Demonstratio in Bad Laterberg, 19.01.2008

"Kein ruhiges Hinterland für Neonazis!"

Über 700 Menschen beteiligten sich an einer überregionalen antifaschistischen Bündnisdemonstration am 19. Januar 2008 in Bad Lauterberg im Harz.

Auf dieser Seite findet ihr Berichte, Bilder und Presseartikel vom 19. Januar 2008. Unsere Mobilisierungsseite mit Hintergrundberichten findet ihr hier.

Unsere Presseerklärung vom 19.1.2008 und Medienberichte könnt ihr hier nachlesen.

Redebeiträge von verschiedenen Stationen der Demonstration könnt ihr hier nachlesen.

Bei der Anreise und während der Demonstration wurden mindestens 12 AntifaschistInnen von der Polizei "in Gewahrsam genommen", von zahlreichen GenossInnen wurden die Personalien festgestellt. Die Polizei erklärte, sie habe mehrere Strafverfahren eingeleitet. Mindestens 2 Strafverfahren wegen Landfriedensbruch sind bekannt. Betroffene melden sich bitte bei der Roten Hilfe Göttingen, c/o Buchladen, Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen. Mail: goettingen (at) rote-hilfe.de

Wir danken allen Genossinnen und Genossen, die uns bei der Vorbereitung und Durchführung der Demonstration unterstützt haben! Insbesondere den FreundInnen aus Braunschweig und Hannover, die sich um die Busorganisation aus ihren Städten gekümmert haben, der Göttinger Vokü-Gruppe, die die regnerischen Wartezeiten mit warmem Essen und Getränken erträglicher gemacht hat, der Roten Hilfe Göttingen, der Demonstrationsanmelderin und den Menschen aus den Dörfern und Kleinstädten im Südharz, die sich trotz des starken sozialen und politischen Drucks, der auf sie ausgeübt wurde, an der Demonstration beteiligt haben.

Bericht & Bilder | Politische Auswertung | Redebeiträge | Medienberichte |


Bad Lauterberg im Harz | 19. Januar 2008

An der überregionalen antifaschistischen Bündnisdemonstration in Bad Lauterberg beteiligten sich am 19.1.2008 über 700 Menschen. Ein großer Teil davon reiste mit insgesamt 7 Bussen an, davon 5 aus Göttingen, einer aus Hannover und einer aus Braunschweig. Aus der Südharz-Region nahmen vor allem viele Jugendliche teil. Aber auch antifaschistisch engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht von dem sozialen und politischen Druck, der in den letzten Wochen gegen sie aufgebaut wurde, beirren ließen. Die Demonstration bestand aus einem großen und entschlossenen Antifablock an der Spitze, viele andere TeilnehmerInnen trugen Fahnen der Gewerkschaft ver.di, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA oder der Partei Die.Linke.

Demospitze Bad Lauterbeg, 19.01.200 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008

Der Beginn der Demonstration fand durch gezielt verzögernde und teils illegale polizeiliche Vorkontrollen, sowie durch Ordnungsbehörde und Polizei erzwungene Verlegung der Auftaktkundgebung an den Waldrand erheblich verspätet statt. Dauernieselregen und ein sehr enges Polizeispalier verlangten den TeilnehmerInnen nasse Kleidung und große Selbstbeherrschung ab. Die massiven Polizeischikanen hatten offensichtlich das Ziel, interessierte BürgerInnen aus Bad Lauterberg von einer Beteiligung an der Demonstration abzuschrecken und "ein ruhiges Hinterland für Neonazis auch zukünftig gewaltsam aufrecht zu erhalten".

Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration Bad Lauterbeg, 19.01.200 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008

Trotz einer starken Einschränkung der ursprünglich angemeldeten Demonstrationsroute durch Ordnungsbehörden und Polizei, zog die Demonstration lautstark an veschiedenen Kneipen, Treffpunkten und Wohnungen der Neonaziszene vorbei. In Redebeiträgen wurden die Verantwortlichen für faschistische Propaganda, Angriffe gegen alternative und migrantische Jugendliche, sowie Bedrohungen gegen antifaschistisch engagierte BürgerInnen beim Namen genannt. An einer Polizeisperre, die den Zugang zum Nazitattooladen "Zettel am Zeh" in der Haupstraße versperrte, drängte die Demonstrationsspitze gegen die Polizeiketten, um deutlich zu machen, welches Verhältnis der Staat zu seinen Faschisten einnimmt. Wenige Meter hinter den sie behütenden Polizeiabsperrungen hatten sich 20 Faschisten im Tattooladen "Zettel am Zeh" verbarrikadiert und von hier aus JournalistInnen bedroht. Eine Sprecherin der A.L.I. rief dazu auf "[...] den Nazi-Tattooladen "Zettel am Zeh" und den Nazikonzertort "Odertaler Kutscherstuben" dicht zu machen". Unseren Redebeitrag dazu findet ihr hier .

Antifaschistische Demo Antifaschistische Demo Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008

Die Antifa-Sprecherin begrüßte in einem Redebeitrag am Kirchplatz, dass sich zwei Eigentümer von Geschäfts- und Wohnräumen in Bad Lauterberg, die bisher von Neonazis genutzt werden konnten, in den letzten Tagen deutlich von der Neonaziszene distanziert hatten. Außerdem kündigten die Eigentümer Konsequenzen gegenüber dem Pächter einer Spielhalle an, die als Nazitreffpunkt bekannt ist. Während der Demonstration wurden Grußbotschaften von AntifaschistInnen, die zur selben Zeit in Salzgitter und Magdeburg gegen dortige Naziaufmärsche vorgingen, verlesen.

Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008

An verschiedenen Orten erläuterte Bernd Langer (ehemals Antifaschistischer Arbeitskreis Bad Lauterberg) historische Begebenheiten, die die rote Tradition der Harzstadt als KPD-Hochburg vor dem deutschen Faschismus hervorhoben. Ein gemeinsamer Gang zum VVN-Gedenkstein für die Opfer von Faschismus und Krieg am Felsenkeller hinter dem Kurpark konnte auf Grund der Polizeischikanen nicht stattfinden. Mehr zur historischen Arbeit von Bernd Langer könnt ihr hier nachlesen. Die Offene Antifa an der Uni Hannover wendete sich in einem Redebeitrag gegen das jährlich in Bad Lauterberg stattfindende Kolonialistentreffen. Im Kurpark steht das kolonialistische Wissmann-Denkmal, auch eine Hauptverkehrsstraße ist nach dem Rassisten benannt.

Antifaschistische Demonstration vor Nazi-Spielothek in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration vor Nazi-Spielothek in Bad Lauterberg, 19.01.2008 Antifaschistische Demonstration in Bad Lauterberg, 19.01.2008
In einer ersten Presseerklärung vom 19.1.2008 bewertete die A.L.I. die TeilnehmerInnenzahl trotz widriger Bedingungen, den entschlossenen Charakter und den Verlauf der Demonstration als politischen Erfolg. "Alle, die anhand eines "Gewaltszenarios" Stimmung gegen unsere antifaschistische Initiative gemacht haben, behielten Unrecht. Sie müssen sich nun wieder der wesentlichen Frage zuwenden, nämlich was ihr Beitrag sein soll, um konkret gegen die erstarkenden Neonazistrukturen im Südharz vorzugehen", kommentierte die A.L.I.-Sprecherin die öffentliche Diskussion der letzten Wochen im Südharz. Bereits in unserem Aufruf haben wir angekündigt unsere Kampagne "Kein ruhiges Hinterland für Neonazis!" auch nach der Demonstration fortzusetzen. Unser Ziel ist es, die Kräfteverhältnisse im Südharz zugunsten von AntifaschistInnen zu verändern. Konkret geht es darum, ein Rock-gegen-Rechts-Konzert in Herzberg durchzusetzen, den Tattooladen "Zettel am Zeh" und die Gaststätte "Odertaler Kutscherstuben" zu schließen.


