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Veranstaltungen und Kranzniederlegung

Plakat Peix Krämer

Am 6. November 2006 jährte sich die Ermordung von Karl Peix und Walter Krämer zum 65. Mal. Die beiden waren als KPD-Abgeordnete und antifaschistischen Widerstandskämpfer im Harz und in Bad Lauterberg aktiv. Am 6.11.1941 wurden Peix und Krämer von der SS im Außenlager Goslar des KZ Buchenwald erschossen.

Mit einer Veranstaltungsreihe haben verschiedene antifaschistische Initiativen den Ermordeten gedacht und setzten sich zugleich mit der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung und des Widerstandes gegen den deutschen Faschismus auseinander.

In Göttingen, Hannover, Halberstadt, Nordhausen und Bad Lauterberg fanden jeweils Veranstaltungen statt. Die Diavorträge mit Originaldokumenten und Zeitzeugeninterviews wurden von Bernd Langer gehalten: Geboren 1960 in Bad Lauterberg, dort ab 1978 Mitarbeit im antifaschistischen Arbeitskreis, Herausgeber zahlreicher Publikationen zum antifaschistischen Widerstand und seit den 80er Jahren Aktivist der autonomen Szene. Hier findet ihr mehr zu Bernd Langer .

Am Sonntag, den 5. November 2006 nahmen etwa 30 Antifaschistinnen und Antifaschisten an einer Kranzniederlegung am Gedenkstein am Feldenkeller in Bad Lauterberg teil.

Das nebenstehende Plakat zur Veranstaltungsreihe könnt ihr euch hier als pdf downloaden.



Das Faltblatt zum 6.11.2006 könnt ihr hier als pdf runterladen .

Die Ungleichen

Zum 65. Jahrestag der Ermordung von Walter Krämer und Karl Peix im KZ Außenlager Goslar

Nebel liegt über den Höhen des Harzes. Schon gut eine Stunde marschiert eine Gruppe von acht Männern durch den kalten, grauen Novembertag. Endlich erreichen sie die abseits gelegene Baubude der Kiesgrube bei Hahndorf. Ein bekannter Ablauf: kurze Verschnaufpause, während ein Kalfaktor von einer nahen Pumpstation Wasser holt. Anschließend beginnt das Arbeitskommando mit dem Kiesabbau.

Heute ist es anders, denn der SS-Posten bestimmt den KZ-Häftling Krämer zum Wasserholen. Die anderen werden vom zweiten Posten in die Baubude befohlen.

Walter Krämer nimmt die Eimer auf und geht vor dem Uniformierten her, wortlos, nur ihre Stiefel schmatzen durch den Morast, um sich die laublose Öde. Niemand sonst ist hier auf dem zerfahrenen Weg zur Wasserstelle.

Plötzlich ein Geräusch, metallen, physisch: ‚Der Hund lädt sein Gewehr durch!‘ – Krämer will sich umdrehen, da kracht der Schuss. Von hinten niedergeschossen bricht er zusammen, eine zweite Kugel beendet sein Leben.

Fast zeitgleich knallt ein SS-Scherge Karl Peix auf dem Gelände des Fliegerhorstes mit einem Pistolenschuss nieder. Erst vor ein paar Tagen waren beide von Buchenwald ins Außenlager Goslar gekommen.„Auf der Flucht erschossen“ lautete die gebräuchliche Formulierung zur Vertuschung der Verbrechen.

1941 war der Tod ein Meister aus Deutschland. Das Nazi-Regime unterjochte große Teile Europas, der II. Weltkrieg forderte seine Opfer. Selbst in Nordafrika und der Sowjetunion siegten die Armeen der faschistischen Wehrmacht. Was bedeuteten da zwei Tote mehr oder weniger? Es spielte auch keine Rolle, dass es sich um bekannte Arbeiterführer aus Niedersachsen und KPD-Abgeordnete handelte. Die Morde bildeten nur ein winziges Steinchen im Mosaik des Grauens, das bald vergessen sein würde – darauf spekulierten die Täter. Sie sollten Unrecht behalten. Nazi Deutschland und seine Verbündeten verloren den Krieg und die Verbrechen des NS-Regimes bleiben für immer mit dem Namen Deutschland verbunden. Ein schwieriges Vermächtnis, wie das der beiden Toten von Goslar, zweier ungleicher antifaschistischer Widerstandskämpfer.

