Antifademo Bilbao

Die baskische Linke. Repression und Widerstand

Begleitend zu unserer Fotoausstellung "Die baskische Linke. Repression und Widerstand" haben wir ein Informationsfaltblatt veröffentlicht, in dem wir uns mit der baskischen Linken auseiandersetzen. Den Text könnt ihr hier nachlesen.

Die Ausstellung wurde präsentiert im Rahmen des Banda Bassotti Konzertes am 28. Februar 2006 in der MUSA. Die Fotos der Ausstellung und andere Infos dazu findet ihr hier.


Bilder der Ausstellungspräsentation am 28.2.2006 in der MUSA.


Die baskische Linke. Repression und Widerstand

Seit Jahren gibt es im spanischen Baskenland Massendemonstrationen gegen eine Illegalisierungskampagne des spanischen Staates. Dieser versucht die linke Unabhängigkeitsbewegung, die heute 12 % der baskischen WählerInnen repräsentiert, mittels Folter, Verboten und Haftstrafen mundtot zu machen. Allein im vergangenen Jahr demonstrierten mehrmals bis zu 50 000 Menschen in Bilbao gegen das Verfahren 18/98, mit dem der baskischen Linken zur Zeit der Prozess gemacht wird.

66 VertreterInnen linker baskischer Organisationen stehen seit dem 21. November 2005 in einem Massenverfahren in Madrid vor dem Nationalen Gerichtshof. Die Anklage lautet auf Unterstützung der bewaffneten Gruppe ETA (Euskadi ta Askatasuna, übers.: Baskenland und Freiheit). Ziel der Staatsanwaltschaft ist es, den Angeklagten nachzuweisen, dass sie und ihre Organisationen Teil von ETA und somit aus Sicht der spanischen Behörden illegal sind. Bei den verbotenen Organisationen handelt es sich um Zeitungen, Jugend- und Gefangenhilfsorganisationen, den gesamtbaskischen Gemeinderat Udalbiltza, die sozialistische Partei Batasuna und Andere.

Die Repression gegen die baskische Linke ist nichts Neues, aber mit dem Verfahren 18/98 hat sie eine neue Qualität erreicht. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Basken, die sich Ende des 19. Jahrhunderts eher noch in Forderungen nach Autonomie ausdrückten, waren den Vertretern eines spanischen Zentralstaates und muffigen Chauvinismus seit je ein Dorn im Auge. Schon die erste nationalistische Partei, die bis heute bestehende Partido Nacionalista Vasco (PNV), unter der drei baskische Provinzen noch mitten im Spanischen Bürgerkrieg 1936 die Autonomie zugesprochen bekamen, galt den faschistischen Franquisten als Feindbild. Und dies obwohl die katholischen, rückwärtsgewandten und teilweise rassistischen Auffassungen der PNV denen der Franquisten hätten nahe stehen können.

"Es triumphierte das eine, große und freie Spanien. Es verlor für immer das schreckliche, linke Ungeheuer, das sich Euskadi nennt", äußerte der neu eingesetzte faschistische
Bürgermeister Bilbaos nach der militärischen Einnahme der Stadt. Die baskische Autonomieregierung setzte im spanischen Bürgerkrieg eine 40 000 Kämpfer umfassende Freiwilligen-Armee gegen die Faschisten und für den Erhalt der sozialistischen Spanischen Republik ein. Meilenweit davon entfernt die Ziele der Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten zu teilen, hatte sich die PNV und mit ihr der baskische Nationalismus aus autonomistischem Kalkül der Spanischen Republik verschrieben. Mit dem Sieg Francos im Baskenland, dem einzigen republikanischen Flecken im Norden der iberischen Halbinsel, wurden die baskische Sprache, Feiertage, kulturelle Bräuche und die politischen Organisationen verboten und die zwei am stärksten von den Nationalisten dominierten Provinzen zu „Verräterprovinzen" erklärt. Tausende flohen ins Exil oder landeten in den Gefängnissen der faschistischen Folterer.