Demospitze Bad Lauterbeg, 19.01.2008

Auswertung der überregionalen antifaschistischen Bündnisdemonstration‭ "‬Kein ruhiges Hinterland für Neonazis‭!" ‬am‭ ‬19.‭ ‬Januar‭ ‬2008‭ ‬in Bad Lauterberg im Harz

Am‭ ‬19.1.2008‭ ‬demonstrierten über‭ ‬700‭ ‬AntifaschistInnen gegen Neonazistrukturen in Bad Lauterberg im Harz.‭ ‬Diese Demonstration wurde politisch getragen von einem Bündnis aus über‭ ‬20‭ ‬antifaschistischen Organisationen,‭ ‬Initiativen und Einzelpersonen.‭ ‬Initiiert wurde die Kampagne‭ "‬Kein ruhiges Hinterland für Neonazis‭!" ‬von der Antifaschistischen Linken International A.L.I.‭ ‬aus Göttingen.‭ ‬Wir bewerten diese Initiative im Rückblick als politischen Erfolg.

Die Demonstration war ein Schritt nach vorn,‭ ‬weil über die bisherigen wichtigen Formen der antifaschistischen Aufklärungs-‭ ‬und Kulturarbeit im Südharz hinausgegangen wurde.‭ ‬Trotz massiver Beschränkungen der ursprünglich geplanten Demonstrationsroute zog die Demo an Kneipen,‭ ‬Wohnungen und Treffpunkten der Neonaziszene in Bad Lauterberg vorbei und nannte die Verantwortlichen für Übergriffe und faschistische Propaganda beim Namen.‭ ‬Gegen Neonazis,‭ ‬die meinten,‭ ‬sich am Rande der Demo aufhalten zu müssen,‭ ‬konnte zum Teil direkt vorgegangen werden.‭ ‬Gegenüber der Neonaziszene und ihren UnterstützerInnen im Südharz war diese Demonstration damit ein Signal antifaschistischer Handlungsfähigkeit,‭ ‬das auch als solches verstanden wurde.‭ ‬Zwei Eigentümer von Immobilien drohten eine Kündigung des Mietvertrages mit der Spielhallenfirma Leinemann an,‭ ‬sollte die von ihr betriebene Spielothek in der Hauptstraße‭ ‬118‭ ‬weiterhin als Neonazitreffpunkt genutzt werden können.‭ ‬Die Firma Leinemann kündigte eine Überprüfung ihres Personals auf Kontakte zur Neonaziszene an.‭ ‬Es gibt Anzeichen,‭ ‬dass sich einzelne aktive FaschistInnen aufgrund des entwickelten Drucks von der Neonaziszene distanzieren.‭ ‬Die hektischen Anmeldungen von Neonaziveranstaltungen am‭ ‬18.‭ ‬und‭ ‬19.1.2008‭ ‬deuten darauf hin,‭ ‬dass die Demo als Stoß ins Wespennest wirkte.‭ ‬Die Veranstaltung und Kundgebungen,‭ ‬die das Ziel gehabt haben dürften,‭ ‬die antifaschistische Mobilisierung nach Bad Lauterberg zu schwächen,‭ ‬konnten in Göttingen verhindert und ihnen in Goslar und Salzgitter mit antifaschistischen Protesten begegnet werden.

An der Demonstration beteiligten sich deutlich mehr Menschen,‭ ‬als von uns zuvor erwartet.‭ ‬Besonders freuen wir uns über die Beteiligung von über‭ ‬250‭ ‬Menschen,‭ ‬die in den Kleinstädten und Dörfern der Südharz-Region leben,‭ ‬unter ihnen vor allem viele Jugendliche.‭ ‬Für viele AntifaschistInnen aus der Region war eine wichtige Voraussetzung zur Unterstützung und Beteiligung,‭ ‬dass es aus der Demonstration heraus nicht zu Angriffen und zu keiner Eskalation mit der Polizei kommen sollte.‭ ‬Wir haben uns an unsere Aussagen im zuvor veröffentlichten Demonstrationskonzept gehalten.‭ ‬Um so absurder mutet die Gewalt-Hetze in den Tagen vor dem‭ ‬19.1.2008‭ ‬an,‭ ‬insbesondere weil diese nicht nur von konservativen Kräften betrieben wurde,‭ ‬sondern auch von bürgerlichen Antifaschisten,‭ ‬mit denen wir zuvor vertrauensvoll zusammengearbeitet haben.‭ ‬In Bezug auf die Bündniskonstellation im Südharz hatten wir damit eine Fehleinschätzung.‭ ‬Polarisierungen und Brüche fanden nicht außerhalb,‭ ‬sondern inmitten des Bündnisses Bunt statt Braun im Landkreis Osterode statt.‭ ‬Hier erkennen wir Grenzen unseres bisherigen Ansatzes antifaschistischer Bündnisarbeit.‭ ‬In Anbetracht des Drucks,‭ ‬der auf den antifaschistischen Kräfte vor Ort lastete,‭ ‬war der Zeitpunkt für die Demonstration möglicherweise zu früh gewählt.‭ ‬Wir gehen aber heute davon aus,‭ ‬dass diese Brüche früher oder später entstanden wären.‭ ‬Denjenigen bürgerlichen Antifaschisten,‭ ‬die zwei Wochen vor dem‭ ‬19.1.2008‭ ‬gegen unsere Initiative vorgegangen sind,‭ ‬geht es um einen staatstragenden Antifaschismus‭ ‬-‭ ‬um eine antifaschistische Bewegung Antifa.‭ ‬Innerhalb dieses politischen Konfliktes wurden am‭ ‬19.1.2008‭ ‬Fakten geschaffen:‭ ‬Die radikale Linke,‭ ‬mit ihrem Ansatz des konfrontativen Antifaschismus,‭ ‬gehört auch im Südharz zu den Akteuren,‭ ‬an denen man nicht mehr vorbei kann.

In aller Deutlichkeit haben Ordnungsbehörden,‭ ‬niedersächsisches Innenministerium und die Polizei erneut klargestellt,‭ ‬welche Haltung sie gegenüber den Faschisten einnehmen.‭ ‬Schon Wochen vor der Demonstration in Bad Lauterberg haben Agenten des niedersächsischen Verfassungsschutzes und Beamte politischer Polizeien antifaschistisch engagierte BürgerInnen unter Druck gesetzt und bedroht.‭ ‬Der Polizeieinsatz am‭ ‬19.1.2008‭ ‬hatte das Ziel,‭ ‬den Demonstrationsbeginn und‭ ‬-verlauf zu behindern,‭ ‬BürgerInnen von einer Beteiligung abzuhalten und für die Neonazis auch an diesem Tag‭ "‬ein ruhiges Hinterland‭" ‬gewaltsam aufrecht zu erhalten.‭ ‬Wir haben nicht mit einem derart weitgehenden politischen und massiven Polizeieinsatz gerechnet.‭ ‬Wir hätten uns besser vorbereiten müssen,‭ ‬um die Demonstration vor den behindernden und gängelnden Auflagen und Polizeimaßnahmen zu schützen.‭ ‬Zugleich hätten wir das Problem der Aufrüstung des Polizeistaates politisch noch mehr in den Fokus der Kritik stellen müssen.