Revolution im Harz

Dreiundzwanzig Jahre vor den Schüssen in Goslar, am 6. November 1918, verweigerten die Matrosen der deutschen Hochseeflotte in Kiel den Gehorsam. Diese Meuterei löste eine revolutionäre Bewegung aus, die binnen weniger Tage das gesamte Deutsche Reich erfasste und zur Beendigung des I. Weltkrieges und der Monarchie in Deutschland führte. Inspiriert vom Vorbild der Revolution in Russland übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte allerorts die Macht. In Deutschland wurde die Republik proklamiert. Die rote Fahne, das alte Symbol der Arbeiterbewegung, wurde das Sinnbild der Stunde. Dort, wo eine größere Industriearbeiterschaft existierte, zeichnete sich die Formierung einer kommunistischen Bewegung ab, im Harzgebiet vor allem in Braunschweig, aber auch in einem so kleinen Ort wie Bad Lauterberg.

Eine erste Bewährung bestand die revolutionäre Bewegung mit der Abwehr des Kapp-Putsches 1920. Der Putschversuch rechtradikaler Militärverbände scheiterte an einem Generalstreik. Im Zuge dieser Ereignisse bewaffnete sich vielerorts die organisierte Arbeiterschaft. Im Ruhrgebiet führte das zur Aufstellung einer „Roten Armee“, die wenig später nach schweren Kämpfen mit regierungstreuen Freikorps zerschlagen wurde. Im Harz gab wiederum Bad Lauterberg ein Beispiel: Eine Arbeiterwehr formierte sich. Junge Proleten, deren Durchschnittsalter zwischen sechzehn und Anfang zwanzig lag stellten das Gros der Aktivisten. An Ausfallstraßen und strategisch wichtigen Punkten in der Stadt zogen bewaffnete Trupps auf. Daraufhin marschierten Reichswehrtruppen auf Bad Lauterberg. Ihre aussichtslose Lage erkennend, ließen die Arbeiter ihre Waffen verschwinden und leisteten keinen Widerstand. Trotzdem kam es nach der Besetzung der Harzstadt zu einigen Verhaftungen und später auch Verurteilungen. Welche Rolle Karl Peix, geboren 1899 in Herzberg, während dieses Geschehens spielte ist nicht bekannt. Sicher ist, dass er sich schon früh in der Arbeiterbewegung organisierte und 1921 zu den Mitbegründern der KPD in Bad Lauterberg zählte, die bald einen Unterbezirk mit 400 Mitglieder bilden sollte – bei damals 6000 Einwrn!

Konsolidierung

Zwischen 1918 und 1923 kam es im Deutschen Reich zu mehreren bewaffneten Aufständen, mit denen die Revolution durchgesetzt werden sollte. Sie endeten sämtlich mit Niederlagen und führten 1923 zum Verbot der KPD. Nach ihrer Wiederzulassung im selben Jahr wandelte sich die Partei auf Geheiß der Kommunistischen Internationale zu einer parlamentarischen Kraft.

Zu diesem Zeitpunkt bildete sich in der KPD ein Stamm von Berufsrevolutionären heraus, die sich als Avantgarde einer weltweiten kommunistischen Bewegung unter Führung der Sowjetunion verstanden. Nach dem bolschewistischen Vorbild trieben diese Kader den Aufbau eines schlagkräftigen Parteiapparates voran. Das führte zu harten Auseinandersetzungen unter den Kommunisten und zum Machtkampf in der KPD. In Niedersachsen blieb die Parteiarbeit zwischen 1923 und 1925 durch erbittert geführte Flügelkämpfe gelähmt. Letztlich gelang der „Moskaufraktion“ die Durchsetzung ihrer Politik. 1930 trat John (Jonny) Schehr an die Spitze des Bezirks Niedersachsen. Die damit einsetzende effektive Parteiarbeit und eine neue Weltwirtschaftskrise bildeten die Grundlagen, durch die sich die KPD zu einer relevanten politischen Kraft entwickeln konnte.

