Politischer Erfolg für antifaschistischen Widerstand in Göttingen am 13.Mai 2006

Am 13.Mai 2006 versuchten NPD und Freie Kameradschaften in Göttingen einen "Doppelaufmarsch" durchzuführen. Schon im Vorfeld ist dies gescheitert, da das Oberverwaltungsgericht entschied, die Aufmärsche wegen des "militanten antifaschistischen Widerstands" in Göttingen zu verbieten. Das BVG entschied letztendlich, dass die Nazis eine zweistündige Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz durchführen dürfen.

Der Tag wurde zu einem politischen Erfolg für AntifaschistInnen, denn über 6000 Menschen beteiligten sich an der Bündnisdemo gegen Rechts und direkte Aktionen konnten trotz des massiven Aufgebots von 6800 PolizistInnen durchgesetzt werden. Desaströs war der Tag für das Häuflein Nazis und für Stadtverwaltung, Unileitung und rechten AStA, die eine Kundgebung "gegen jeglichen Extremismus und Gewalt" fernab vom Geschehen veranstalteten. Mehr als 50-150 Leute nahmen daran nicht teil...

Im folgenden dokumentieren wir unsere Seite zum Verlauf des Tages. Unsere Mobiliserungsseite zum 13.Mai 2006 findet ihr hier .


In einer ersten Presseerklärung bewertet die A.L.I. den 13. Mai 2006 als einen "politischen Erfolg für den antifaschistischen Widerstand". Über 6.000 Menschen beteiligten sich am Mittag an der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts und wendeten sich damit nicht nur gegen das peinliche Häuflein Neonazis auf dem Bahnhofsvorplatz, sondern auch gegen die martialische Polizeipräsenz zum Schutz der FaschistInnen und die "Extremismus"-Spaltungsversuche der Konservativen.


Bilder 13. Mai 2006 | Vorabenddemo | Agit-Prop-Aktion | Solidarität! | Presse | Flugblatt nach dem 13. Mai | Unsere Mobilisierungsseite |

Mindestens 2.000 Antifas beteiligten sich am Antifa- und Jugendblock in der Bündnisdemo. Der Antifablock wurde von einem massiven mehrreihigen Polizeispalier begleitet, mehrfach versuchten die bayerischen Einheiten Seitentranparente zu unterbinden und den Antifablock von der restlichen Demo abzutrennen. Das kämpferische Auftreten der Antifas und das solidarische Verhalten der BündnispartnerInnen wiesen die Polizei aber in ihre Schranken.

Am Markt wurde aus dem Antifablock gegen eine Gruppe Neonazis vorgegangen, die sich erdreisteten, aus einem Straßencafé heraus die Demo zu beobachten. Hier kam es zum Schutz der Faschisten zu einem brutalen Polizeieinsatz.

Der Antifablock versuchte nach Erreichen der Abschlusskundgebung vom Platz der Synagoge weiter in Richtung Neonazikundgebung zu ziehen, wurde aber von sehr massiven Polizeikräften aufgehalten.

Die Anreise der FaschistInnen wurde durch mehrere Aktionen behindert: Nördlich von Göttingen wurde eine Gleisblockade errichtet, die einen Zug mit dem die Neonazis anreisten, vorübergehend aufhielt. Auf der Bundestraße B27 wurden brennende Barrikaden errichtet. Neonazis, die im Bahnhof eintrafen, wurden von etwa 100 AntifaschistInnen mit gellenden Pfiffen und "Nazis raus!"-Rufen empfangen. Auch einige Kaffeebecher sollen ihren Weg in die von Polizeieinheiten beschützten Nazigruppen gefunden haben.

Weiter Berichte findet ihr auf www.goest.de und auf www.puk.de

Wir stellen hier einige erste Bilder online. Weitere Informationen, Einschätzungen und Fotos folgen in den nächsten Tagen. Vielen Dank an die FotografInnen! Weitere Fotos findet ihr außerdem bei www.puk.de und www.mob-action.de


Bilder vom 13. Mai 2006

Über 6.000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts. Mindestens 2.000 davon in einem Antifa- und Jugendblock, zu dem die A.L.I. sowie die antifaschistische Jugendgruppe Linke Aktion Göttingen L.A.G. aufgerufen hatten.

Mit über 6.000 bundesweit rangekarrten PolizeibeamtInnen wurde die Naziveranstaltung weiträumig abgesperrt und massiv gegen antifaschistische Proteste vorgegangen. Über 2 Millionen Euro hat sich der Staat heute die Sicherheit seiner FaschistInnen kosten lassen.

Zur absoluten politischen Bruchlandung geriet die Kundgebung von Stadtverwaltung, Kirchen CDU, Uniführung und rechtem AStA am Albanikirchhof/ Stadthalle. Hier wollte sich nur ein trauriges Häuflein "Gegen Extremismus und Gewalt" versammeln. Die Versuche aus diesem Lager, die militanten AntifaschistInnen aus dem Bündnis gegen Rechts zu drängen und das Bündnis zu schwächen ist damit gescheitert.

Eine Gruppe von AntifaschistInnen führte während der Kundgebung der "Mitte-Extremisten" eine Transparentaktion durch und begleitete die Rede des Unipräsidenten Kurt von Figura mit linken Parolen.


Vorabend-Demo

Bereits am 12. Mai 2006 fand eine linksradikale Vorabend-Demo der redical M statt, an der etwa 500 Menschen teilnahmen. Auch die A.L.I. hatte aufgerufen. Nach einer offensiven Agit-Prop-Aktion am Demo-Ende stürmte die Polizei ein Uni-Gebäude, um die Aktivisten festzunehmen.


Agit-Prop-Aktion auf dem Bahnhofsvorplatz

Vor dem 13. Mai 2006 haben bereits verschiedenste Aktionen gegen die angekündigte Neonaziveranstaltung stattgefunden. Einige Bilder einer besonders originellen Agit-Prop-Aktion, die am frühen Morgen des 12. Mai 2006 auf dem Bahnhofsvorplatz stattgefunden hat, wurden an uns weitergeleitet:

Bilder oben: 12. Mai 2006, Göttingen, Bahnhofsvorplatz am frühen Morgen. Bilder unten: Einige Stunden später ist auch die Göttinger Zivilpolizei aufgestanden und holt die Nazipuppe vom Baum, schleppt diese zur Straße und lädt sie in den Kofferraum.


Solidarität!

Die Polizei hat während des letzten Wochenendes zahlreiche AntifaschistInnen in Gewahrsam oder festgenommen und Strafverfahren eingeleitet. Solltet ihr selbst davon betroffen sein, wendet euch bitte an die Rote Hilfe Göttingen.

Die Rote Hilfe Göttingen lädt am Dienstag, den 23. Mai 2006, zu einem Treffen ein. Hier soll über juristische Möglichkeiten, gegen die teils illegalen Ingewahrsamnahmen vorzugehen, beraten werden.

Nach Ansicht der auf das Versammlungs- und Polizeirechts spezialisierten AnwältInnen, die während des Polizeieinsatzes am 12./13. Mai 2006 in Göttingen im anwaltlichen Notdienst aktiv waren, waren die Ingewahrsamnahmen und die Unterbringung während des Gewahrsams rechtswidrig. Die Rote Hilfe ruft auf, sich gemeinsam und effizient zu wehren. Die Chancen dafür stehen sehr gut. Hierfür sollten sich möglichst viele der von den gesamten polizeilichen Maßnahmen Betroffenen an einer gemeinsamen juristischen
"Gegenoffensive" beteiligen.