Mit der Demonstration wurde ein wichtiger strategischer Vorzeichenwechsel antifaschistischer Politik in Göttingen vollzogen.‭ ‬In den letzten Jahren beschränkte sich unsere Anti-Nazi-Arbeit auf eine reaktive Politik gegenüber den Neonaziaufmarschversuchen in der Stadt.‭ ‬Um aus der Abwärtsspirale‭ "‬marginale Nazistrukturen melden Aufmarsch an‭ ‬-‭ ‬Polizeistaat marschiert auf‭ ‬-‭ ‬wir demonstrieren Stärke‭" ‬herauszutreten,‭ ‬ist es wichtig,‭ ‬die Initiative zurückzugewinnen und den Neonazistrukturen dorthin nachzusetzen,‭ ‬wo sie ihre Strukturen organisieren‭ ‬-‭ ‬ihnen‭ "‬kein ruhiges Hinterland‭" ‬zu lassen.‭ ‬Dabei war es uns wichtig die konkreten gesellschaftlichen Bedingungen vor Ort,‭ ‬die die rechte Dominanz hervorbringen,‭ ‬zu berücksichtigen.‭ ‬Unser Ziel bleibt es,‭ ‬Veränderungen der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu unterstützen,‭ ‬damit sich linken antifaschistischen Kräften im Südharz größere Handlungsmöglichkeiten eröffnen.‭ ‬Dass sich so viele Menschen,‭ ‬auch spektrenübergreifend,‭ ‬an diesem Vorgehen beteiligt haben,‭ ‬macht einen Teil des Erfolges der Demonstration am‭ ‬19.1.2008‭ ‬aus.‭ ‬Allein aus Göttingen starteten fünf Reisebusse in den Südharz,‭ ‬aus Braunschweig und Hannover jeweils einer.

Wir gehen davon aus,‭ ‬dass die Neonazistrukturen im Südharz noch nicht auf dem Höhepunkt ihrer Ausbreitung und Aktivitäten angelangt sind.‭ ‬Wir erwarten weitere Provokationen und faschistische Übergriffe gegen alternative und migrantische Jugendliche,‭ ‬sowie gegen antifaschistisch engagierte BürgerInnen.‭ ‬Sollte es zu solchen faschistischen Angriffen kommen,‭ ‬werden wir unsere FreundInnen und GenossInnen im Südharz nicht alleine lassen,‭ ‬sondern rufen dazu auf,‭ ‬sich auch aus Göttingen dazu zu verhalten.

Um die neofaschistischen Strukturen und die‭ "‬schwarz-braunen‭" ‬gesellschaftlichen Verhältnisse,‭ ‬die sie begünstigen,‭ ‬weiter zurück zu drängen,‭ ‬schlagen wir die Bündelung der antifaschistischen Kräfte auf zwei Kampagnenziele vor:

-‭ ‬Die Schließung des Nazitattooladens‭ "‬Zettel am Zeh‭" ‬in der Hauptstraße‭ ‬175‭ ‬in Bad Lauterberg.‭ ‬Der Nazitattooladen ist die exponierteste Adresse,‭ ‬an der die Faschisten offen ihre Strukturen organisieren,‭ ‬Geld verdienen und Nachwuchs rekrutieren.‭ ‬Eine Schließung mit verschiedenen Mitteln zu erzwingen ist realistisch und würde den Rückbau von Strukturen für die Faschisten markieren.

-‭ ‬Die Durchsetzung eines‭ "‬Rock gegen Rechts‭"‬-Konzertes in Herzberg.‭ ‬Auf persönliches Betreiben des Herzberger CDU-Bürgermeister Gerhard Walter bleibt ein‭ "‬Rock gegen Rechts‭"‬-Konzert bisher unmöglich,‭ ‬zugleich hatte der Auftritt Walters beim NPD-Landesparteitag am‭ ‬15.4.2007‭ ‬in Herzberg-Scharzfeld keine deutlichen Konsequenzen für den Ex-Polizisten.‭ ‬Ziel des Konzertes ist es,‭ ‬eine antifaschistische Jugendkultur zu stärken und zugleich die rechtskonservativen Kräfte im Südharz in den Fokus der Kritik zu rücken.

Keine Geschäfte mit Faschisten‭! ‬Nazitattooladen‭ "‬Zettel am Zeh‭" ‬dicht machen‭!

Für eine starke antifaschistische Kultur‭! "‬Rock gegen Rechts‭"‬-Konzert in Herzberg durchsetzen‭!


Redebeiträge

Redebeitrag der A.L.I. an der Polizeisperre am Postplatz, Bad Lauterberg

“Rechts von uns in der Hauptstraße 175 befindet sich der Nazitattooladen “Zettel am Zeh”. Polizei und Ordnungsbehörden nehmen hier und heute einmal mehr jene Rolle ein, die wir zum Erbrechen von ihnen kennen. Sie schützen die Faschisten! Die Polizeibeamten, die hier heute stehen sorgen dafür, dass der die Faschisten aus dem Nazitattooladen “Zettel am Zeh” auch heute ungestört und in Ruhe ihren Geschäften nachgehen können. Das “ruhige Hinterland” für Neonazis fällt nicht einfach so vom Himmel, sondern wird hervorgebracht durch ein gesellschaftliches Klima des Wegschauens, Verschweigens und heimlichen Beifallklatschen. Genau dieses schwarz-braune gesellschaftliche Klima im Südharz und hier in Bad Lauterberg, wird vor uns durch die Polizei auf den Punkt gebracht. Doch schauen wir einmal ein wenig genauer hin: Welche Rechtsgüter erfordern es, 800 bewaffnete Polizeibeamtinnen in diesen beschaulichen Harzort zu karren?
Im April letzten Jahres wurde ein 14-jähriger Jugendlicher von erwachsenen Faschisten mit Dachlatten verprügelt. Der Grund: Der Jugendliche hatte keinen Bock mehr auf die Neonaziszene, er hatte sich zuvor häufig hinter dieser Polizeisperre im Nazitattooladen “Zettel am Zeh” aufgehalten. Im Sommer letzten Jahres wurde ein Jugendlicher auf der Straße direkt gegenüber des Naziladens zusammengeschlagen. Der Grund: Er habe die falsche Musik gehört. Der Nazitattooladen “Zettel am Zeh” ist ein wichtiger Treffpunkt für die regionale Neonaziszene. Faschistische Kader wie der NPD-Stadtrat Michael Hahn gehen hier ein und aus, Jugendliche aus rechten Milieus werden hier eingebunden und rekrutiert. Die Betreiber des Ladens Jan Sedlack und Oliver Keudel machen hier Geschäfte und verdienen mit rechtem Lifestyle und dem Soundtreck zu Mord und Todschlag ihr Geld. Von hier aus werden Angriffe vorbereitet und wie eingangs dokumentiert auch durchgeführt.
Liebe Antifaschisten und Antifaschisten! Auch wenn wir heute nicht vor dem Nazitattooladen vorbeiziehen werden, haben wir uns für die Zukunft ein Ziel gesetzt. Dieser Nazishop verschwindet hier! Tattooladen “Zettel am Zeh” dicht machen”


Redebeitrag des Alevitischen Kulturvereins im Landkreis Osterode während der Auftaktkundgebung in der Lutterstraße