Die Zeit des Franquismus führte im Baskenland zu einer breiten Ablehnung des spanischen Staates. Sahen vorher viele in einer Autonomie eine Lösung, so wuchs nun die Zustimmung zu einem generellen Bruch mit dem faschistischen Spanien, für den die in den 50er Jahren entstandene baskische Linke steht. Da die PNV bis weit in die 50er Jahre an dem Glauben fest hielt, die westlichen Nationen würden Franco ebenso wie Hitler niederwerfen - was aber im Interesse eines stabilen Westeuropas nicht geschah - entwickelten sich innerhalb des Baskenlands neue Ideen.
Angeregt von der algerischen sowie der kubanischen Revolution, begannen sich die traditionellen nationalistischen Vorstellungen zu verändern. Dies zeigte sich zuallererst im Wandel des Staatsbürgerkonzepts, demnach jede/r, der/die im Baskenland lebe, BaskIn sein könne. Die teilweise immer noch rassistischen Vorstellungen der konservativen Nationalisten wurden somit über Bord geworfen. Ziel war fortan nicht nur die Befreiung vom Faschismus und in der Konsequenz ein unabhängiges Baskenland, sondern auch ein sozialistisches. So entstand ETA Ende der 50er Jahre als Teil der weltweiten Stadtguerilla-Bewegung.
Die Popularität, welche die bewaffnete Organisation bei aller Kritik - bis heute im Baskenland genießt und gegen deren Verfolgung in den vergangenen 30 Jahren hunderttausende auf die Straßen gingen, geht maßgeblich auf deren Kampf gegen den Faschismus zurück. Denn ETA unterstützte nicht nur die ArbeiterInnenkämpfe, der in den 60er Jahren wieder erstarkenden baskischen und spanischen ArbeiterInnenbewegung, sondern beschleunigte mit der gezielten Ermordung des designierten Franco-Nachfolgers und -stellvertreters, Carrero Blanco, auch das Ende des Faschismus in Europa. Als Franco 1975 starb, war die Diktatur formal am Ende.

Die Zeit nach Franco wird in Spanien als Transición (Übergangsperiode) bezeichnet, und offiziell hat nach 1975 ein Wechsel zur Demokratie stattgefunden. Das gilt aber nur eingeschränkt, denn ähnlich wie in Deutschland blieben faschistische Beamte und Richter in ihren Ämtern und - besonders entscheidend - die Guardia Civil, eine kasernierte und quasi-militärische Polizei, wurde nicht aufgelöst und besteht bis heute. 1979 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, und Spanien verstand sich fortan und entgegen den Erwartungen der ehemaligen antifaschistischen Opposition als eine parlamentarische Monarchie. Im Rahmen eines eingeschränkten Autonomiestatuts bildeten ebenfalls 1979 drei der vier baskischen Provinzen eine Autonome Gemeinschaft, welche die Linke aber als nicht weitreichend genug ablehnte. Bei den jeweiligen Referenden im Baskenland erfuhren sowohl die Verfassung als auch das Autonomiestatut eine hohe Ablehnung unter den Stimmberechtigten, was nicht zuletzt auf Boykottaufrufe der Linken zurückging.

Bestimmend für die Zukunft wurde die Auseinandersetzung um die politischen Gefangenen, deren Zahl Ende der siebziger Jahre wieder den gleichen Stand wie unter Franco erreicht hatte und die heute über 700 beträgt. Auch die systematische Folter, die meist in den ersten Tagen nach der Verhaftung, in denen der Kontakt zu Anwälten oder Verwandten untersagt ist, stattfindet, hielt an; bis heute.

Trotz der starken Repression, die Mitte der 80er Jahre in der Gründung von Todesschwadronen (GAL) gipfelte, die über 20 Menschen töteten, gibt es im Baskenland bis heute eine breite Linke Bewegung. Neben immer wieder kehrenden Arbeitskämpfen existiert vor allem eine starke Jugend- und Umweltbewegung.

Der baskischen Anti-Atombewegung gelang es den geplanten Bau eines Atomkraftwerkes zu verhindern. Militante Massenproteste auf der Straße und die Erschießung und Bedrohung von Ingeneuren durch die ETA sorgten für den Abbruch des Meilerbaus in der Nähe Bilbaos. Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern entstand zu Beginn der 80er Jahre eine autonome Jugendbewegung, deren Identifikation über Musik, Kollektivität und selbstständige Politik funktioniert. Seitdem gibt es überall im Baskenland Gaztexes (besetzte Häuser), die in etwa Autonomen Zentren vergleichbar sind, und es mangelt nicht an linkem Punk und Ska, der auch über die Grenzen des Baskenlands hinaus bekannt wurde.

Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Dauerthema der baskischen Linken ist immer noch der Kampf für die Freiheit bzw. die Zusammenlegung der politischen Gefangenen. Die in den 80er Jahren einsetzende Zerstreuungspolitik sorgt dafür, dass Gefangene möglichst weit vom Baskenland entfernt inhaftiert sind. Manche Angehörige fahren für einen viertelstündigen Besuch 1000 Kilometer und mehr. Als es 1998 in Lizarra mittels eines breiten politischen Bündnisses erstmals in Ansätzen zu einem Friedensprozess kam, der auch von einer fast zweijährigen Waffenruhe der ETA (Euskadi ta Askatasuna- Baskenland und Freiheit) begleitet war, fanden nahezu täglich Demonstrationen für die Gefangenen statt. Die Verhandlungen scheiterten, als die Regierung Aznar statt zu verhandeln einen der ETA-Delegierten verhaften ließ und auch sonst keine große Bereitschaft zeigte, auf die Forderungen nach einer Volksabstimmung im Baskenland einzugehen. Ende 2004 wurde von der illegalen Partei Batasuna vor 15 000 Menschen ein erneuerter Friedensvorschlag vorgestellt. Dieser wurde bis heute ignoriert.

Solidarität mit den angeklagten baskischen GenossInnen!
Das Verfahren 18/98 hat die gesamte baskische Linke zum Ziel. Dabei wird allen linken baskischen Gruppen und Organisationen eine direkte Zusammenarbeit mit ETA unterstellt. Mit dem Verbot von Tages- und Wochenzeitungen, der Kriminalisierung von Gefangenengruppen, der polizeilichen Schließung von Treffpunkten und Kneipen sowie dem Verbot der sozialistischen Partei Batasuna soll die linke Unabhängigkeitsbewegung diskreditiert und zerschlagen werden. Dass dies bisher nicht gelungen ist, spricht für die Breite der Bewegung und die zahlreichen Solidaritätsbekundungen aus aller Welt. Ein erster Teil des 18/98-Prozesses ist bereits im Mai 2005 gegen die Jugendorganisationen Segi und ihre beiden Vorgängerinnen Jarrai und Haika geführt worden. Er endete mit Haftstrafen von bis zu dreieinhalb Jahren für die 16 Angeklagten.

Auf einer ebenfalls obskuren Beweislage verläuft bisher auch der Prozess gegen die restlichen 66 Angeklagten, deren AnwältInnen bis Prozessbeginn noch immer keine Einsicht in die Tausende Seiten starken Akten nehmen durften. Die Öffentlichkeit, welche der Prozess zumindest in Spanien hat, scheint dem Nationalen Gerichtshof mittlerweile unangenehm zu werden, denn auch diesmal scheint das ETA-Konstrukt nicht aufzugehen.

Der Prozess wurde daher zwischenzeitlich ausgesetzt. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Angeklagten nicht trotzdem verurteilt werden. Auch die deutsche Bundesregierung ignoriert die Existenz von Folter und Sondergesetzen in Spanien und liefert baskische Gefangene, die von der spanischen Regierung als ETA-Mitglieder bezeichnet werden, aus. Dies wird erleichtert mit dem im Zuge des 11. September 2001 eingeführten zusätzlichen Paragrafen 129b „Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland". Gegen den Basken Paulo Elkoro, der hier politisches Asyl beantragt hat, läuft bereits ein Ermittlungsverfahren nach 129b mit dem auch sein Nürnberger Umfeld ausspioniert wird.

Hoch die internationale Solidarität!
Im Baskenland besteht eine breite linke Bewegung, deren politische Ausdrucksformen und Inhalte den unseren nahe stehen. Wir solidarisieren uns mit den antifaschistischen, antirassistischen, feministischen, antimilitaristischen, antikapitalistischen und internationalistischen Kämpfen der baskischen Linken.

Dem "nationalen Befreiungskampf" stehen wir mit unserem Erfahrungshintergrund in der deutschen Linken kritisch gegenüber. Die gesellschaftliche Situation im Baskenland und die Diskussionen in der dortigen Linken sind aber gänzlich andere als in Deutschland. Der baskische Befreiungsnationalismus hat keinen chauvinistischen oder expansiv-aggressiven Charakter. Vor dem historischen Hintergrund im Baskenland ist der Kampf der baskischen Linken für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland nachvollziehbar. Es wäre verkürzt die baskische Bewegung alleinig auf die „nationale Frage" zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund solidarisieren wir uns mit dieser linken Bewegung und den von Repression betroffenen Gruppen im 18/98-Verfahren der spanischen Staatsanwaltschaft.

Für ein freies und sozialistisches Baskenland!
Indepentzia eta Sozialismoa!