Nach Freispruch, Antifaschist zu Geldstrafe verurteilt


Der Besuch des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann in Göttingen geriet am 10. Januar 2012 zum Debakel. Gut 400 Menschen demonstrierten gegen die Veranstaltung des RCDS im ZHG mit Blockaden und Parodien vor dem Hörsaal. Ebenso gab es Störungen des Minister-Auftritts im Hörsaal. Bei Einsätzen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit BFE im Zentralen Hörsaalgebäude kam es zu tumultartigen Szenen mit zahlreichen verletzten DemonstrantInnen. Wie der NDR berichtete erstatteten 7 DemonstratInnen Anzeige wegen Körperverletzung gegen die Polizei, 12 Strafverfahren wurden gegen die Protestierenden eingeleitet.

Da die im ZHG eingesetzten BFEs über keine individuelle Kennzeichnung verfügen wurde trotz guter Video-Dokumentation durch den NDR bis jetzt kein Verfahren gegen die Gewalttäter aus den Reihen der Polizei eingeleitet.

Am 20.September stand jetzt ein Antifaschist wegen der Proteste gegen die Veranstaltung des Innenministers Uwe Schünemann und des Polizeipräsidenten Robert Kruse vor Gericht. Vorgeworfen wurde ihm Widerstand gegen die Polizei sowie Körperverletzung an einem Polizisten. Nachdem der Antifaschist im Juli 2012 einen Strafbefehl über 50 Tagessätze á 15 EUR (also insg. 750 EUR) zugestellt, wurde legte er Widerspruch ein. Am Ende der etwa drei Stunden dauernden Verhandlung wurde er freigesprochen. Im November 2012 legte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen den vormals  auch von ihr geforderten Freispruch ein. Der Prozess wurde im Jannuar 2013 wieder aufgerollt und der Antifaschist wurde nun wie bestellt verurteilt. Eine Presseinfo zum Ausgang des Prozesses findet ihr auf der seite der SDAJ Göttingen.

 

Einen ausführlichen Bericht zu unserer Kampagne "Schünemänner, Staatsschützer, Schnüffelhunde... Weg damit!" vom Januar 2012 findet ihr hier

Politische Erklärung des Genossen | Solidaritätsaufruf | Medienberichte


Solidaritätsaufruf der Roten Hilfe zum erneuten Prozess gegen den Antifaschisten

Nachdem der RCDS im Januar 2012 eine Veranstaltung mit Innenminister Schünemann und Polizeipräsident Robert Kruse in der Göttinger Uni abgehalten hatte, musste sich ein Antifaschist im September 2012 vor dem Amtsgericht Göttinger verantworten. Er soll einem Polizisten mit dem Knie in die Genitalien getreten und ihm so eine Hodenprellung zugefügt haben.
Nachdem in der ersten Strafverhandlung das Videomaterial sowohl von Polizei als auch von Demonstrant*innen gesichtet und festgestellt worden war, dass die Stellung der Körper der Beteiligten sowie der Gesichtsausdruck des Bullen nach der angeblichen Tat die Strafanzeige nicht stützen konnte, waren sich alle einig.

Auch die Staatsanwaltschaft hatte den Freispruch beantragt, die Strafverteidigung forderte ihn. Das Amtsgericht Göttingen sprach den Antifaschist frei.

Dennoch muss sich der betroffene Antifaschist in der Zweiten Instanz vor dem Landgericht Göttingen verantworten.
Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt. Dies zeigt deutlich, dass das Vorgehen der hierarchisch organisierten Staatsanwaltschaft politisch motiviert ist, wenn sie sogar ihren eigenen Beamten die Fähigkeit abspricht einen Prozess ordnungsgemäß zu führen. Wieder einmal zeigt die Göttinger Staatsanwaltschaft ihre hässliche Fratze und versucht einen unschuldigen Antifaschisten zu kriminalisieren.
Es müssen also danach alle Beteiligten blind gewesen sein, denn anscheinend war nach neuerlicher Auffassung der Staatsanwaltschaft weder das Gericht, noch die anwesende Staatsanwältin fähig, das eingereichte Videomaterial richtig auszuwerten.

Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft reiht sich ein in die Kette zahlloser Versuche, Göttinger Antifaschist*innen mit Repression zu überziehen und um jeden Preis zu verurteilen.

Am 14.1.2013 um 10:30h zieht somit der Zirkus vor das Göttinger Landgericht in die zweite Runde. Zeigt eure Solidarität und begleitet den Prozess.

Kommt zahlreich! Betroffen ist einer, gemeint sind wir alle!!

Solidarität ist eine Waffe!

 


 

Politische Erklärung des Genossen

Heute stehe ich vor dem Amtsgericht als Angeklagter. Nicht weil ich etwas verbrochen habe, sondern weil ich als kommunistischer Demokrat aktiv bin.

Staatliche Repression ist in meiner Familie nichts Neues. Ich bin Kommunist in dritter Generation. Bereits mein Großvater wurde vom Geheimdienst des ägyptischen Präsidenten Gamel Abdel Nasser verhaftet und gefoltert. Er verlor zudem seine Lizenz als Rechtsanwalt zu arbeiten, weil er ein Aktivist der Kommunistischen Partei und Verteidiger der Sache der Arbeiter war.

Mein Vater musste mehrmals sein Studium abbrechen und erhielt in allen arabischen Staaten Einreiseverbot. Er wurde im Irak unter Saddam Hussein verhaftet, zum Tode verurteilt und gefoltert. Durch Gefangenenaustausch kam er schließlich frei, um dann vom syrischen Regime unter Hafiz Al-Assad (dem Vater des heutigen syrischen Präsidenten) verhaftet und gefoltert zu werden.

Selbst ich wurde mit dreizehn Jahren vom syrischen Geheimdienst für Nationale Angelegenheiten verhört. Ich musste mit meinen Eltern Syrien verlassen, weil meine Eltern sich für die Freilassung politischer Gefangener und für die Belebung der syrischen Zivilgesellschaft eingesetzt hatten. 2002 kamen wir in die Bundesrepublik Deutschland, wo wir Asyl beantragten. Daraufhin mussten wir sechs Jahre in einem Isolationslager im Thüringer Wald vegetieren. Aber wir blieben erhobenen Hauptes im Kampf gegen das Isolationsregime und die Apartheid-Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, namentlich die Residenzpflicht. In diesen sechs Jahren haben wir den Rassismus in diesem Land kennengelernt. Keine Rechte zu besitzen, die ständige Angst vor Erniedrigung durch Polizisten zu erfahren, weil man sein Menschenrecht auf Bewegung und politische Aktivität wahrgenommen hat. In ständiger Angst vor nächtlicher Abschiebung durch vermummte Polizisten, die uns damit in Folter und Tod geschickt hätten. Die Erniedrigung wegen des deutschen sogenannten „Gutscheinsystems“ im Supermarkt jedesmal als Asylant gebrandmarkt zu werden. Durch Androhung der Ausländerbehörde von der Schule verwiesen zu werden und der Willkür, als von dort mein Antrag auf ein Studium untersagt wurde, obwohl damals die Universität Jena keinerlei Einwände gegen meinen Studienbeginn hatte. Dieses Leben, sechs Jahre lang, hat mich und meine Eltern geprägt. Wir haben den Kampf dagegen stets geführt. Gemeinsam mit Freunden von The Voice Refugee Forum und von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten standen wir fest für die Menschenwürde in diesem Land.