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter im antifaschistischen Kampf!
(...) Wir sind heute hier in Bad Lauterberg versammelt, um den Faschisten eine Sache ganz glasklar zu machen: Bis hierhin und nicht weiter! Wir sind hier. Und wir können jederzeit wiederkommen! Vergesst euren Plan, Bad Lauterberg und den Südharz zur faschistischen Festung zu machen! An uns kommt ihr nicht vorbei! Noch niemals zuvor ist es in unserem Landkreis gelungen, ein so breites und schlagkräftiges Bündnis zu mobilisieren. Von den einzelnen Gruppen der Antifaschistischen Aktion über den alevitischen Kulturverein und das Bürgerbündnis Bunt statt Braun bis hin zu gewerkschaftlich organisierten Mitstreitern, den Bündnisgrünen und natürlich der Neuen Linken -- alle sind dabei. Wir haben unterschiedliche Sichtweisen. Wir haben unterschiedliche Politikansätze. Wir haben unterschiedliche kulturelle Gepflogenheiten. Aber uns eint das gemeinsame Ziel: Nieder mit dem Faschismus -- hier und überall! Die NPD versteckt ihre brutale und menschenverachtende Weltanschauung gern hinter aalglatten Biedermannmasken. Die Wahrheit ist: Gemeinsam mit den gewaltbereiten Nazi-Kameradschaften organisiert sie den faschistischen Terror. Diesen Terror gibt es nicht nur in den Geschichtsbüchern. Er ist allgegenwärtig. Auch hier, im Landkreis Osterode. Auch hier, vor unserer Haustür, werden MigrantInnen und AntifaschistInnen bedroht, überfallen und terrorisiert. Es ist gerade mal ein Jahr her, als ein großer Backstein durch die Glastür unseres Vereinshauses in Herzberg flog. Wahrscheinlich sind die braunen Verbrecher davon ausgegangen, dass unsere Mitglieder -- also Türken und Kurden - anwesend sein würden. Zum Glück war aber keiner da. Wäre jemand drin gewesen, hätte es Verletzte oder sogar Tote geben können! Aber, liebe MitstreiterInnen, vor allem auch als Kurde weiß ich, was faschistischer Terror bedeutet. Vor kaum 2 Jahren ist mein geliebter Neffe in der Türkei von einem faschistischen Killerkommando ermordet -- nein, ich muss sagen: massakriert - worden!
Lasst uns gemeinsam Seite an Seite dafür kämpfen, dass so etwas in Deutschland unmöglich gemacht wird. Nirgendwo anders in Niedersachsen sind so viele Nazikader in einer einzelnen Stadt konzentriert wie in Bad Lauterberg. Es geht nicht nur um die NPD-Kandidaturen für den Landtag. Nicht weit von hier, in Fretterode in Thüringen, wurden bei Thorsten Heise im Oktober 2007 von der Polizei Schusswaffen beschlagnahmt: eine Pistole, eine Maschinenpistole und ein Maschinengewehr!
Das, liebe Genossinnen und Genossen, ist organisierter und bewaffneter Terror!
Lasst uns gemeinsam das Faschistenpack und die braunen Terroristen vertreiben! Aber: Dazu brauchen wir keine Gewalt! Heute nicht und auch in Zukunft nicht! Wir lassen uns nicht dazu hinreißen, Gewalt anzuwenden. Nicht gegen Sachen und schon gar nicht gegen Menschen. Wir haben andere Waffen. Unsere gemeinsame Front, unsere Entschlossenheit und unsere Solidarität sind die Waffen, mit denen wir Hahn, Steckel, Schleetz, Triebel, Annett und Michael Müller und alle anderen faschistischen Drahtzieher aus Bad Lauterberg vertreiben werden.
Ich appelliere an alle Genossinnen und Genossen: Bleibt bitte friedlich! Nur gewaltlos werden wir das Vertrauen der Menschen gewinnen.
Jetzt und in Zukunft. Auch die kleinste Gewaltanwendung würde die antifaschistische Bewegung in unserem Landkreis unglaubwürdig machen und wäre ein Punktsieg für die Faschisten. Lasst das nicht zu. Helft mit und lasst uns gemeinsam siegen!


Redebeiträge von Bernd Langer (ehemals Antifaschistischer Arbeitskreis Bad Lauterberg)

Freunde und Freundinnen, Genossinnen und Genossen,

Allen Unkenrufen zum Trotz sind wir heute wieder da! 1982, 1994, 1995 und 2008 – diese Demonstrationen stellen einen Traditionszusammenhang dar – und nicht aufgezählt die vielen Veranstaltungen, die ebenfalls in dieser Stadt durchgeführt worden sind. Auch wenn wir weiterhin vom Großteil der Bevölkerung ignoriert werden sollten und hier lieber die NPD gewählt wird als der Antifa Sympathie entgegengebracht. Wir sind eine politische Bewegung, wir haben eigene Inhalte und gewachsene politische Biografien.
Viele gute Leute kamen und kommen von hier, deshalb gilt:
Wir waren immer hier und werden immer hier sein – Es gibt kein ruhiges Hinterland!
Wir lassen uns auch nicht an den Rand drängen von Volksfrontpolitikern in den Gewerkschaften und anderen Organisationen. Wir sind ein maßgeblicher Teil der Antifa-Bewegung. Wer meint, uns ausgrenzen zu müssen oder können, hat Wesentliches nicht begriffen:
Es gibt keine antifaschistische Bewegung Antifa!

Antifaschistischer Kampf bedeutet für uns nicht, dass alles gut ist, wenn die NPD verboten wird und die Menschen nur noch CDU, SPD oder die Grünen wählen. Wer mit und in Parteien die Welt verändern will, der soll dies tun. Doch für uns ist antifaschistischer Kampf eine Überzeugung, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, Jahrzehnte, unser Leben lang, der Kampf ums Ganze, verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, außerparlamentarisch und wenn nötig auch militant. Man kann uns nicht wählen, aber man kann mitmachen, sich einbringen!
Deshalb: Es lebe die Antifaschistische Aktion!
Die Rote und die schwarze Front sind wir!



Redebeitrag von Bernd Langer am Postplatz

Hier, wo wir jetzt stehen, sammelten sich am 14. April 1932 die Kommunisten und unorganisierten Linken Bad Lauterbergs, verstärkt durch Genossinnen und Genossen aus der Region. Es war der Tag, an dem die Nazis zum ersten Mal versuchten, eine Demonstration in diesem Ort durchzuführen.
Zum Verständnis des Geschehens ein paar Worte zur damaligen Situation: In Niedersachsen besaß die KPD drei Hochburgen: Hannover/Linden, Braunschweig/Stadt und Bad Lauterberg.
Aufgrund ihrer Analyse bestimmte die KPD 1930 Braunschweig zum Zentrum und Ausgangspunkt für ihre weitere politische Offensive.
Braunschweig war ein Freistaat, in dem am 15. September 1931 Dietrich Klagges (NSDAP) den Posten des Ministerpräsidenten übernahm.
Nicht umsonst fand am 11. Oktober 1931 ein großes Treffen von NSDAP, DNVP und Stahlhelm in Bad Harzburg, das zum Freistaat Braunschweig gehörte, statt. Die „Harzburger Front“ wurde verkündet, ein Versuch der rechtskonservativen Kräfte, Hitler in eine Koalition mit ihnen zu binden. Nur widerwillig und aus taktischen Gründen nahm Hitler an diesem Treffen teil. Es hatte denn auch keine großen Auswirkungen und zerbrach bald wieder.

Hitler will keine Koalitionen, er will die ganze Macht für sich und seine NSDAP. Schon eine Woche nach Bad Harzburg findet deshalb in Braunschweig der Aufmarsch der 100.000 statt. Die SA-Gruppe Nord marschiert am 17./18 Oktober 1931 mit 104 000 SA- und SS-Männern auf. Außer markigen Reden und Standartenweihen ist eine Demonstration durch die Braunschweiger Arbeiterviertel geplant. Gemeinsam mit der Polizei brechen die Faschisten in die Viertel ein. Es kommt zu Straßenschlachten, die zwei Tote und 61 Verletzte auf Seiten der Antifaschisten fordern. Nachdem sich die Nazis auf der Straße durchgesetzt haben, gelingt ihnen der Sieg im Parlament.
Am 25. Februar 1932 ernennt die Regierung von Braunschweig Adolf Hitler zum Regierungsrat in Berlin. Dadurch erhält er die deutsche Staatsbürgerschaft und kann jetzt als Spitzenkandidat der NSDAP auftreten.
Nach ähnlichem Muster gehen die Nazis in Hannover vor. Bis April 1932 gibt es nur noch eine Stadt in der Region, in der sie noch nicht marschiert sind: Bad Lauterberg.
Hier hält die KPD ihre stärkste Bastion in Niedersachsen (damals Südhannover). An diesem Ort, der damals knapp 7000 Einwr zählt, hat die Partei mehr als 400 eingeschriebene Mitglieder, besitzt ein Parteibüro und hauptamtliche Mitarbeiter. Bei den Wahlen ist ihr Stimmenanteil so hoch wie im roten Wedding in Berlin und überflügelt die SPD. „Klein Berlin“ wird Bad Lauterberg in dieser Zeit genannt.