Meldet Euch - informiert andere!

Treffen dazu am Dienstag, den 23.05.2006 | 18.00 Uhr | Rotes Zentrum | Geismar Landstr. 6 | Göttingen

Rote Hilfe Ortsgruppe Göttingen
c/o Buchladen
Nikolaikirchhof 7
37073 Göttingen
Telefonnummer 0551/ 77 0 8001
Mail: goettingen [at] rote-hilfe.de


Für die laufenden Verfahren und Prozesse nach dem 29. Oktober 2005 und die gegenwärtigen Repressionen sammeln wir Geld. Angeklagt werden einige, für das was wir gemeinsam erfolgreich geschafft haben. Spendet auf das Sonderkonto:

Rote Hilfe Göttingen
Kontonummer: 13 50 20
Sparkasse Göttingen
BLZ: 260 500 01
Stichwort: Naziaufmärsche


Pressemeldungen

 

Junge Welt, 16.05.2006
Nachspiel im Landtag
Niedersachsens Fraktionschef der Grünen: Aufgebot von 7000 Beamten »völlig überzogen«


Der Polizeieinsatz im Umfeld der Kundgebung der rechtsextremen NPD und bei Gegendemonstrationen am Sonnabend in Göttingen hat ein politisches Nachspiel im niedersächsischen Landtag. Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen, kündigte am Montag eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung an. Wenzel will wissen, ob Berichte zutreffen, daß Beamte am Vorabend der Demonstrationen auch einen 15jährigen Jungen und ein 16jähriges Mädchen festgenommen haben und deren Eltern erst am Tag darauf über den Verbleib ihrer Kinder informierten.

Der Vater des Mädchens hatte auch gegenüber junge Welt erklärt, seine Tochter sei am späten Freitag abend auf dem Göttinger Wilhelmsplatz von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Dort war zuvor eine erste Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch zu Ende gegangen. Weil es in Göttingen nicht genügend Arrestzellen für weibliche Gefangene gegeben habe, sei das Mädchen in der Nacht nach Hannover gebracht worden, sagte der Vater. Von all dem habe er erst im Verlauf des Sonnabends erfahren. Die Polizei wolle den Vorwürfen nachgehen, sagte ein Sprecher auf Anfrage.

Nach Aussage von Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel waren am Sonnabend annähernd 7000 Beamte aufgeboten, um die Kundgebung von rund 200 NPD-Anhängern zu schützen und »Ausschreitungen« von Gegendemonstranten zu verhindern. Die aus zwölf Bundesländern zusammengezogenen Polizisten kontrollierten 1374 Personen und nahmen insgesamt 44 Menschen in Gewahrsam. Außerdem wurden etwa 100 Autos durchsucht. Dabei seien unter anderem Baseballschläger, Eisenstangen und Brandbeschleuniger sichergestellt worden – bei wem, wurde nicht bekanntgegeben. Der Einsatz hat nach Polizeiangaben rund zwei Millionen Euro gekostet.

Grünen-Fraktionschef Wenzel nannte den Einsatz gestern »völlig überzogen«. Die zur Rechtfertigung des großen Polizeiaufgebotes bemühten Gewaltprognosen und Bürgerkriegsszenarien seien durch die Wirklichkeit und die friedliche Demonstration von 6000 Menschen widerlegt wurden. Auch das Gerede von angeblich 1500 gewaltbereiten Autonomen sei absurd, sagte Wenzel: »Wenn sich ein Göttinger Jugendlicher eine Kapuzenjacke anzieht, eine Sonnenbrille aufsetzt und gegen Rechtsextremismus demonstriert, darf man ihn doch nicht pauschal als gewaltbereit denunzieren.«

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Stadtradio Göttingen, Montag, 15 Mai 2006
Politiker bewerten Polizeieinsatz

Der Göttinger Landtagsabgeordnete der Grünen, Stefan Wenzel, hat den Polizeieinsatz am vergangenen Samstag als „völlig überzogen“ kritisiert.
Die Grünen seien erfreut darüber, dass das herbei geredete Gewaltszenario von der Wirklichkeit widerlegt worden sei. Offenbar sei dieses Szenario erforderlich gewesen, um den überzogenen und teuren Polizeieinsatz zu rechtfertigen, sagte Wenzel. Auch sollten damit offenbar schwere Fehler der Stadt und der Polizeieinsatzleitung im vergangenen Oktober kaschiert werden. Die Bündnisdemonstration am vergangenen Samstag habe ein machtvolles und deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Gewalt gesetzt. Damit hätten die Göttinger erneut deutlich gemacht, dass in der Stadt kein Platz für Nazis und Rechtsextremisten sei. Der Kreisvorstand und die Kreistagsfraktion der CDU bezeichneten den Polizeieinsatz als „überlegt und erfolgreich“. Der Fraktionsvorsitzende Harald Noack erklärte, durch die entschiedene Haltung der Beamten hätten potenzielle Gewalttäter ihre Pläne für Straftaten aufgegeben. Für die Teilnehmer der Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz sei deutlich geworden, dass Göttingen kein Ort sei, wo auch nur ein Funken Sympathie für rechtsextreme Gesinnung aufkeime.

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Stadtradio Göttingen, Montag, 15 Mai 2006
Demonstration nach rechtsextremer Kundgebung

Im Anschluss an die Kundgebung am Göttinger Bahnhofsvorplatz am vergangenen Samstagnachmittag haben die Teilnehmer aus der rechtsextremen Szene eine Demonstration in Elze bei Hildesheim durchgeführt.
Entsprechende Informationen des StadtRadios bestätigte heute der Pressesprecher der Polizei in Hildesheim, Claus Kubik. Etwa 100 Personen hätten in Elze den Zug aus Göttingen verlassen und vor Ort eine 30-minütige Demonstration durchgeführt. Als die Polizei eintraf, wurden etwa 40 Personen zurück in den Zug geleitet. Die restlichen verließen Elze mit einem am Bahnhof geparkten Reisebus, mit dem sie bereits vormittags angereist waren.

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Stadtradio Göttingen, Montag, 15 Mai 2006
Polizei löst Konzert der rechten Szene auf

Die Polizei hat am vergangenen Samstagabend ein Konzert der rechtsextremen Szene in Dassel aufgelöst. Ein Sprecher der Northeimer Polizei sagte, das Konzert habe am späten Nachmittag in einer Scheune begonnen. Da diese baurechtlich nicht genehmigt sei und nach erheblichen Ruhestörungen habe die Polizei das Konzert am Abend beendet. Die Beamten nahmen die Personalien der etwa 60 Gäste auf. Drei Personen müssen mit Anzeigen u.a. wegen Ruhestörung und des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole rechnen. Der Polizei liegen keine Hinweise vor, dass die Konzertbesucher aus dem Umfeld der Kundgebung am Göttinger Bahnhofsvorplatz stammten.

