uns auf das Vorzeichen von Kultur an: eine "deutsche Kultur" verfolgt indirekt einen biologistischen Ansatz und schafft eine für uns abzulehnende Gemeinschaft. Wir weisen das "deutsche" beim Begriff der "deutschen Kultur" als Bezugspunkt zurück, da wir uns sowohl mit dem biologistischen, homogenisierenden Konstrukt als auch mit den historischen und politischen Dimensionen des "Deutschseins" nicht identifizieren können und wollen. Eine "antifaschistische Kultur" ist für uns jedoch ein eindeutig positiver Bezugspunkt, da es darauf ankommt, wie der Kulturbegriff inhaltlich gefüllt wird. Das gemeinschaftliche Gefühl, das bei diesen Bedeutungen eine Rolle spielt, ist für uns demnach nicht per se als negativ einzuordnen, sondern stärkt auch uns in unserem antifaschistischen, antisexistischen und antirassistischen Kampf.