1932 sind die Nazis in der Stadt zu schwach, um eine Demonstration durchzuführen. Sie müssen alle Stürme aus der Region mobilisieren, wenn sie sich durchsetzen wollen.
Wenige Schritte von hier entfernt, im heutigen Hotel Riemann, damals das Schützenhaus und Sturmlokal der NSDAP, sammelte sich die SA aus nah und fern. Alles vollzieht sich unter starkem Polizeischutz, die Antifaschisten können die Versammlung nicht verhindern. Außer verbalen Pöbeleien ist keine Aktion möglich. So marschieren die braunen Kolonnen, legitimiert durch die Gesetze der parlamentarischen Demokratie, geschützt durch die Polizei und angeführt von einem Musikzug los, erst die Promenade hinauf bis zur Maschinenfabrik Kuhlmann, und dann zurück. Ihr Ziel: über die Hauptstraße durch das Zentrum der Stadt marschieren und damit der Region und den Antifaschisten zeigen, dass jetzt die NSDAP das Sagen hat.
Hier am Postplatz, formieren sich die Antifaschisten.
Polizei und SA, die in die Stadt marschieren, können den Platz nicht einsehen - ein taktischer Vorteil, noch dadurch verstärkt, dass hier zwei riesige, mannshohe Stapel gebrannten Knüppelholzes, unschuldig aufgebaut, zum normalen Straßenbild zählen. Kurz bevor die Wissmannstrasse von der Hauptstraße abzweigt, vor dem damaligen Haus des Julius Höche, musste die Entscheidung fallen.
Alle wissen, worum es geht – und was ihnen bevor steht: Eine Straßenschlacht mit Polizei und SA. Es wird Verletzte und es kann Tote geben. Verhaftungen sind einzuplanen und sicher werden einige vor Gericht gestellt. Doch das darf jetzt keine Rolle spielen.
Links und rechts der Straße stellen sie sich auf: Kommunisten, unorganisierte Linke und aufrechte Menschen. Dazwischen Mitglieder des Kampfbundes gegen den Faschismus und des illegalen Roten Frontkämpferbundes. Aktionsbereit. Die Polizeispitzel werden von ihnen an den Rand des Geschehens gedrängt.
Von fern kündigt sich die Nazi-Demonstration durch die Klänge der Musik an. Dann sind sie zu sehen: die Hakenkreuzfahne flattert über dem Zug. Diese Fahne muss fallen!
Jetzt treten Kommunisten auf die Straße: Einer ruft: „Was haben wir?“. Die Masse antwortet „Hunger!“ - „Was wollen wir?“ „Freiheit und Brot!“
Wie Hiebe gehen diese Sprechchöre durch die Reihen von SA und Polizei. Das organisierte Proletariat stellt sich ihnen in den Weg. Doch sie marschieren weiter, wissen die gesamte brutale Staatsmacht hinter sich. Wenige Schritte später ist der Nazi-Aufmarsch links, rechts und von vorn eingekeilt. Sprechchöre, Beschimpfungen... Jetzt muss schnell und entschlossen gehandelt werden. Im Nu ist das Knüppelholz in den Händen der Antifaschisten und alle gleichzeitig...
Der Fahnenträger wird angesprungen, wankt, muss die Fahnenstange zu seiner Verteidigung einsetzen und kommt gerade so davon. Im Tumult taucht ein Fuhrwerk aus dem Wald mit zwei Kühen davor auf, Der Fuhrmann ruft: „Hier han je meine Biele“. – „Hier habt ihr meine Beile.“
Die Schlägerei dauert nur kurze Zeit, dann gelingt es der Polizei, die mit Gewehren mit aufgepflanzten Bajonetten agiert, die Oberhand zu gewinnen. Etliche Verletzte, auch einige Schwerverletzte gibt es. Verhaftungen und entsprechende Prozesse folgen.

Was trotzdem erreicht wurde, was alle sehen können: die Nazis kommen nicht durch. Ihr Zug ist zerschlagen. Unter Polizeischutz geht es vor das Schützenhaus und geschlagen nach Hause.

Bad Lauterberg wurde somit zu einem Symbol für entschlossenen und militanten, antifaschistischen Widerstand. Aber es war eben nur Bad Lauterberg. Braunschweig, Hannover, Berlin – in den großen Städten fiel die Entscheidung.

Die Rache der Nazis sollte furchtbar sein. Gegen die Machtübertragung im Januar 1933 versuchten die Kommunisten in Bad Lauterberg, einen Generalstreik zu inszenieren. Was anderen Ortes nicht gelang, schaffte die KPD zumindest in Ansätzen wiederum hier. Doch die Streikaktionen in einer kleinen Harzstadt konnten keine große Kraft entfalten. Nach wenigen Tagen brach der Streik in sich zusammen. Es kam zu mehreren Verhaftungswellen und am 19. September 1933 zur größten Razzia, die jemals im Landkreis Osterode stattgefunden hatte. Allein bei dieser Aktion gab es mehr als 200 Festnahmen. SA als Hilfspolizei, der Bürger als Denunziant: es begann ein Kesseltreiben gegen die Antifaschisten wie in kaum einer anderen Stadt. Doch erst 1934 gelang es der Gestapo, den Widerstand hier zu zerschlagen.
Die Niederlage für die Kommunisten in Deutschland war total und endgültig. Es gelang lediglich unter großen Opfern, kleine illegale Zirkel aufrecht zu erhalten.


Redebeitrag von Bernd Langer in der Hauptstraße: "Befreiungsmythos – 300 good Boys"