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Stadtradio Göttingen, Montag, 15 Mai 2006
Hanisch zieht positive Bilanz nach Demonstration

Nach der Demonstration des „Bündnis gegen Rechts“ am Samstag in Göttingen hat der Regionsvorsitzende des DGB Lothar Hanisch eine positive Bilanz des Tages gezogen. Der Protestmarsch mit sechs- bis siebentausend Teilnehmern sei erfolgreich und friedlich verlaufen, sagte Hanisch gegenüber dem StadtRadio. Die große Beteiligung an der Demonstration, darunter etwa ein Drittel Teilnehmer aus dem autonomen Spektrum, habe ihn mehr als überrascht. Dies sei ein deutliches und erfolgreiches Zeichen gegen Rechts. Dafür dankte er allen Teilnehmern der Demonstration. Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Einsatzleitung der Polizei bezeichnete Hanisch als „gut und positiv“. Scharfe Kritik übte der Regionsvorsitzende am Kamerateam eines privaten Fernsehsenders. Nach Beobachtungen von Demonstrationsteilnehmern hatten die Reporter für ihren Fernsehbeitrag Teilnehmer des autonomen Antifablocks aufgefordert „Randale zu machen“.

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TAZ, 15.5.2006
Signal an NPD: Fahrt wieder nach Hause!
6.000 Gegendemonstranten und 6.000 Polizisten: Parolen der NPD verhallen in Göttingen ungehört


GÖTTINGEN taz Genau zwei Stunden waren die Neonazis in Göttingen. "Haut ab", riefen einige Gegendemonstranten am Bahnhofsplatz. Andere sangen: "Ihr könnt nach Hause fahren", als die Rechten abmarschierten. Trotz massiver Polizeiabsperrungen war es einigen Demonstranten gelungen, in die Nähe der NPD-Kundgebung zu gelangen.

Über 6.000 Beamte hatte die Polizei am Samstag in der niedersächsischen Unistadt zusammengezogen. Die erwarteten massiven Ausschreitungen blieben jedoch aus. An die 6.000 Menschen folgten dem Aufruf "Göttingen zeigt Gesicht" des "Bündnisses gegen rechts" von Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und Antifa-Initiativen. Etwa 50 Personen kamen zu der von der Stadtverwaltung, Unileitung und CDU ausgerichteten Kundgebung gegen "Extremismus und Gewalt". "Das ist keine Spaltung", betonte Lothar Hanisch, DGB-Regionalleiter, und merkte süffisant an, dass die CDU sich noch nie an dem Bündnis beteiligt hätte. Direkter griff Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef im Landtag, OB Jürgen Danielowski (CDU) an. Seit Tagen provoziere das massive Polizeiaufgebot, erklärte der Grünen-Fraktionschef im Landtag: Deeskalierend wirke das nicht. Die Stadt hätte zudem nicht mit dem Verweis auf schwere Gewalttaten von links versuchen sollen, die NPD-Aktion ganz zu verbieten, sondern mit dem Nachweis darauf, dass die Rechten "SA-Parolen und -Strategien" nutzten.

Gabi Andretta, SPD-Stadtverbandsvorsitzende, betonte: "Wenn die Gerichte die Rechten nicht stoppen, müssen wir das tun." Bei der Demonstration löste die Polizei indes selbst Rangeleien aus, als sie versuchte mehrere Polizeiketten mitten durch die Demonstranten zu schieben. Am Marktplatz kam es kurz zu Ausschreitungen. Bekannte Neonazis, die die Demo beobachteten, wurden erkannt. "44 Personen kamen im Laufe des Tages in Gewahrsam", erklärte ein Polizeisprecher der taz und meinte: "Für so ein großes Polizeiaufgebot recht wenig."

Mit einem Sternenmarsch wollte die NPD sich eigentlich wegen eines gescheiterten Marschs revanchieren. Vor Monaten musste sie wegen des breiten Protests nach 500 Metern umkehren. Bis vor das Verfassungsgericht zog der Neonazi Christian Worch, um den Marsch genehmigt zu bekommen. Es blieb bei der zeitlich befristeten Kundgebung. Weiträumig abgeschirmt von der Polizei hörten die knapp 150 Neonazis ihren Rednern zu. Niemand sonst konnte sie hören. ANDREAS SPEIT

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Junge Welt, 15.05.2006
7000 Polizisten als Fascho-Garde

Trotz martialischen Polizeiaufgebots ließen sich die 6000 Menschen, die am Samstag in Göttingen gegen einen Aufmarsch von 200 NPD-Mitgliedern und -sympathisanten demonstrierten, nicht provozieren. Die zwei Demonstrationen gegen rechts verliefen weitgehend friedlich. Gleichzeitig fanden sich laut Polizei knapp 100 Rechtsextremisten aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden in Koblenz ein, gegen die rund 1500 Menschen auf die Straße gingen. Laut Polizeiangaben kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. Vor dem Aufmarsch in Koblenz hatten die Rechtsextremisten bereits am Samstag mittag im Westerwaldort Marienfels für die Wiedererrichtung eines Ehrenmals der Waffen-SS demonstriert. Es war im April 2004 von unbekannten Tätern zerstört worden. (AP/jW)

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Junge Welt, 15.05.2006
Tausende friedlich gegen Neonazis
Trotz Polizeiauftrieb kaum Zwischenfälle bei Demo gegen Aufzug von 200 NPDlern in Göttingen


die im Vorfeld herbeigeredete Gewalt haben Tausende am Samstag in Göttingen gegen einen Aufmarsch der rechtextremen NPD protestiert. In seltener Übereinstimmung sprachen sowohl die Polizei als auch das Bündnis gegen rechts als Veranstalter der Demonstration von rund 6000 Teilnehmern. Die Antifaschistische Linke International, eine der aufrufenden Gruppen, wertete die Demonstration trotz des gigantischen Polizeieinsatzes als Erfolg. Die Polizei hatte annähernd 7000 Beamte aus zwölf Bundesländern sowie Wasserwerfer, Räumpanzer und Hubschrauber aufgeboten, um die Versammlung von etwa 200 Rechtsextremen vor dem Göttinger Bahnhof vor den Antifaschisten zu schützen.

Ganz Rangeleien ging es nicht ab – einige Male gerieten Polizisten und Autonome aneinander. Als Demonstranten vor einem Café einen stadtbekannten Neonazi entdeckten und auf ihn zustürmten, setzten Beamte Schlagstöcke ein und drängten die Nazigegner zurück. Insgesamt 44 Personen seien am Samstag in Gewahrsam genommen worden, berichtete die Polizei.

»Unser Konzept der Stärke ist aufgefangen«, freute sich Göttingens Polizeipräsident Hans Wargel. Er rechtfertigte die »sehr enge polizeiliche Begleitung« der angeblich rund 1500 »Gewaltbereiten«, die als »schwarzer Block« in der Demonstration mitgelaufen seien. »Es war absolut richtig, mehr als 6000 Beamte einzusetzen. Weniger hätten es nicht sein dürfen«, so Wargel nach der Demonstration. Der Polizeieinsatz hat rund zwei Millionen Euro gekostet.

Trotz der weiträumigen Absperrungen und Kontrollen gelangten Nazigegner mehrmals in die Nähe der Rechtsextremen. »Wir sind mit Nahverkehrszügen zum Göttinger Bahnhof gekommen und haben den anreisenden Nazis mit Sprechchören ordentlich die Meinung gesagt«, berichtete eine Frau. Einer weiteren Gruppe Antifaschisten gelang es nach eigenen Angaben, nördlich von Göttingen einen Zug mit anreisenden NPD-Leuten durch eine Schienenblockade vorübergehend zu stoppen. Auf der Bundesstraße 27 im Norden der Stadt mußte die Polizei eine Barrikade räumen.