Ich erzähle diese Geschichte unserer syrischen kommunistischen Familie mit ihren zwei Perspektiven, einmal in ihrer Heimat und einmal in ihrem Exil. Und wenn ich gegen Schünemann, Kruse und Co. protestiere, dann sollen sie wissen, dass hier ein Betroffener dieser Politik vor ihnen steht. Ich und meine Familie kennen die Geheimdienste, die Polizei und den institutionellen Rassismus aufgrund eigener Erfahrung. Ich bin in diesem Sinne ein Überzeugter, aber kein Täter.

Und erneut steht ein Kommunist vor einem deutschen Gericht. Das hat Tradition in Deutschland. Vom Kommunistenprozess in Köln vor zwei Jahrhunderten hin zur Verfolgung der politischen Führung des sozialistischen Deutschlands, der Deutschen Demokratischen Republik. Immer handelt es sich dabei um politische Schauprozesse. Es soll an Einzelnen ein Exempel statuiert werden, um eine ganze Bewegung zu delegitimieren. Ankläger werden dabei zu Angeklagten, Angeklagte werden zu Anklägern. Angeklagt gehört hätten heute vor diesem Gericht allerdings zwei andere Männer:

Zum einen der zweifache Gewinner des Titels „Abschiebeminister des Jahres“ und zweifache Träger des Big Brother Awards, Herr Uwe Schünemann, Innenminister des Landes Niedersachsen. Zum anderen sein ehemaliger stellvertretender Inlandsgeheimdienstchef Herr Robert Kruse, derzeitiger Polizeichef Göttingens.

Die Anklageschrift würde wie folgt lauten: Der Herr Innenminister ist politisch verantwortlich für den Tod des Flüchtlings Shambu Lama aus Meinersen, der durch das widerrechtliche Handeln der dem Innenminister unterstehenden Ausländerbehörde Gifhorn in den „Freitod“ getrieben wurde. Shambu Lama wollte mit seinem Sohn zusammenziehen, um gemeinsam mit ihm zu leben, doch die Ausländerbehörde verweigerte ihm seinen Wunsch und drohte mit Abschiebung. Shambu Lama sprang daraufhin aus Verzweiflung vor einen Zug und starb.

Herr Schünemann ist auch für die Abschiebung von schwangeren Frauen verantwortlich. Unter anderem die Abschiebung der im vierten Monat schwangeren Syrerin Abta Houran am 7. Juli 2009. Sie wurde nach ihrer Ankunft in Syrien umgehend von syrischen Behörden festgenommen. Der wohl noch bekanntere Fall ist der der libanesischen Frau Gazale Salame. Sie wurde von ihrem Ehemann und ihren Kindern durch deutsche Polizei getrennt und trotz ihrer Schwangerschaft abgeschoben, und zwar in das ihr völlig fremde Land Türkei. Die Abschiebung von Frau Salame fand auf persönliches Drängen des Innenministers statt. Die Liste von schändlichen Abschiebungen ließe sich noch ergänzen. Der Innenminister soll die Ausländerbehörden sogar zu noch rigoroserem Verhalten angespornt haben, so viele Medienberichte.

Der Innenminister veranlasste im Jahr 2003 auch den ersten Einsatz von Überwachungsdrn bei Anti-Castor-Protesten und ist Betreiber und Befürworter massiver Einschränkungen der demokratischen Rechte, so u.a. des Versammlungsgesetzes. Er steht auch für präventive Überwachung von Email-Verkehr und Telefongesprächen.

Herr Uwe Schünemann ist damit natürlich nicht als Person gemeint, sondern als Stellvertreter eines institutionellen Rassismus in krassester Form: nämlich Abschiebung, Ausgrenzung, Isolation und Menschenverachtung. Er steht ebenfalls stellvertretend für eine Reihe antidemokratischer Gesetzgebungen im Bereich des Ausbaus der Geheimdienste, der Einschränkung des Versammlungsgesetzes und diversen politischen Angriffen auf Demokraten, Antifaschisten und Kommunisten.