Ähnlich wie der Antifaschismus heute zu einer staatstragenden Anschauung umgedeutet wird, gilt seit 1990 in der Bundesrepublik 1945 als das Jahr der Befreiung. Vor 1989 sprach man in der alten BRD vom Tag der Niederlage, der Kapitulation oder dem Kriegsende. Von Befreiung sprachen die DDR und einige kommunistische Splittergruppen. Befreiung war somit ein ideologischer Begriff. Er fußte auf der marxistisch oder besser leninistischen Anschauung, dass der Kapitalismus sich in der letzten Phase seiner Existenz in den Imperialismus wandelt und dann vom Sozialismus bzw. Kommunismus abgelöst wird. Faschismus ist demnach die letzte und schärfste Form imperialistischer Herrschaft.
Der Krieg zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion wurde als Ringen dieser Ideologien interpretiert, wobei sich die Sowjetarmee als Befreierin der von ihr von der deutschen Besatzung entsetzen Ländern sah. Dort folgte sogleich die Konstituierung eines realsozialistischen Regimes.
Die westlichen Alliierten sahen das weit weniger theatralisch. Sie führten Krieg gegen das NS-Reich und seine Verbündeten. Der offizielle Orden der US-Armee für den Sieg über NS-Deutschland nennt sich „Army of Occupation“, was sich nur schwerlich mit „Befreiungsarmee“ übersetzen lässt.
Befreit von der Besatzung der faschistischen deutschen Wehrmacht wurden Länder wie Frankreich, Holland, Belgien. Befreit wurden die Häftlinge in den Konzentrationslagern und Gefängnissen. Aber Deutschland an sich?
Um fast jeden Meter Boden wurde bis zum letzen Moment gekämpft, jedes Pisskaff verteidigt, Kriegsversehrte und Kinder in den Kampf gejagt, sogenannte „Wunderwaffen“ eingesetzt.
Dieses als „Endkampf“ glorifizierte letzte Kapitel des II. Weltkrieges in Europa wird heute vielerorts von Neonazis als Identifikationspunkt genutzt. Besonders im Harz wurden in den letzten Jahren am Volkstrauertag entsprechende Veranstaltungen von NPD und Kameradschaften an deutschen Soldatengräbern durchgeführt. Ein Anziehungspunkt war diesbezüglich der Bergfriedhof in Bad Lauterberg. Warum?
Nach den Bombardierungen der Rüstungszentren wurden Teile dieser Industrie in den Harz umgesiedelt. Die Produktion solcher „Wunderwaffen“ wurde unterirdisch im KZ-Mittelbau Dora bei Nordhausen und Langenstein-Zwieberge vorangetrieben.
Mitten im Krieg entstand im Harz unter Federführung der SS ein riesiger, hochmoderner Rüstungskomplex. Anfang 1945 holte die Realität die NS-Rüstungsexperten ein, die Produktion musste nach und nach eingestellt werden. Eine Kapitulation erfolgte nicht.
In Todesmärschen wurden die KZ-Häftlinge über den Harz gehetzt. Am 8. April 1945 erklärte die NS-Führung den Harz gar zur Festung. Eine letzte Front gegen die US-Armee sollte entstehen und die modernen Rüstungsschmieden geschützt werden. Es wurde ein kurzer, aber dennoch sehr blutiger Kampf: Am 10. April begann der amerikanische Angriff, am 21. April ergaben sich die letzten deutschen Einheiten in den Wäldern bei Blankenburg. - Die Geschichte der „Festung Harz“ endete nach ganzen 13 Tagen!
Zu den wenigen Orten, an denen der amerikanische Vorstoß tatsächlich aufgehalten wurde, zählte Bad Lauterberg.
Der Kampfauftrag einiger deutscher Fallschirmjägereinheiten lautete, die Stadt möglichst lange zu halten. Bei Bad Lauterberg, im Odertal, war schon vor dem Krieg mit der Errichtung der „Schickert-Hallen“ begonnen worden. In Bad Lauterberg befand sich die größte Produktionsanlage für Treibstoffe für Torpedos, Düsentriebwerke und die V2. Diese Werke durften laut Befehl nicht zum Kampfschauplatz werden, um sie sich so lange wie möglich zu erhalten.
Von Bartolfelde über den Butterberg kommend, griffen die Amerikaner die Stadt in der Nacht vom 11. zum 12. April 1945 an. Stundenlanges Artilleriefeuer ging dem Einsatz voraus. Die „Timberwolves“, wie sich die US-Infanteristen nach ihrem Abzeichen selbst nannten, nahmen in verlustreichen Kämpfen bis zum 13. April den Großteil der Stadt ein. Dann trat eine kurze Feuerpause ein, weil eine Abordnung der Zivilbevölkerung den deutschen Kommandanten zur Aufgabe bewegen wollte. Doch Ritterkreuzträger Berneicke lehnte ab.
Nach der Wiederaufnahme der Kampfhandlungen drängten die Amerikaner die Fallschirmjäger Richtung Luttertal ab. Der sinnlose militärische Widerstand wurde fortgesetzt. Unweit dieser Stelle, an der wir uns befinden, schoss ein Fallschirmjäger einen „Sherman“-Panzer mit einer Panzerfaust ab und am steil ansteigenden Hausberg vor uns fielen noch einmal viele US-amerikanische Soldaten im Feuer erhöht liegender MG-Nester. Zu diesem Zeitpunkt drohten aus Richtung der Geraden Lutter amerikanische Truppen von Sieber her den Deutschen in den Rücken zu fallen. Im letzten Moment befahl der Kommandant am 14. April um 17.00 Uhr den Abzug in Richtung Braunlage. Nur knapp entging er der Gefangenschaft.
Die Kämpfe um die Stadt waren beendet. Vorsichtig tasteten sich die US-Truppen ins Odertal vor, dass ein weiterer Schuss fiel. Die Schickert-Werke fielen ihnen unbeschädigt in die Hände. In den drei Tagen, vom 12. bis 14. April, waren nach der offiziellen Statistik 75 Zivilpersonen ums Leben gekommen und 34 deutsche Soldaten in den Kämpfen gefallen. Etwa 50 Wohnhäuser waren abgebrannt, zerschossen oder schwer beschädigt. Wie viele US-amerikanische Soldaten ihr Leben lassen mussten, ist unbekannt. Eine Schätzung geht von 300 Gefallenen aus.

Es wird wichtig sein, den faschistischen Mythos um die „Festung Harz“ zu entzaubern. Sonst wird ein sinnloses Gemetzel in einen Heldenkampf umgedeutet und zum zentralen historischen und politischen Anknüpfungspunkt.

Brechen wir den NS-Mythos um die „Festung Harz“!

 


 

Glosse von Bernd Langer zu den polizeilichen Vorkontrollen und zur Fahne der Roten Armee

 

Fahne im Auge oder

Der Polizeistaat wie er leibt und lebt

Das Corpus Delicti. Allerdings zeigt die Fotografie nicht die niedersächsische Polizei bei der fotografischen Beweissicherung am 19. Januar 2008 in Bad Lauterberg, sondern die SS-Leibstandarte Adolf Hitler mit ihrer ersten erbeuteten Fahne nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941. Am 19. Januar 2008 machte ich mich auf zur Antifa-Demo nach Bad Lauterberg. Als Redner angekündigt und der Tradition verpflichtet, packte ich zwei Fahnen mit in mein Auto: klein zusammengefaltet die Traditionsfahne der Antifaschistischen Aktion von 1987 und eine Kosomolzenfahne aus den 40er Jahren. Diese Kosomolzenfahne hat eine interessante Geschichte:
Nach dem Einzug der Roten Armee in Wernigerode wurde sie der neuen Stadtverwaltung als Freundschaftsgeschenk überreicht. Jahrelang stand sie im Rathaus, bis sie irgendwann im Magazin verschwand. Der Lagerraum wurde wenige Jahre nach der Wende geräumt, die alte Fahne sollte auf den Müll. Gerettet wurde sie durch einen Krempelsammler, der sich ein paar Mark auf dem Flohmarkt verdienen wollte. Dickbäuchig mit zauseligem, langem Bart sah ich ihn dann in Braunlage sitzen. 50 Mark wollte er für die Fahne haben. zu handeln habe ich sie ihm samt der Geschichte abgekauft. Nach seiner Auskunft soll es von der Fahnenübergabe Fotos geben. Aber auch Beweise klingt die Erzählung glaubhaft. Die Fahne jedenfalls ist aus den 30/40er Jahren, mit aufgestickten Schriftzeichen, Emblem, Fransen, Kordeln und einer entsprechenden Fahnenspitze.
Da solcherlei Banner bei Paraden an Traktoren, LKWs oder Panzern befestigt wurden, kann man das Fahnentuch nicht von der Stange lösen.
So konnte ich die Fahne nur einrollen, in eine Decke wickeln und hoffen, möglichst unbehelligt durch die Polizeisperre vor Bad Lauterberg zu gelangen.
Natürlich wurde mein Fahrzeug am Stadtrand angehalten und ein Polizist fragte mich, was ich denn in der Stadt wolle. Auf solche Fragen antworte ich grundsätzlich nicht. „Aha, schon klar,“ meinte er mit einem wissenden Unterton.„Dann fahren sie mal da links ran!“