Der Vorsitzende der Göttinger Jüdischen Gemeinde, Harald Jüttner, sagte bei der Abschlußkundgebung des Bündnisses gegen Rechts, viele jüdische Bürger der Stadt seien entsetzt über den Aufmarsch der NPD. Die rechtextreme Partei mißbrauche das Recht auf Meinungsfreiheit für Hetze gegen Ausländer, Juden und Andersdenkende.

Bereits am Freitag abend hatten rund 700 vor allem jüngere Menschen bei einer »Warm up«-Demo gegen die NPD-Veranstaltung protestiert. Im Anschluß daran kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen auch Flaschen flogen und Sonderkommandos der Polizei regelrecht Jagd auf vermeintliche Antifaschisten machten. Mindestens zwölf Menschen wurden im Laufe der Nacht festgenommen, sie mußten teilweise auch den ganzen Samstag in Arrestzellen verbringen. Nach Angaben von Eltern waren unter den Eingesperrten auch 15 und 16 Jahre alte Schüler.

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HNA, 15.5.2006
Polizei hatte alles im Griff
Keine Ausschreitungen - Wargel sieht Konzept der Stärke bestätigt



GÖTTINGEN. Die Erleichterung war hinterher bei allen spürbar. Nachdem die Gegen-Demonstration zur NPD-Kundgebung am Samstag in der Göttinger Innenstadt friedlich verlaufen war, atmeten die Verantwortlichen bei Veranstaltern und Polizei hörbar auf. 6000 Menschen hatten sich an der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts beteiligt. Weitere 150 hatten an der Kundgebung von Stadt, Kirchen und Universität teilgenommen.

"Das ist bombastisch", freute sich der Regionsvorsitzende Lothar Hanisch des DGB, der die Demonstration des Bündnisses angemeldet hatte. Es sei eine kraftvolle, aber friedliche Demonstration gegen die Rechtsextremisten gewesen.

"Ich bin sehr erleichtert", sagte Polizeipräsident Hans Wargel. Das Konzept der Stärke habe sich bewährt. Er lobte aber auch die Bündnis-Demonstranten, denen es gelungen sei, Distanz zu gewaltbereiten Demo-Teilnehmern zu wahren. Von denen machte die Polizei 1200 bis 1500 in einem Block linker Autonomen aus. Dieser wegen ihrer Kleidung "schwarzer Block" genannte Trupp wurde von starken Polizeikräften begleitet.

So blieb es während der Demo trotz einer teilweise etwas aufgeheizten Stimmung weitgehend ruhig. Nur am Gänseliesel gab es einen kurzen Schlagstockeinsatz als Autonome aus dem Zug einen Gast in einem Straßencaf attackierten, den sie als Neonazi identifiziert hatten.

Insgesamt waren an diesem Wochenende 6700 Polizisten aus zwölf Bundesländern in Göttingen im Einsatz. Allein 5500 während der Kundgebungen. "Weniger hätten es auch nicht sein dürfen", betonte Wargel mit Hinweis auf die Erfahrungen vom 29. Oktober 2005, als Barrikaden brannten und mehr als 1000 Autonome es der Polizei mit einer Kleingruppentaktik unmöglich machten, der NPD ihre damals genehmigte Demo-Route freizumachen.

Um keine bösen Überraschungen zu erleben, hatte die Polizei diesmal im Vorfeld viele Demonstrationsteilnehmer kontrolliert und Taschen sowie Autos durchsucht. Der Bahnhofsvorplatz, wo die zweistündige NPD-Kundgebung mit 200Teilnehmern stattfand, war ab 9.30 Uhr von der Polizei hermetisch abgeriegelt. Reisende konnten das Innere des Bahnhofs bis etwa 15.30Uhr nur von der Westseite aus erreichen.

Wasserwerfer standen in Bereitschaft. Über der Stadt kreisten bis weit nach Kundgebungsende zwei Hubschrauber. Außerdem hatte die Polizei Einsatzkräfte im ganzen Stadtgebiet verteilt, um schnell präsent zu können, falls es abseits der Kundgebungen zu Ausschreitungen kommen sollte.


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Die Welt, 15.5.2006
6000 Demonstranten gegen die NPD
Aufmarsch in Göttingen weitgehend friedlich - Großaufgebot der Polizei


Göttingen - Rund 6000 Menschen haben am Sonnabend weitgehend friedlich gegen eine Kundgebung der rechtsextremen NPD in Göttingen demonstriert. Obwohl sich nach Angaben des Göttinger Polizeipräsidenten Hans Wargel unter den Demonstranten bis zu 1500 gewaltbereite Linksautonome befanden, kam es am Rande des von starken Einsatzkräften begleiteten Protestzuges lediglich zu einigen kleineren Rangeleien. Drei Polizisten wurden leicht verletzt. Von verletzten Demonstranten oder Sachschäden sei nichts bekannt.

Im Oktober vergangenen Jahres hatten Linksautonome während einer NPD-Demonstration in Göttingen Dutzende Barrikaden errichtet und entzündet. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei hatte es zahlreiche Verletzte gegeben. Um ähnliche Vorfälle zu verhindern, hatte die Polizei am Wochenende 6700 Beamte aus elf Bundesländern zusammengezogen.

Dieses "Konzept der Stärke" habe sich ausgezahlt, sagte Wargel. Die unter anderem aus Berlin, Hamburg und Frankfurt angereisten Gewaltbereiten seien offenbar beeindruckt gewesen. Versuche, auf einer Zufahrtsstraße eine Barrikade zu errichten und eine Schienenblockade zu organisieren, seien gescheitert.

Die Polizei hatte umfassende Kontrollen organisiert und stellte die Identität von rund 1400 Verdächtigen aus der rechten und linken Szene fest. Die Beamten durchsuchten mehr als 300 Personen und zahlreiche Autos. 54 Menschen kamen für längere Zeit in Gewahrsam, sagte Einsatzleiter Rainer Langer. Zudem wurden 84 Platzverweise ausgesprochen. Die Beamten leiteten 24 Strafverfahren ein.

Am Göttinger Bahnhof hatten sich rund 200 Anhänger der NPD versammelt. Sie stammen nach Erkenntnissen der Polizei vor allem aus Norddeutschland. Das Gelände wurde von einem massiven Polizeiaufgebot weiträumig abgeschirmt. An zentralen Stellen standen Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge bereit. Der Polizeieinsatz hat nach Angaben von Wargel Kosten von rund zwei Millionen Euro verursacht. lni


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NDR, Niedersachsen, 15.5.2006
Tausende protestieren gegen NPD-Aufmarsch in Göttingen

Rund 6.000 Menschen haben am Samstag in Göttingen gegen einen Aufmarsch der NPD demonstriert. Die Polizei zog eine positive Bilanz: Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus. Polizeipräsident Hans Wargel lobte die friedliche Demonstration des Bündnisses gegen Rechts. Den Demonstranten sei es gelungen, sich von gewaltbereiten Autonomen zu distanzieren.