Auf der anderen Seite steht Herr Robert Kruse als ehemaliger stellvertretender Leiter des niedersächsischen Inlandsgeheimdiensts, dem sogenannten Verfassungsschutz, nun als derzeitiger Chef der Göttinger Polizei. Zuallererst überkommt einen dabei das Befremden und Fremdschämen gegenüber dem Land Niedersachsen, eine solche Personalentscheidung getroffen zu haben, die ein Angriff ist auf den Geist des Grundgesetzes und die von Mitgliedern der Anti-Hitler-Koalition beschlossenen Potsdamer Abkommen, in denen eine Verschmelzung von Geheimdienst und Polizei strikt untersagt wird. Das ist ein Schritt zur Abschaffung der bürgerlichen Demokratie von rechts, indem man den stellvertretenden Geheimdienstchef zum Polizeichef beruft und den Polizeichef zum Geheimdienstchef – eine personelle Verschmelzung, die Besorgnis bei jedem Demokraten und Antifaschisten hervorrufen sollte.

Herr Robert Kruse ist damit natürlich auch nicht als Person gemeint, sondern als Stellvertreter für die polizeilichen widerrechtlichen Maßnahmen gegen Abschiebegegner und Antifaschisten im Rahmen des sogenannten „Tee-Küchen-Vorfalls“, für die Verfolgung eines jungen Mannes, der wochenlang untertauchen und dann unrechtmäßig seine DNA abgeben musste. Herr Kruse steht stellvertretend für die Überwachung von demokratischen und antifaschistischen Organisationen wie der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) oder Einzelpersonen wie dem Göttinger Journalisten Kai Budler durch den Inlandsgeheimdienst und für die Überwachung der Kommunisten, die letztendlichen Kämpfer für Menschenrechte.

Beide, Herr Schünemann und Herr Kruse, waren im Januar diesen Jahres vom rechten Studierendenverband der CDU in die Universität eingeladen worden. Ihnen stellten sich mehrere hundert Demokraten, Antifaschisten und Kommunisten friedlich in dem Weg. Die Polizei aber prügelte trotz reibungslosen Ablaufes der Veranstaltung in die Menge.

Daher kurz noch zur Polizei, obwohl sie kein direkter politischer Gegner ist. Der Göttinger Polizei geht es heute mit diesem Prozess darum, ihr Gesicht zu bewahren, nachdem sie an jenem Januartag in bürgerlichen Medien wie dem NDR als Prügelpolizei dargestellt wurde. Es geht um Nachlieferung einer Begründung für ihre brutale Gewaltorgie gegen demokratische und antifaschistische Studierende wie mich. Ein Zitat eines Ihrer Kollegen, Richter Steinhof aus Dessau, zum Verhalten der gesamten Polizei Dessau im Rahmen der Gerichtsverhandlung um den Mord an dem Flüchtling Oury Jalloh spricht, meine ich, Bände über den Geist der deutschen Polizei:

„Was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat, und Polizeibeamte, die in besonderem Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht.“

Es ist kein Geheimnis, dass in der Polizei ein sogenannter Korps-Geist vorherrscht, in der immer mehr prügelnde Polizisten sich gegenseitig durch Absprachen vor strafrechtlicher Verfolgung – wie der Fall Oury Jalloh zeigt – schützen. Polizisten sind Instrumente des bürgerlichen Staates um die demokratische und fortschrittliche Bewegung zu unterdrücken. Sie werden häufig vor Einsätzen politisch gedrillt. Gedrillt gegen uns, jene Demokraten, die gegen Rassismus, Sozial- und Demokratieabbau vorgehen. Max Reimann, Vorsitzender der verbotenen KPD, sagte zur Verabschiedung des Grundgesetzes 1949: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“

Die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie gegen ihre Feinde von rechts und gegen die politische Elite dieses Landes ist eine Linie der Kommunisten, die trotz KPD-Verbot und Berufsverbote nicht geändert wurde. Wenn Sie mich heute verurteilen, dann ist es nicht nur meine Person, die sie aburteilen, sondern die demokratische und antifaschistische Bewegung. Eine demokratische und antifaschistische Bewegung, welche gegen die rechten Feinde der Demokratie protestiert hat, die protestiert hat gegen Abschiebeminister Schünemann und Ex-Geheimdienst-Chef Kruse. Es wäre ein Urteil gegen die demokratischen und antifaschistischen Kräfte, gegen die Demokratie.