Ursächlich für den Erfolg der KPD blieb aber ihr Nimbus als revolutionäre Partei, die den Kapitalismus abschaffen wollte. Neben den faschistischen Organisationen stand der KPD deshalb der staatliche Polizeiapparat gegenüber. Für die KPD waren Faschisten und Polizeistaat Erscheinungsformen des kapitalistischen Systems. Tatsächlich wirkte es oft so, als ob staatliche Zwangsmaßnahmen und faschistische Organisationen zusammenspielten, insbesondere als sich Ende der 20er Jahre die ökonomische und politische Lage zuspitzte und es ständig zu militanten Auseinandersetzungen mit Verletzten und Toten kam. Verbote, Verhaftungen, juristische Verfahren gehörten zum Alltag der Partei-Aktivisten. Karl Peix war davon genauso betroffen wie Walter Krämer.

Krämer stammte aus Siegen/Westfalen, wo er 1892 das Licht der Welt erblickte. Sein Vater war preußischer Staatsbeamter. Krämer entstammte damit bürgerlichen Verhältnissen und war vom Elternhaus konservativ eingestellt. Auch der Beruf des Schlossers, den Walter Krämer erlernte, zählte damals zu den besseren, hochqualifizierten Berufen. 1911 meldete er sich freiwillig zur kaiserlichen Marine und politisierte sich erst während des I. Weltkrieges. 1917 beteiligte sich Krämer an einer Meuterei was ihn bis zum Kriegsende hinter Gitter brachte. Nach dem Krieg blieb er seinen politischen Idealen treu und wurde 1920 Kompanieführer der Roten Ruhrarmee in Essen. Seit 1921 Mitglied der KPD blieb er ein Aktivist, der immer mit einem Bein im Knast stand. 1932 musste Krämer kurzzeitig in die Illegalität abtauchen, doch im April des gleichen Jahres wurde er als einer von 57 KPD-Abgeordneten in den Preußischen Landtag gewählt. Durch sein Mandat genoss er Immunität und konnte Ende Mai 1932 die Nachfolge von John Schehr als Politischer Sekretär der Bezirksleitung Niedersachsen antreten. Walter Krämer und Karl Peix wurden damit unmittelbare Kampfgenossen; eine Phase die nicht lange währen sollte.

1933, in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar, brannte das Reichstagsgebäude in Berlin. Unter dem Eindruck des Geschehens gelang es den Nazis in Koalition mit den bürgerlichen Parteien, das Inkrafttreten der „Ermächtigungsgesetze“ zu erwirken. Damit waren den Faschisten alle Machtmittel in die Hand gegeben, um ihre Herrschaft zu festigen. Noch in der Nacht des 28. Februar wurden mehr als 10 000 Antifaschisten verhaftet. Walter Krämer befand sich gerade in Hannover, wohin er spätabends aus Goslar gekommen war. Um 5.30 Uhr holte ihn die Polizei ab und er kam in „Schutzhaft“. Karl Peix konnte gewarnt werden und untertauchen. Trotz Großrazzien, Massenverhaftungen und erheblichen Überwachungsmaßnahmen im Südharz gelang es ihm bis Oktober 1933, den NS-Schergen immer wieder zu entkommen und sich aktiv an der Organisierung des antifaschistischen Widerstandes zu beteiligen. Als er in Hannover gefasst wurde, hatte er umfangreiches Agitationsmaterial bei sich.

Widerstand im KZ Buchenwald

Peix und Krämer gingen durch die Folterkeller der SA in Hannover und durch verschiedene Gefängnisse, bis sie sich im KZ Buchenwald wieder trafen. Die mörderischen Arbeitsbedingungen des im Jahr 1937 eingerichteten KZ hatten die Errichtung eines Krankenreviers notwendig gemacht. Allerdings waren die Verhältnisse in diesem Krankenbau entsetzlich. Von der SS eingesetzte und ihr treu ergebene BV (Berufsverbrecher) fungierten als Verantwortliche und malträtierten die Kranken. Von medizinischer Versorgung konnte kaum die Rede sein.