Umgeben von einer Polizeiarmada saß ich allein in meinem Auto und ein Polizist faselte etwas von Fahrzeugkontrolle – die Fahrzeugpapiere zu verlangen. Das einzige was er wollte, war mein Personalausweis und eine Antwort auf seine Frage: „Wollen sie zur Demonstration?“ Da ich als Redner angekündigt war, erwiderte ich: „Könnte sein!“ „Also ja“, meinte er, „Das haben sie gesagt,“ konterte ich.
Nachdem nun diese Frage einigermaßen geklärt war, wurde mein Personalausweis zur Überprüfung mitgenommen. „Könnte ja sein, das etwas gegen sie vorliegt und sie gesucht werden,“ rechtfertigte der Polizist diese Maßnahme und sinnierte weiter: „Aus Berlin kommen sie den weiten Weg hierher gefahren“, eine Tatsache, die ihm verdächtig schien. Immerhin wollte ich an einer angemeldeten Kundgebung teilnehmen.
Während meine Personalien mit den Dateien in den Computernetzen abgeglichen wurden, ging die Prozedur vor Ort weiter: „Dann sehen wir uns mal das Auto an.“ Das ging recht schnell vor sich, denn nachdem ich ausgestiegen war, war das Fahrzeug leer - bis auf die Fahne, die quer im Innern lag und dem aufmerksamen Polizisten und seiner Kollegin nicht verborgen blieb. „Was ist denn das für eine Fahne?“, fragte er. „Eine rote,“ antwortete ich. „Die müssen wir uns ansehen,“ forderte sofort die besonders diensteifrige Polizistin. „Muss das wirklich sein? Ist ein bisschen schwierig aus dem Auto zu bekommen,“ wendete ich ein. „Sie müssen die Fahne aus dem Fahrzeug holen und ausrollen, damit wir sehen können, ob es sich nicht um etwas Verbotenes handelt“, belehrte mich die Polizeidame.
Nun gut, ich beugte mich der Gewalt und enthüllte die Fahne. „Was steht denn drauf?“ Der Polizist näherte sich neugierig dem Tuch. „Sie sehen ja,“ erklärte ich, „diese Seite ist einfach rot und auf der anderen steht kyrillische Schrift.“ Etwas ratlos blickte der Polizist auf die Zeichen. „Können Sie es lesen?“ fragte ich stichelnd. „Nein, aber wir haben da einen Kollegen, der kann das,“ mischte sich gleich die Bulletin ein und kommandierte ihren Kollegen, eine Kamera zu besorgen. „Wir machen eine fotografische Beweissicherung. Unser Kollege wird das überprüfen. Falls da etwas Verbotenes draufsteht, werden wir Sie aus der Demonstration holen,“ kündigte sie an. Mittlerweile war ein älterer Polizist in Kampfanzug, offensichtlich einige Rangstufen höherstehend, hinzugekommen. „Was ist das für eine Fahne?“ bellte er. Ich antwortete wieder wahrheitsgemäß: „Eine rote.“ „Und was steht da drauf?“ - „Ich nehme kaum an, dass hier jemand kyrillisch lesen kann,“ erwiderte ich. „Haben Sie eine Ahnung! Wir haben da einen Kollegen...“ meinte forsch der im Kampfanzug. Ich, gelassen: „Das ist mir mittlerweile bekannt. Ich meinte auch eher die Demonstrationsteilnehmer.“ „Lasse schon eine Kamera kommen zur fotografischen Beweissicherung,“ plärrte wichtig die schneidige Beamte. „Gibt es denn in der Bundesrepublik überhaupt eine russische Fahne, die verboten ist?“ fragte ich interessehalber den in Kriegermontur. „Das weiß ich nicht, aber möglich ist es. Deshalb wollen wir sie ja fotografieren!“

Irgendwie klappte das dann aber mit der Kamera nicht so schnell und auch der kenntnisreiche Kollege hinsichtlich der russischen Schrift war nicht zu finden. So ließen mich die eifrigen Gesetzeshüter nach einiger Wartezeit schließlich meines Weges ziehen. Jedoch nicht, nochmals zu versichern: „Wir behalten die Fahne im Auge. Sollte da doch etwas Verbotenes draufstehen, wissen wir ja, wo wir sie finden!"


Medienberichte

Pressemitteilung der Roten Hilfe OG Göttingen, 23.01.2008

Pressemitteilung zum Polizeieinsatz

Die Göttinger Ortsgruppe der Roten Hilfe schließt sich der Kritik am Polizeieinsatz in Bad Lauterberg vom 19.01. an. Die Antifaschistische Linke International sowie der Kreisverband Osterode der Linken hatten den Einsatz scharf kritisiert. Die Rote Hilfe, die mit Demobeobachterinnen vor Ort war, fordert die Einsatzleitung zu einer Stellungnahme auf. "Wir konnten in Bad Lauterberg Szenarien beobachten, die auf linken Demonstrationen fast schon normal sind. Rechtmäßig sind sie deswegen noch lange nicht, und das gilt es festzustellen" kommentierte eine Sprecherin das polizeiliche Vorgehen. Den Beginn nahmen die rechtswidrigen Maßnahmen bereits einige Kilometer vor Bad Lauterberg. Es ist nicht nur schikanös und provozierend, die anreisenden Busse stundenlang aufzuhalten und mehrfachen Kontrollen zu unterziehen, es ist auch rechtswidrig. Aufgrund dieser Kontrollen konnte die Demonstration erst über eine Stunde als geplant begonnen werden. "Die Personalien von allen Versammlungsteilnehmern festzustellen, wie dies die Polizei anfangs versuchte durchzuführen, und damit sogar den Beginn der Demonstration erheblich zu verzögern, ist sowohl ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit als auch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zu rechtfertigen ist dies bei dem zu erwartenden und eingetretenen friedlichen Verlauf der Demonstration allemal nicht", wie der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam feststellte, der die Demonstration begleitete. Bevor die Demonstration überhaupt begonnen hatte, brach die Polizei somit offenkundig Verfassungsrecht. Auch während der Demonstration zeigte die Polizei, dass ihr an dem hohen Gut der Versammlungsfreiheit offensichtlich nicht viel liegt. Der Demozug, der absolut friedlich verlief, wurde die ganze Strecke über von einem engen Polizeispalier begleitet und dadurch massiv in seiner Wahrnehmbarkeit für Aussenstehende eingeschränkt. "Diese Vorgehensweise der Polizei ist verstärkt seit dem damaligen Auftreten von Ronald Schill als Innensenator in Hamburg zu beobachten. Die Polizei anderer Bundesländer ahmt nun mehr und mehr nach. Wenn sich einer Demonstration nicht mehr frei angeschlossen oder diese verlassen werden kann und die Demonstration von außen eher wie eine Präsentation von Polizeimacht aussieht, hat das mit Versammlungsfreiheit nichts mehr zu tun.", erklärte Rechtsanwalt Adam auf Nachfrage der Roten Hilfe. Zu guter Letzt wurde die Demonstration von Beginn an von zahllosen Videokameras und Fotoapparaten der Polizei gefilmt und fotografiert. Noch bevor sich der Demonstrationszug formiert hatte, filmten die OrdnungshüterInnen munter drauf los. Diese - leider gängige - Praxis stellt einen deutlichen Verstoß gegen §12a des Versammlungsgesetzes dar. Hier heißt es, die Polizei dürfe Aufnahmen von Versammlungen nur anfertigen, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen". Da die Polizei in ihrer Pressemitteilung von einer vollkommen friedlichen Demonstration spricht, gesteht sie sich so selber die Rechtswidrigkeit ihres Handeln ein. "Wenn die Polizei dann vier Verstöße gegen das Vermummungsverbot feststellt, so hat sie diese selbst zu verantworten. Wir betrachten das Vermummen als legitimen Selbstschutz gegen die rechtswidrigen Aufzeichnungen der Polizei", so die Sprecherin der Roten Hilfe. Nur weil es mittlerweile auf linken Demos üblich sei, von allen Seiten gefilmt zu werden, sollte es noch lange nicht stillschweigend hingenommen werden. Einsatzleiter Polizeidirektor Hans Walter Rusteberg schrieb sich in seiner Pressemitteilung den friedlichen Verlauf der Demonstration auf die eigenen Fahnen. Tatsächlich ist es aber dem politischen Willen der Demonstrierenden zu verdanken, dass es friedlich blieb: zu keiner Zeit sind Gewalttaten beabsichtigt gewesen. "Herr Rusteberg spricht von einem gut vorbereiteten und konsequenten Einschreiten seiner Kräfte, welche den friedlichen Verlauf gewährleistet habe. Das ist natürlich Unsinn. An diesem Samstag ist es die Polizei gewesen, die durch vielfältige Rechtsbrüche auf sich aufmerksam gemacht hat. Daher fordern wir Herrn Rusteberg auf, öffentlich zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen" erklärt die Sprecherin der Roten Hilfe weiter. Es dürfe nicht sein, dass man sich in einer Demokratie daran gewöhne, von der Polizei wider des Gesetzes behandelt zu werden.