Solidaritätsaufruf

Am 10.01.2012 organisierte der konservative Studierendenverband Ring Christlicher Studenten (RCDS) im Zentralen Hörsaalgebäude der Universität eine Veranstaltung mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und dem Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse unter dem Titel „Sicherheitspolitik in Niedersachsen und Göttingen im Speziellen“. Der CDU-nahe Studierendenverband wollte sich mit dieser provokativen Veranstaltung in der Endphase des Uni-Wahlkampfes ins Gespräch bringen und Stimmung gegen linke Politik machen. Ein breites Bündnis aus AStA, Fachschaften und Basisgruppen, studentischen Hochschulgruppen sowie antifaschistischen und antirassistischen Initiativen mobilisierte zu Gegenprotesten, um gemeinsam ein Zeichen gegen die Law-and-Order-Politik des niedersächsischen Abschiebe- und Innenministers zu setzen. Mittels einer symbolischen Menschenblockade vor dem Eingang der RCDS-Veranstaltung wurde gegen die von Schünemann und Kruse betriebene reaktionäre Politik protestiert.

All dies war den beiden Herren offenbar ein Dorn im Auge, so dass sie ein größeres Polizeiaufgebot gegen die Protestversammlung in Stellung brachten. Zum Einsatz kam dabei auch die seit Anfang 2012 in Göttingen stationierte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), die mittlerweile für ihr unverhältnismäßiges und brutales Vorgehen bekannt ist. Wie u.a. in einem Fernsehbeitrag des NDR über den Polizeieinsatz zu sehen war, stürmte diese geschlossene Polizeieinheit äußeren Anlass in die vor dem Hörsaal friedlich versammelte Menschenmenge und traktierte die Anwesenden mit Knüppeln, Faustschlägen und Tritten. Hierbei erlitten mehrere Demonstrierende Verletzungen. Sämtliche vor dem Hörsaal befindlichen Personen wurden unter polizeilichem Gewalteinsatz aus dem Uni-Gebäude getrieben. Die losgelassene BFE-Einheit setzte somit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit faktisch außer Kraft.

Bei der Abfahrt des Ministers im Dienstfahrzeug kam es auf dem Uni-Campus erneut zu unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gegen spontane Sitzblockaden. Personen, die sich vor dem Fahrzeugkonvoi auf die Straße setzten, wurden dabei mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt entfernt. Insgesamt sind mehrere Strafverfahren gegen Demonstrierende eingeleitet worden. Einige vom Polizeieinsatz Betroffene haben ihrerseits Anzeigen gegen Polizeibeamte gestellt.

Während einer Demonstration am 10. März 2012 in der Göttinger Innenstadt anlässlich des Internationalen Frauenkampftags wurde ein Göttinger Antifaschist von der Polizei angehalten, seine Personalien wurden festgestellt und ihm wurde eröffnet, dass ein Verfahren anlässlich des Schünemannbesuchs vom 10.01.2012 gegen ihn laufe. Konkret lautet der Vorwurf auf Widerstand gegen die Polizei sowie Körperverletzung an einem Polizisten. Im Juli 2012 wurde ihm ein Strafbefehl über 50 Tagessätze á 15 EUR (also insg. 750 EUR) zugestellt, gegen den er Widerspruch eingelegt hat.