Während dieser Zeit kam Karl Peix als Sanitäter in das Krankenrevier. Zusammen mit anderen politischen Gefangenen organisierte er den Kampf gegen die BV–Häftlinge. Schließlich konnte das Krankenrevier unter die Verantwortung von politisch Inhaftierten gebracht werden. Ein paar Monate später gelang es den Antifaschisten auch Walter Krämer als Funktionshäftling im Krankenbau unterzubringen. Walter Krämer wurde zur legendären Gestalt der Widerstandsgruppe. Angetrieben durch das Leid und Elend der Kameraden, eignete er sich Fähigkeiten zur Behandlung der Kranken an. Er studierte alle verfügbaren Bücher und ließ sich wichtige Kenntnisse von inhaftierten jüdischen Ärzten vermitteln. Krämer war schließlich in der Lage, selbstständig Operationen durchzuführen. Im April 1939 setzte ihn die SS als 1. Pfleger vom Dienst ein und Karl Peix als seinen Stellvertreter. „Die Übernahme der Funktion eines Revierkapos brachte moralische Konflikte mit sich. Der Kapo war den SS-Ärzten unterstellt und musste weitgehend deren Weisungen erfüllen. Zwar vermochte er manches zum Besseren zu wenden, aber es stand nicht in seiner Macht, die Verbrechen der SS an Kranken zu verhindern.“, lautet ein Zitat aus der Broschüre „Arzt für die Häftlinge“ von Bodo Ritscher (Weimar-Buchenwald 1988), die das Dilemma, in denen sich die Funktionshäftlinge befanden, beschreibt. Dennoch verbesserte sich die Situation für die Kranken grundsätzlich.

Allerdings blieb die Lage für die Widerstandsgruppe im Krankenrevier riskant. Brisant war schon allein der Einblick, den die Gruppe in die Korruption hatte, mit denen sich SS-Männer im Lager bereicherten. Auch dass einige SS-Offiziere lieber die Häftlingen konsultierten als ihre eigenen Ärzte, brachte kaum Sicherheit für die Antifaschisten. Im Gegenteil: Welch Damoklesschwert schwebte über den Häuptern von Krämer und Peix durch die Syphilis, die sich der Lagerkommandant Koch insgeheim von ihnen behandeln ließ? Dazu kamen die Widerstandsaktionen gegen die Anordnungen der SS. Als zum Beispiel die ersten 2000 sowjetischen Gefangenen im Oktober 1941 im KZ eintrafen, behandelten die Häftlingskapos die Kranken trotz eines Verbotes. Nicht lange danach befahl der Lagerkommandant Koch, die Häftlinge Krämer und Peix ins KZ Fernkommando nach Goslar zu verlegen, ein Außenlager, das vom 25. November 1940 bis zum 7. Dezember 1942 existierte und aus 140 KZ-Häftlingen bestand. Peix und Krämer sollten auf Befehls Kochs ermordet werden. Wenige Tage nach ihrer Ankunft in Goslar wurden sie fast zeitgleich am 6. November 1941 erschossen. Bereits am übernächsten Tag, am 8. November 1941, waren beide Leichen im Krematorium des KZ Buchenwald eingeäschert. Die Mörder wurden nie zur Rechenschaft gezogen.

Politische Vergangenheitsbewältigung

Während sich die BRD vom antifaschistischen Widerstand der Kommunisten distanzierte und den Mantel des Vergessens über diesen Teil der Geschichte breiten wollte, war er in der DDR Teil der Staatsideologie. Medizinische Einrichtungen, Schulen, ein Schnellboot der Volksmarine, Kollektive und Straßen erhielten den Namen „Walter Krämer“. Über den Häftlingsarzt von Buchenwald wurde geforscht und publiziert. Eine Weiterführung dieser Ehrung erfuhr Krämer durch den Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“, der ihm postum im Jahre 2000 für die Rettung von Juden durch die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem verliehen wurde.

Im Gegensatz dazu findet der Name Karl Peix kaum Erwähnung, denn er eignet sich nicht zum Helden. Während die erbarmungslosen Bedingungen des KZs den humanen Charakter von Walter Krämer zur Geltung kommen ließen, war Karl Peix dafür bekannt, seine Machtposition zur Erpressung homosexueller Gefälligkeiten auszunutzen. Dass sich Krämer dennoch nicht von Peix trennte, mag daran gelegen haben, dass dieser trotz aller bitteren Geschichten viele Dinge bewirkte, die der Widerstand im Krankenrevier so nicht möglich gewesen wäre.

Das alles zeigt, wie schwierig es ist, sich ein Urteil über Karl Peix und andere Aspekte des antifaschistischen Widerstandes zu bilden. Mit unseren Veranstaltungen wollen wir versuchen, das Handeln der kämpfenden Frauen und Männer nachvollziehbar zu machen. Es geht um das Aufspüren historischer Erfahrungen und die Frage, welchen Nutzen sie für die heutigen Auseinandersetzungen haben können. Und es geht darum, dass nicht vergessen wird, dass es Widerstand gegen den Faschismus gab – zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen!

Bottom Line