 


Junge Welt, 21.01.2008

Neonazis den Marsch geblasen

Tausende Antifaschisten demonstrierten am Wochenende gegen Aufzüge der Rechtsextremen

Aktionen von Neonazis haben am Wochenende in zahlreichen deutschen Städten mehrere tausend Antifaschisten auf den Plan gerufen. Einen Protest von rund 1200 Menschen gab es am Samstag in Frankfurt/Main, wo die NPD anläßlich der Landtagswahlen am kommenden Wochenende eine Kundgebung mit 60 Teilnehmern veranstaltete. Die Antifaschisten übertönten die NPD-Reden mit Schafgeblöke, ohrenbetäubendem Lärm, Trillerpfeifen und Parolen wie »Nazis, verpißt euch«.

Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Neonazis auf dem Römerberg im Zentrum der Stadt demonstrieren – geschützt und flankiert durch ein Großaufgebot der Polizei. Und das genau an der Stelle, wo ein Gedenkstein darauf hinweist, daß die deutschen Faschisten am 10. Mai 1933 dort Bücher verbrannten. Die Beamten haben die Rechten nach Ansicht des Pfarrers Hans-Christoph Stoodt von der Frankfurter Antinazikoordination »mit Samthandschuhen« angefaßt. So etwa sich habe ein älterer Mann unter die Antifaschisten gemischt und die Parole »Deutschland den Deutschen« gebrüllt. Als die Linken versucht hätten, ihn aus ihrer Kundgebung zu drängen, habe der Mann ein Messer gezogen. Er sei nicht festgenommen worden.

In Magdeburg protestierten etwa 1000 Menschen gegen einen »Trauermarsch« von Rechtsextremen zur Erinnerung an die Bombardierung der Stadt am 16. Januar 1945. An zwei Demonstrationen antifaschistischer Gruppen beteiligten sich trotz strömenden Regens jeweils rund 300 Menschen. Etwa 400 Teilnehmer zählte eine weitere Kundgebung, zu der Gewerkschaften, Parteien und die Stadt aufgerufen hatten.

Während die Polizei den rund 600 Alt- und Neonazis den Weg durch die Innenstadt bahnte, wurde eine antifaschistische Gegendemonstration unter dem Motto »Geschichtsrevisionismus bekämpfen!« von den Beamten immer wieder massiv behindert. Die Veranstalter hatten die Teilnehmer aufgerufen, das Verbot der Polizei zu ignorieren, auf der zuvor genehmigten Route zu demonstrieren. Nach zwei Stunden des Wartens liefen die Demonstranten mit erhobenen Händen auf die Polizeiketten zu und forderten, ihre Aktion fortführen zu können. Behelmte Beamte griffen sofort zum Pfefferspray, schlugen brutal zu und verletzten mehrere Personen. Schließlich wurde die Fortsetzung des Zuges dennoch genehmigt. Der Anmelder kündigte gegenüber jW an, den Einsatzleiter der Polizei wegen Körperverletzung im Amt anzuzeigen.

Lediglich 60 Neonazis beteiligten sich am Samstag an einem NPD-Aufmarsch in Salzgitter. Der von der Stadt genehmigte Kundgebungsplatz lag weit außerhalb des Zentrums. Dort hatte das breite Bündnis »Salzgitter paßt auf« zu einem »City-Lauf« gegen Rechts aufgerufen und fast 2000 Menschen joggten oder wanderten mit. Bei einer Kundgebung vor dem Rathaus bezeichnete der evangelische Propst Joachim Kuklik die NPD als »Rattenfänger«. Während die Proteste bis in den Nachmittag dauerten, zogen die NPD-Leute bereits nach einer halben Stunde ab. Zuvor hatten sich die Neonazis zu einer Kundgebung in Goslar versammelt. Auch dort protestierten mehr als 200 Menschen.

Einen Großeinsatz hatte die Polizei am Sonntag in Bad Lauterberg, wo nach Veranstalterangaben rund 1000 Menschen gegen die NPD demonstrierten. Im Vorfeld hatte die Polizei auf der Bundesstraße 27 zahlreiche Kontrollen durchgeführt. Die Aktion habe sich gegen ein »Netzwerk von Unterstützern« gerichtet, das die NPD im Südharz aufgebaut habe, erklärten die Veranstalter. Zu den Protesten hatten mehrere antifaschistische Gruppen sowie Parteien aufgerufen


Presseinformation der A.L.I. vom 19. Januar 2008

Über 700 Menschen demonstrieren entschlossen gegen Neonazistrukturen in Bad Lauterberg im Harz
Massive Polizeischikanen, um Neonazis ein"ruhiges Hinterland" aufrecht zu erhalten
Am Samstag, den 19. Januar 2008, haben in Bad Lauterberg im Harz über 700 Antifaschistinnen und Antifaschisten entschlossen gegen Neonazistrukturen im Südharz demonstriert. Die Demonstration wurde politisch getragen von einem breiten Bündnis aus antifaschistischen Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen, initiiert ist die Kampgane "Kein ruhiges Hinterland für Neonazis!" von der Antifaschistischen Linken International A.L.I. aus Göttingen.

Die Demonstration zog in Bad Lauterberg an mehreren Kneipen, Treffpunkten und Wohnungen der Neonaziszene vorbei. In Redebeiträgen wurden die Verantwortlichen für faschistische Propaganda, Angriffe gegen alternative und migrantische Jugendliche, sowie Bedrohungen gegen antifaschistisch engagierte BürgerInnen beim Namen genannt. Eine Sprecherin der A.L.I. rief dazu auf "[...] den Nazi-Tattooladen "Zettel am Zeh" und den Nazikonzertort "Odertaler Kutscherstuben" dicht zu machen". Die Antifa-Sprecherin begrüßte in einem Redebeitrag am Kirchplatz, dass sich zwei Eigentümer von Geschäfts- und Wohnräumen in Bad Lauterberg, die bisher von Neonazis genutzt werden konnten, in den letzten Tagen deutlich von der Neonaziszene distanziert hatten. Außerdem kündigten die Eigentümer Konsequenzen gegenüber dem Pächter einer Spielhalle an, die als Nazitreffpunkt bekannt ist.

Die A.L.I. bewertet die TeilnehmerInnenzahl trotz widriger Bedingungen, den entschlossenen Charakter und den Verlauf der Demonstration als politischen Erfolg. "Alle, die anhand eines "Gewaltszenarios" Stimmung gegen unsere antifaschistische Initiative gemacht haben, behielten Unrecht. Sie müssen sich nun wieder der wesentlichen Frage zuwenden, nämlich was ihr Beitrag sein soll, um konkret gegen die erstarkenden Neonazistrukturen im Südharz vorzugehen", kommentierte die A.L.I.-Sprecherin die öffentliche Diskussion der letzten Wochen im Südharz.

Scharf kritisiert die A.L.I. Polizei und Ordnungsbehörden: Gängelnde Auflagen, die verlegung der Auftaktkundgebung an den Waldrand, Behinderungen der Busanreise, die Verweigerung rechtsanwaltlichen Beistandes für mindestens 12 Ingewahrsamgenommene, eine einschließende Begleitung durch ein sehr enges Spalier, ständiges Filmen konkrete Straftaten bennen zu können und Übergriffe gegen Demonstrations-Innen. Die A.L.I.-Sprecherin kommentierte den massiven Polizeieinsatz zum Schutze der Faschisten in Bad Lauterberg: "Ein ruhiges Hinterland für Neonazis fällt nicht vom Himmel. Es wird begünstigt durch ein gesellschaftliches Klima des Wegschauens, Verschweigens und heimlichen Beifallklatschens. Der heutige Polizeieinsatz führt uns ganz konkret vor, wie dieses "ruhige Hinterland" gewaltsam aufrecht erhalten werden soll".