Am Donnerstag, den 20.09.2012 um 9:15 Uhr findet nun der Prozess gegen den Antifaschisten vor dem Amtsgericht Göttingen (Maschmühlenweg 11) im Raum B12 statt. Die Staatsanwaltschaft will mit diesem Verfahren offensichtlich nicht nur einen einzelnen Genossen aburteilen, sondern überhaupt den damaligen Protest gegen den Schünemann-Auftritt nachträglich kriminalisieren und delegitimieren. Diese billige Rechnung darf nicht aufgehen! Herausgezogen und angeklagt werden stets einzelne, gemeint sind wir alle! Zeigt euch solidarisch mit dem Betroffenen und kommt zum Prozesstermin!

Solidarität zeigen!

könnt ihr auf mehrere Weisen:

1. Es ist wichtig (und vom Genossen, der sich vor Gericht verteidigt, erwünscht), den Prozess politisch zu begleiten, also auch an der Verhandlung als Beobachter teilzunehmen.

2. Politische Verfahren kosten Geld (Anwalts- und Gerichtskosten, ggf. Geldstrafe). Beteiligt euch bitte solidarisch an den Kosten und spendet für die anstehenden Verfahren auf das zweckgebundene Solidaritätskonto der Roten Hilfe Göttingen:

Konto 13 50 20
Sparkasse Göttingen
BLZ 260 500 01
Stichwort: Antifaschismus

3. Eigentlich selbstverständlich, aber wir wollen es noch einmal betonen: Niemand soll sich durch Polizeigewalt und solch politische Anklagekonstrukte einschüchtern lassen! Es ist auch weiterhin politisch sinnvoll und legitim, sich gemeinsam gegen Demokratieabbau, gegen eine Politik der Inneren Sicherheit und gegen die unmenschliche Abschiebungsmaschinerie zu wehren. Proteste gegen Schünemann und die von ihm vertretene Law-and-Order-Politik sind weiterhin nicht nur angebracht, sondern notwendig!

Eine aktuelle UnterstützerInnen Liste findet ihr auf der seite der SDAJ Göttingen: www.sdajgoettingen.blogsport.de


Medienberichte

Göttinger Tageblatt, 14.01.2013
Anti-Schünemann-Demo: Geldstrafe wegen Widerstands

Das Landgericht Göttingen hat gestern einen 26-jährigen Informatikstudenten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer milden Geldstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der Körperverletzung wurde er jedoch freigesprochen.

Der 26-Jährige hatte am 10. Januar vergangenen Jahres an einer Demonstration gegen eine Veranstaltung mit Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in zentralen Hörsaalgebäude der Uni teilgenommen. Dabei soll er einen Polizeibeamten mehrfach geschlagen und ihm einen schmerzhaften Kniestoß in die Genitalien zugefügt haben.

Die Verhandlung samt ihrer Vorgeschichte hat eine Merkwürdigkeit aufzuweisen: Vor dem Amtsgericht hatte im September nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragt, was auch geschah. Dennoch legte die Staatsanwaltschaft wenige Tage später Rechtsmittel gegen das Urteil ein.

Bei der gestrigen Verhandlung begründete die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme: In der damaligen Verhandlung seien Videos, die den Vorgang am 10. Januar 2012 zeigten, nicht ausgewertet worden. Das aber stimmt nicht: Das Amtsgericht hatte sich damals einen Film aus Polizeisicht und einen aus der Demonstrantenperspektive angesehen und war zu dem Schluss gelangt, von einem Kniestoß sei nichts zu sehen.

Der Angeklagte erklärte die Wiederaufnahme politisch: Deutsche Staatsanwälte seien der Politik unterstellt und somit weisungsgebunden, den Rest könne man sich denken.

Gestern nun wurden beide Filme erneut gezeigt. Sie zeigen, wie Polizei und Demonstranten mächtig gegeneinander schieben, der Angeklagte dabei in vorderster Reihe. Beim Film der Polizei, aus nächster Nähe von oben auf die Köpfe der Kontrahenten gedreht, ist zwar kein Kniestoß zu sehen, wohl aber, wie der Polizist sich zunächst wegdreht, dann leicht zusammenzuckt und aufschreit, um dann auf den späteren Angeklagten zu zeigen.