Polizei verteidigt starke Präsenz

Nach einem Bericht von NDR 1 Niedersachsen sorgte das massive Polizeiaufgebot in der Stadt für geteilte Reaktionen. Viele Bürger Göttingens hielten es für übertrieben. Die Polizei hatte 6.500 Einsatzkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen, über der Innenstadt kreisten Hubschrauber. Die Polizei verteidigte jedoch die starke Präsenz. Wargel sprach von 1.200 bis 1.500 gewaltbereiten Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum, "von denen Straftaten ausgegangen wären, wenn wir nicht mit diesen starken Kräften vor Ort gewesen wären".
Rangeleien am Vorabend

Am Rande der Kundgebungen war es nur vereinzelt zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei leitete elf Strafverfahren ein, 44 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Am Freitagabend war es nach Polizeiangaben am Rande einer Protestaktion gegen die NPD-Kundgebung zu Rangeleien zwischen einigen Teilnehmern und den Einsatzkräften gekommen. Zu der NPD-Versammlung vor dem Bahnhof erschienen am Samstag knapp 200 Teilnehmer. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Kundgebung unter strikten Auflagen gebilligt.

Breites Bündnis gegen Rechts
Zum Protest gegen die NPD-Veranstaltung hatten zahlreiche Organisationen aufgerufen. Den Marsch durch die Innenstadt hatte das Göttinger Bündnis gegen Rechts organisiert. Nur etwa 50 Menschen kamen zu einer zeitgleich angesetzten Kundgebung, zu der Göttingens Oberbürgermeister Jürgen Danielowski (CDU), die beiden großen christlichen Kirchen und die Universität aufgerufen hatten.

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Stadtradio Göttingen, Montag, 15. Mai 2006
6.000 Personen demonstrieren gegen NPD

Rund 6.000 Personen haben am Samstag in der Göttinger Innenstadt gegen Neonazis demonstriert. Nach Angaben des Göttinger Polizeipräsidenten Hans Wargel befanden sich unter den Demonstranten des „Bündnis gegen Rechts“ etwa 1.500 gewaltbereite Autonome. Um mögliche Straftaten zu verhindern, seien diese mit starken Polizeikräften teilweise sehr eng begleitet worden. Gegenüber dem StadtRadio bewertete Wargel den Polizeieinsatz als vollen Erfolg. Dem Konzept der Stärke und der flexiblen Aufstellung im gesamten Stadtgebiet sei es zu verdanken, dass es in Göttingen überwiegend friedlich geblieben sei. Insgesamt nahm die Polizei am Wochenende 54 Personen in Gewahrsam und leitete 24 Strafverfahren ein. An dem Einsatz waren insgesamt etwa 6.700 Polizisten beteiligt, davon etwa 5.500 am Samstag. An einer gemeinsamen Kundgebung von Stadt, Universität und den Kirchen am Albaniplatz beteiligten sich etwa 200 Personen. Bei der Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz versammelten sich knapp 150 Anhänger der rechtsextremen Szene, die Polizei spricht von etwa 200 Teilnehmern. Bereits am Freitagabend hatten rund 700 Personen gegen die rechtsextremistische Versammlung demonstriert.

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Frankfurter Rundschau, 15.5.2006
Friedliche Proteste gegen Aufmärsche von Rechten

Göttingen/Koblenz · Weitgehend friedlich haben am Wochenende mehrere tausend Menschen in Göttingen und Koblenz gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten protestiert. In Göttingen demonstrierten nach Polizeiangaben am Samstag etwa 200 Rechtsextremisten unter großem Polizeiaufgebot, an zwei Gegendemonstrationen beteiligten sich etwa 5000 Menschen. In Koblenz fanden sich laut Polizei knapp 100 Rechtsextremisten aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden ein, gegen die rund 1500 Menschen auf die Straße gingen.

Insgesamt seien in Göttingen 44 Menschen festgenommen und elf Strafverfahren eingeleitet worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. In Koblenz wurden laut Polizei 16 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam genommen und 20 Strafanzeigen gestellt. Unklar war zunächst, ob die Festgenommenen aus dem linken oder aus dem rechten Spektrum stammten. ap

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Extra Tip, 14.5.2006

Großer Protest gegen NPD-Kundgebung
Der 2 Millionen Euro-Tag


210 Teilnehmer hatte die NPD-Kundgebung, die gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf dem Göttinger Bahnhofsvorplatz stattfand. Die Gegendemonstration des „Bündnis gegen Rechts“ war 6 000 Menschen stark. Dafür, dass diesmal fast nichts zu Bruch ging, sorgte ein Polizeiaufgebot von 6 000 Beamten. Dieser Einsatz kostete den Steuerzahler satte zwei Millionen Euro! Das macht 9 524 Euro pro NPD-Teilnehmer...

(Göttingen / luco, bb, star) „Unglaublich, dass für diese Kundgebung, die keiner hier haben will, so viel Geld ausgegeben wird, wo sonst im ganzen Land gespart wird.“ So die einhellige Meinung vieler Göttinger, die sich an diesem Tag in der Innenstadt zeigten. Einig war man sich aber auch in der Erleichterung darüber, dass das befürchtete Chaos ausblieb. „Unser Konzept der Stärke ist aufgegangen“, freute sich Polizeipräsident Hans Wargel am Abend. Göttingen hatte sich einen Tag lang im Ausnahmezustand befunden: Überall Polizeireihen in der martialischen „Turtle“-Ausrüstung, Fahrzeugkontrollen an allen großen Einfallstraßen, Wasserwerfer und Mannschaftsbusse warteten auf ihren Einsatz, kilometerlange Absperrgitterreihen hielten die Menschen vom Bahnhof fern, drei Helikopter (einer sogar von der Bundespolizei entsand) knatterten stundenlange über der Stadt. So verhinderte die Polizei größere Ausschreitungen. Der riesige Demonstrationszug durch die Innenstadt zog friedlich seine Runde.

210 NPD-Anhänger sorgten dafür, dass sich Göttingen gestern im Ausnahmezustand befand. Rund 6 000 Gegendemonstranten protestierten friedlich. Was auch ein Verdienst der Polizei war, die mit über 6 000 Mann und Frau vor Ort war. Göttingen im Kampf gegen Rechts – das Protokoll:

10.22 Uhr: Ruhe vor einem Sturm – auch in Weende? Einsatzkräfte aus Leipizig und drei Grüne Minnen warten auf ihren Einsatz. Jogger lassen sich von der merkwürdigen Szenerie nicht beirren.
10.27 Uhr: Ruhe auch in Geismar, Verkehrskontrolle. Die Beamten sind locker und entspannt, die Autofahrer fragen nach freien Straßen in die Stadt.
10.29 Uhr: Erste Aufregung am Göttinger Bahnhof, Nebelbomben auf Gleis 7. Wenig später die Entwarnung, es waren nur volltrunkene Fußball-Fans aus Kaiserslautern auf dem Weg nach Wolfsburg.
10:30 Uhr: Am Kreuzbergring / Ecke Bühlstraße wartet ein Wasserwerfer SH 3. Dort ging’s bei der letzten Demo heiß her.
10:35 Uhr: Am Nabel werden Polizeikontrollen durchgeführt – Autonome werden besonders kontrolliert, Rucksäcke müssen geöffnet werden.
10.44 Uhr: Rechtsdezernent Wolfgang Meyer trifft auf der Goetheallee seinen Sohn. Väterliche Anweisung: „Da geht’s zur vom DGB organisierten Bündnis - Demo!“
10.52 Uhr: Die ersten vier Rechten treffen vor dem Bahnhof ein.
10.57 Uhr: Jetzt sind es schon sieben Rechtsextremisten.
11.00 Uhr Uhr: Auf dem Waageplatz eröffnet der DGB-Regionsvorsitzende Lothar Hanisch die Kundgebung mit den Worten: „Wir wollen die braune Brut nicht in der Stadt haben!“ Ein Ratsbeschluss müsse doch ausreichen, kein Gericht soll so einen Beschluss der Bürgervertreter kippen können. Die Politik müsse Antworten finden, so Hanisch. „Totschweigen ist kein Mittel im Kampf gegen Rechts“, stimmt er auf den Demonstrationsmarsch ein.
11.10 Uhr: Die ersten Schätzungen der Polizei: 150 Teilnehmer auf dem Albaniplatz, 2 000 beim Bündnis gegen Rechts, 30 NPD-Anhänger vor dem Bahnhof.
11.30 Uhr: Immer noch strömen Menschen zum Platz der Synagoge. Der Zug setzt sich Richtung Goetheallee in Bewegung.
11:35 Uhr: „Sie werden jetzt an einen Bereich kommen, wo grün-weiße Männchen stehen, immer schön locker und cool bleiben“ - so eine Durchsage der Polizei!
11:37 Uhr: Ganz zufällig versperrt ein Lkw der Stadtreinigung den Weg am Leineufer in Richtung Nord. Der Demo-Zug stoppt.
11.38 Uhr: Nach Angaben der Polizei sammeln sich am Groner Tor etwa 80 bis 100 „gewaltbereite Autonome“. 11.47 Uhr: Es geht weiter an der Paulinerkirche vorbei, Polizeipräsident Hans Wargel beobachtet genau.
12.03 Uhr: Am Bahnhof treffen 130 Rechtsextremisten ein.
12.20 Uhr: Der Demozug des Bündnisses gegen Rechts geht am Gänseliesel vorbei. Die geplante Kundgebung fällt spontan aus.
12.24 Uhr: Der Zug stoppt auf Göttingens Prachtstraße. Die Bereitschaftspolizei zieht die Helme auf. Zwei vermutlich Rechte, die auf der Weender Kaffee trinken, beschimpfen die Autonomen. Die reagieren – es kommt zum Schlagstockeinsatz.
12.26 Uhr: Am Bahnhof werden die ersten Gegenstände konfisziert. Nazis mit Springerstiefeln müssen auf Socken weiterlaufen, die mit verbotenen Aufschriften auf T-Shirts und Jacken müssen die Kundgebung mit nacktem Oberkörper abhalten.
12.30 Uhr: Bei C & A, bei Nordsee und auch bei big lebowski gehen die Türen zu, Deuerlich hat die Auflage abgeräumt, die Sparkasse hat die Rollos unten. In dieser Minute beginnt die Kundgebung der Rechten auf dem Bahnhofsvorplatz.
13.05 Uhr: Der Demonstrationszug in der Innenstadt ist auf weit über 5 000 angewachsen und kommt zur Abschlusskundgebung auf den Platz der Synagoge. Der Platz ist viel zu eng, viele bleiben in der Reitstallstraße stehen. (Redebeiträge weiter unten)
13.14 Uhr: Polizeipräsident Hans Wargel informiert sich am Bahnhof über die aktuelle Entwicklung.
13.50 Uhr: Die NPD-Kundgebung ist beendet.
14.00 Uhr: Die Veranstaltung ist beendet, dem Organisator Hanisch fällt sichtbar ein Stein vom Herzen.
14.07 Uhr: Der erste Zug beladen mit Rechtsextremisten verlässt auf Gleis 7 die Stadt in Richtung Norden.
14.14 Uhr: Das „Göttinger Sieb“ sorgt für Unruhe: Die Polizisten lassen die Autonomen nur „tröpfchenweise“ das Areal rund um den Platz der Synagoge und Waageplatz verlassen.
14.17 Uhr: Der zweite Zug beladen mit Rechtsextremisten verlässt auf Gleis 5 die Stadt in Richtung Süden.
14.45 Uhr: Die Dönerverkäufer machen – der Demonstration sei Dank – an einem Tag den Umsatz einer ganzen Woche.

Die sehr kleine Kundgebung
Albani-Platz: Der Oberbürgermeister fehlte bei seiner eigenen Demonstration

Los ging es mit den Gegendemos um 11 Uhr mit der Kundgebung von Stadt Göttingen, Universität und Kirchen auf dem Albaniplatz – ganz weit weg vom Geschehen und mit sehr mäßiger Resonanz. Keine 100 Menschen hatten sich vor der Bühne versammelt. Im Laufe der Veranstaltung kamen auf dem Weg zur großen Gegendemonstration noch einmal rund 50 Menschen dazu. Wolf-Dietrich Köhler, der Superintendent der evangelischen Kirche in Göttingen, begrüßte die kleine Gruppe auf dem „ehemaligen Adolf-Hitler-Platz“ und verlas ein Grußwort der jüdischen Gemeinde und des DGB – beides gab es später am Platz der Synagoge als Rede zu hören.
Hauptrednerin war Bürgermeisterin Katharina Lankeit – denn Oberbürgermeister Jürgen Danielowski war sehr zum Ärger von SPD und Grünen nach Israel verreist. „Unsere Stadt will keine Neofaschisten“, stellte Lankeit klar, „wir werden nicht wegsehen, wenn die braunen Kolonnen durch unsere Stadt marschieren!“
Zweiter Redner war Unipräsident Kurt von Figura, der auf die schwierige rechtliche Situation einging, dabei aber von einer kleinen Gruppe schwarz Vermummter gestört wurde. Schnell sprangen ein paar Bürger mit bunten Regenschirmen und Einkaufsrollis vor das Plakat und entmutigt von so viel Gegenwehr zogen die Vermummten schnell wieder ab.
Auch die Veranstaltung auf dem Albaniplatz ging schnell vorbei. 11.45 Uhr war Schluss – Zeit genug, sich der „richtigen“ Gegendemonstration anzuschließen...

Die sehr große Kundgebung
Dürrbeck:„Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“

Weit über 6 000 Personen waren dagegen mit dem Demonstrationszug des Bündnisses gegen Rechts zum Platz der Synagoge gekommen. „Ich freue mich über diese riesige Beteiligung!“, dankte der DGB-Regionsvorsitzende und Organisator der Bündnis-Demonstration, Lothar Hanisch. Er gab das Mikrofon an Harald Jüttner von der Jüdischen Gemeinde weiter. „Wer menschenverachtende Parolen von sich gibt, hat kein Recht auf Meinungsfreiheit. Das sollte auch von den Gerichten endlich anerkannt werden.“ Alle die hier seien, hätten Gesicht gezeigt, so Jüttner. „Aber der Göttinger Oberbürgermeister als politischer Repräsentant der Bürger hat versagt!“
Es folgte ein kämpferischer Stefan Wenzel, MdL, Bündnis 90 / Die Grünen: „Wir sind mehr als 5 000! (Großer Jubel) Ich bin froh, dass sich niemand von dem martialischen Polizeieinsatz hat provozieren lassen“, so Wenzel, der die umgehende Freilassung derer forderte, die die Polizei am Freitag in Gewahrsam genommen hatte. Und: „Wir verstehen keinen Spaß, wenn Nazis in Göttingen demonstrieren wollen!“ Gabriele Andretta (MdL SPD) erinnerte an die Bücherverbrennung auf dem Albaniplatz und ärgerte sich über die deutschen Gerichte, die es damals wie heute nicht schaffen würden, die Nazis zu verbieten. Sie warnte davor, dass die NPD versuche ihren Bogen bis ins bürgerliche Lager zu schlagen. „Null Toleranz für Nazis!“, so Andretta.
Den Abschluss der Kundgebung bestritt Peter Dürrbeck vom VVN. Der Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes brachte es auf den Punkt: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“ Organisator Hanisch dankte noch einmal allen Beteiligten für die Teilnahme: „Göttingen ist eine weltoffene Stadt und soll es auch bleiben!“ Fazit: „Wir hatten mit 3 000 Teilnehmern an unserer Demonstration gerechnet“, so Hanisch im Gespräch mit dem EXTRA TIP. „Es freut mich sehr, dass es so viele mehr geworden sind und dass die Demonstration auch überwiegend friedlich verlaufen ist. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei der Göttinger Bevölkerung und auch bei der Polizei.“
Eine Sache hatte dem Organisator hefig Kopfschmerzen und eine schlaflose Nacht bereitet: „Ich kann die Fernsehproduktionsgesellschaften nicht verstehen, die die Autonomen zur Randale aufgefordert haben, damit sie gute Bilder bekommen!“ Dies sei ihm von verschiedenen Seiten zugetragen worden und mehr als ärgerlich, so Hanisch.

Polizeipräsident Hans Wargel sieht das Konzept der Stärke aufgegangen
Polizeipräsident Hans Wargel war sichtlich entspannter als im letzten Oktober. „Ich bin wesentlich erleichterter als das letzte Mal, da der Einsatz friedlich abgelaufen ist. Unser Konzept der Stärke ist aufgegangen“, resümierte er. „Wir rechnen noch mit Reaktionen in der Nacht – aber auch darauf sind wir eingestellt.“ Von etwa 6 000 Demonstranten auf der Bündnis-Veranstaltung geht die Polizei aus. „Etwa 1 200 bis 1 500 Gewaltbereite waren darunter“, schätzt Wargel. „Diese haben wir während der Demonstration eng begleitet!“ Auch deshalb wäre es zu keinen Ausschreitungen gekommen, so der Polizeipräsident.
Die Kundgebung am Bahnhof zählte 210 Teilnehmer. Vizepräsident Rainer Langer leitete den Einsatz, bei dem insgesamt 6 700 Beamte, davon 5 500 am Samstag, im Einsatz waren. „Die polizeilichen Maßnahmen sind ruhig umgesetzt worden und wir haben mit der Zahl der Beamten die Gewaltbereiten beeindruckt und flexibel im Raum agiert“, so Wargel.
Es gab 1 364 Identitätsfeststellungen, 44 Ingewahrsamnahmen, jede Kontrolle habe der Gefahrenabwehr gedient, so Langer. Drei Polizeibeamte seien verletzt worden, eine Beamtin davon Fremdeinwirkung.
Nicht bestätigt wurde von Seiten der Polizei eine kurzzeitige Beeinflussung des Bahnverkehrs. Auf der B 27 wurde auf Höhe des Weender Krankenhauses kurzzeitig von zehn Personen ein Barrikade errichtet. Als die Polizei eintraf, waren die Personen verschwunden und die Straßensperre wurde schnell beseitigt.
Auf Höhe des Marktplatzes habe es einen Schlagstockeinsatz gegeben, bestätigt die Polizei. In einem Straßencafé hatten sich vermutlich Rechte lautstark gegen die Demonstration geäußert, als der autonome Block vorbeikam... Auch die Maßnahme, nach Ende der Bündnisdemonstration die Autonomen eher tröpfchenweise wegzulassen, begründete Wargel mit Gefahrenabwehr.
Aus Norddeutschland, Bremen, Lüneburg, Hameln, Hildesheim und Northeim seien die Teilnehmer der Kundgebung am Bahnhof gekommen. Der Bündnis-Demonstration, so die Erkenntnisse der Polizei, schlossen sich Personen aus Hamburg, Berlin, Frankfurt/ Main, Erfurt und ganz Niedersachsen an.
Die Kosten für den Polizeieinsatz belaufen sich auf etwa zwei Millionen Euro.

SPD-Kritik an Danielowski:
„Die Stadt im Stich gelassen!“

Eine ganze Stadt protestierte gegen den NDP-Aufmarsch, nur das Stadtoberhaupt war nicht dabei, sondern auf Dienstreise in Jerusalem. Dafür hagelte es Kritik von allen Seiten, ob SPD, Grüne oder Jüdische Gemeinde. Nach Angaben der Verwaltung vertrat Jürgen Danielowski die Stadt Göttingen bei einer internationalen Konferenz von Bürgermeistern in Jerusalem. Darüber sei der Verwaltungsausschuss informiert gewesen. Der Haken: Nach Informationen der Göttinger SPD-Fraktion war diese Konferenz bereits am Donnerstag, 11. Mai, beendet (siehe unten). Danielowski (oben bei der Stadtrundfahrt in Jerusalem mit Ehefrau Karin) hätte also am Samstag wieder hier sein können. „In so einer wichtigen Frage, bei der es um das Ansehen seiner Stadt geht, wäre der OB persönlich gefragt gewesen“, so die Kritik der SPD. Der Fraktionsvorsitzende Tom Wedrins: „Es ist für uns befremdlich, dass der OB nicht unmittelbar nach Ende der Konferenz zurückgekehrt ist. Das Konferenz-Ende am Donnerstag wirft Fragen auf, weil damit die Öffentlichkeit getäuscht worden wäre.“ Die SPD plane nun, im Verwaltungsausschuss eine entsprechende Anfrage zu stellen. Wedrins: „Das wäre ein Skandal, der Konsequenzen haben muss.“

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Presseerklärung der A.L.I. vom 13. Mai 2006, 16.00 Uhr

Politischer Erfolg für antifaschistischen Widerstand in Göttingen
5.000 bei Bündnisdemonstration gegen Rechts - Direkte Aktionen gegen Neonazis

Gegen eine Kundgebung von Neonazis am heutigen Samstag in Göttingen haben auf der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts über 5.000 Menschen protestiert. An einem Antifa- und Jugendblock, zu dem die Antifaschistische Linke International A.L.I. sowie die antifaschistische Jugendgruppe Linke Aktion Göttingen (LAG) aufgerufen hatte, beteiligten sich über 2.000 autonome AntifaschistInnen. Ein Großaufgebot behelmter PolizistInnen begleitete den Antifablock die gesamte Demonstration über mit einem engen Spalier und versuchte mehrmals den Antifablock vom Rest der Demonstration zu trennen. Die Demonstration wurde aber dennoch durchgesetzt. Eine Sprecherin der Göttinger Antifagruppe bewertete den heutigen Tag als politischen Erfolg:

„Die kraftvolle Demonstration, die sich gegen ein Überaufgebot an Polizeikräften den Weg durchkämpfen musste, hat das Kräfteverhältnis in der Stadt einmal mehr deutlich gemacht. Göttinger AntifaschistInnen werden sich auch in Zukunft nicht von der Polizei einschüchtern lassen und weiterhin offensiv gegen jeden Versuch der FaschistInnen, in Göttingen Fuß zu fassen, vorgehen“.