Das reichte dem Landgericht für eine Verurteilung wegen Körperverletzung nicht aus. Wohl aber für eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte: Es sei unzweifelhaft, dass sich der Angeklagte trotz eindeutigen Platzverweises durch die Polizei nicht vom Ort der Auseinandersetzung entfernt habe.

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NDR, 20.09.2012
Freispruch nach Göttinger Uni-Tumulten

Das Urteil dürfte ihn gefreut haben: Freispruch hieß es am Donnerstag für einen 25-Jährigen, der sich vor dem Göttinger Amtsgericht verantworten musste. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann beschuldigt, bei Tumulten an der Göttinger Uni einen Polizisten in den Genitalbereich getreten zu haben. Der 25-Jährige sollte 750 Euro Strafe zahlen. Dagegen hatte er Widerspruch eingelegt und es kam zum Prozess.

Filmaufnahmen entlasten den Beschuldigten
Weil sowohl die Polizei als auch die Verteidigerin des Angeklagten zum Prozessbeginn neues Videomaterial vorlegten, unterbrach Richter Detlef Hoefer die Verhandlung. Die Beteiligten sollten sich die Aufnahmen in der Pause ansehen. In dem Material sei kein Beleg für die Tat zu finden, sagte der Richter. Sie zeigten lediglich, dass der Beschuldigte und der als Zeuge geladene Beamte im Gedränge dicht nebeneinander gestanden hätten. Die Staatsanwaltschaft änderte daraufhin offenbar ihre Meinung. Sie sah die Vorwürfe ebenfalls als nicht erhärtet an und plädierte auf Freispruch.

Demonstranten blockierten Tür zum Hörsaal
Niedersachsens Innenminister Schünemann (CDU) und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse hatten am 10. Januar an der Uni Göttingen einen Vortrag über Sicherheitspolitik gehalten. Vor dem Hörsaal protestierten währenddessen 350 Demonstranten gegen die Abschiebepolitik in Niedersachsen und blockierten den Eingang. Als Polizisten die Blockade auflösen wollten, kam es zu gewaltsamen Szenen. Neun Demonstranten und sechs Polizeibeamte wurden verletzt. Nach den Auseinandersetzungen hatte es umfangreiche Ermittlungen gegeben. Gegen 20 Personen - sowohl Demonstranten als auch Polizisten - wurde Anzeige erstattet.

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NDR, 7.09.2012
Prozess nach Tumulten an der Uni Göttingen


Die Auseinandersetzungen zwischen protestierenden Studenten und Polizisten an der Universität Göttingen bei einem Besuch von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am 10. Januar dieses Jahres haben ein weiteres juristisches Nachspiel: Ein 25-Jähriger muss sich am 20. September wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung vor dem Amtsgericht verantworten. Der Angeklagte hatte zuvor Widerspruch gegen einen Strafbefehl über 750 Euro eingelegt.

Demonstranten blockierten Tür zum Hörsaal
Schünemann und Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse hatten in einem Hörsaal des zentralen Hochschulgebäudes der Universität einen Vortrag über Sicherheitspolitik gehalten. Vor dem Hörsaal hatten sich Demonstranten versammelt. Diese wollten unter anderem gegen die Abschiebepolitik in Niedersachsen protestieren und blockierten die Tür zum Hörsaal. Als Polizisten die Blockade auflösen wollten, kam es zu gewaltsamen Szenen. Neun Demonstranten und sechs Polizeibeamte wurden verletzt. Nach den Auseinandersetzungen hatte es umfangreiche Ermittlungen gegeben. Gegen 20 Personen - sowohl Demonstranten als auch Polizisten - wurde Anzeige erstattet.