In der Nähe des Göttinger Marktplatzes musste ein Neonazi, der sich nahe der Demonstration in einem Cafe befand, das Weite suchen, nachdem er von AntifaschistInnen erkannt worden war. Die Polizei nutzte die Gelegenheit um auf die DemonstrantInnen einzuschlagen und die Demonstration mehrere Minuten lang aufzuhalten.


An der Kundgebung der Neonazis vor dem Bahnhof beteiligten sich etwa 150 FaschistInnen. Diese wurden bei ihrer Anreise bereits im Bahnhof von 100 AntifaschistInnen lautstark empfangen. Zeitweise wurde auch die Anreise der Faschisten durch eine Schienenblockade behindert. Während die Neonazis, von mehreren hundert PolizistInnen abgeschirmt, ihre Kundgebung abhielten, brannte auf einer der Zufahrtstraßen nach Göttingen eine Barrikade.

An der von Oberbürgermeister Danielowski sowie dem AStA der Universität einberufenen Kundgebung gegen rechte und linke Gewalt, die sich ausdrücklich von der Demonstration des Bündnisses gegen Rechts abgrenzte, beteiligten sich lediglich 150 Menschen. Das Anliegen der Stadt, das antifaschistische Bündnis zu spalten und den Widerstand gegen die Neonazis zu schwächen, war somit erfolglos.

Eine Sprecherin der A.L.I. äußerte hierzu: „Der Versuch von Stadt und rechtem AStA, den antifaschistischen Widerstand zu diskreditieren und als „extremistisch“ darzustellen, um somit die Mobilisierung gegen die Neonazikundgebung zu schwächen, ist kläglich gescheitert. Der politische Ansatz eines breiten antifaschistischen Bündnisses, gepaart mit offensiven Aktionen gegen die FaschistInnen und ihre polizeilichen BeschützerInnen, hat sich heute einmal mehr als Erfolg herausgestellt.“

Der Ermittlungsauschuss (EA) der Roten Hilfe teilte gegen 16.00 Uhr mit, dass es von Seiten der Polizei zu mindestens 35 „Ingewahrsamnahmen“ und 4 Festnahmen gekommen ist. In den Gefangenensammelstellen verhalten sich Polizei, Richter und Staatsanwälte sehr unkooperativ gegenüber den Rechtsanwälten und folgen offensichtlich politischen Vorgaben, so der EA.

 

 


Das Flugblatt Erfolg für den antifaschistischen Widerstand - Trotz Polizei und Stadtverwaltung! kann hier heruntergeladen werden (PDF, ca. 750KB).

 

 

Erfolg für antifaschistischen Widerstand - Trotz Polizei und Stadtverwaltung!

Mehr als 7000 AntifaschistInnen beteiligten sich am 13. Mai 2006 an de r Demonstration gegen die Neonazikundgebung von NPD und “Freien Kameradschaften” Göttingen, einmal mehrwurde deutlich, dass die FaschistInnen in Göttingen nur unter massivem Polizeischutz überhaupt einen Fuß auf den Boden setzen können. Während am 29.Oktober 2005 entschlossener antifaschistischer Widerstand die Route der Neonazis auf einige wenige Meter reduzierte, erlaubten die Gerichte ihnen dieses Mal aus Angst vor ähnlichen Bildern nur eine Kundgebung. Das muss als Erfolg des antifaschistischen Widerstands gewertet werden. Und selbst dieser Veranstaltung konnte der Polizeistaatsaufmarsch keinen störungsfreien Ablauf gewährleisten. Eine brennende Barrikade auf der Zufahrtsstraße, eine Schienenblockade und gellende Pfiffe am Kundgebungsort führten die polizeiliche Sicherheitsrhetorik ad absurdum .

Schon Wochen vor dem 13. Mai wurde in Göttingen von Seiten der Polizei der inoffizielle Belagerungszustand verhängt. Polizeipräsident Wargel hatte ein “hartes Vorgehen” sowie eine “niedrige Eingreifschwelle ” gegenüber AntifaschistInnen angekündigt. 24 Stunden am Tag observierten BereitschaftspolizistInnen linke oder alternativ aussehende Jugendliche und belästigten PassantInnen. Nach der Blamage des vorherigen Naziaufmarschs hatte wohl so mancher Angst um seinen Posten.

Dieser Polizeistaatsnaziaufmarsch bildete die Ergänzung zur Panikmache von Konservativen und Stadtverwaltung, die im militanten Widerstand das eigentliche Problem ausgemacht zu haben meint. Politik wird in deren Augen zur Formsache : Problematisch sind nicht die FaschistInnen die zum Teil offen an die nationalsozialistische Barbarei anknüpfen, sondern entschlossene AntifaschistInnen, die sich nicht an die Spielregeln ihrer “freiheitlich -demokratischen Grundordnung” halten. Konsequent mobilisierte Oberbürgermeister Danielowski (CDU) gegen “Extremismus und Gewalt”. Der damit unternommene Versuch, eine breite antifaschistische Mobilisierung zu spalten und zu schwächen, scheiterte allerdings an der kümmerlichen TeilnehmerInnenzahl. Die Linke mobilisierte mindestens 50 Mal mehr Menschen, als CDU, Stadtverwaltung und rechter AStA gemeinsam. Die am Albaniplatz Versammelten offenbarten ihren Antiextremismus, indem sie anwesende AntifaschistInnen tätlich angriffen. Auch die Verbalattacken einiger Kundgebungsteilnehmer, die sich damit brüsteten, schon “damals ” für Deutschland gekämpft zu haben, entlarvten den pseudo-neutralen Charakter der Veranstaltung als versteckte Parteinahme.

Trotz dieser widrigen Umstände ist der 13. Mai 2006 als Erfolg für alle AntifaschistInnen in Göttingen zu werten. Dass die antifaschistische Demonstration gegen den Willen der Polizeiführung durchgesetzt werden konnte, lag an der Entschlossenheit der anwesenden AntifaschistInnen und an der solidarischen Unterstützung der anderen Beteiligten des “Bündnisses gegen Rechts ”. Gemeinsam haben die bürgerlichen und autonomen AntifaschistInnen mit ihrer starken Mobilisierung und guten Zusammenarbeit die konservative Gegenmobilisierung und das repressive Vorgehen der Polizei ins Leere laufen lassen. Einmal mehr haben wir klargestellt, dass ein Neonaziaufmarsch in Göttingen den Ausnahmezustand bedeutet.

Angesichts der erfolgreichen Mobilisierung gegen Naziaufmärsche bleibt die offene Frage, wie die Linke ihre Stärke in Göttingen als politisches Kapital verwerten kann. Denn nach wie vor ist festzustellen, dass die Nazis zwar ein mörderisches Phänomen bundesrepublikanischer Realität sind, ihre Bekämpfung aber nur eine der Grundvoraussetzungen für die Überwindung kapitalistischer, antisemitischer, patriarchaler und rassistischer Verhältnisse. Eine vergleichbare Mobilisierung zu aktuellen sozialen Kämpfen könnte zumindest in Göttingen manche Verhältnisse zum Tanzen bringen.

Antifaschistische Linke International

im Mai 2006