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Buchvorstellung

>Unsere Opfer zählen nicht<

Die Dritte Welt* im Zweiten Weltkrieg

4. Mai 2005, 20 Uhr im Apex

Der 8. Mai 2005 steht für den 60. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus und für das offizielle Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Mit der Veranstaltung werden wir eine Perspektive einnehmen, die den herkömmlichen Blickwinkel auf Geschichte und Gedenkpolitik erweitert: Die Perpektive der Menschen in den kolonisierten Ländern, also im Trikont und in Ozeanien.

Wer die Macht hat, hat das Sagen. Deshalb zählen weder die Taten noch die Opfer der unterdrückten und kolonisierten Menschen. DIese werden bewusst und unbewusst verschwiegen und diffamiert. Deutschland und Japan wurden besiegt, aber als Hauptakteuren des Krieges haben ihnen HistorikerInnen in aller Welt zahlreiche und detaillierte Untersuchungen gewidmet. Die betroffenen Länder selbst können sich aus wirtschaftlichen Gründen Forschungen und Publikationen nur selten leisten. Ihre Stimmen kommen daher nur selten zu Wort und fehlen in der internationalen Diskussion.

Um eine Auseinandersetzung mit diesem Thema zu beginnen, laden wir eine Autorin des Buches "Unsere Opfer zählen nicht" vom Rheinischen JournalistInnenbüro ein. Dieses Dokument bricht mit der Tradition rassistischer Geschichtsschreibung und verschafft den Menschen aus den Trikont-Staaten und Ozeanien, die Stimme sind, Gehör in den Metropolen. Eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema könnte weitreichende Folgen für die Opfer der betreffenden Staaten haben: Ihre Nachfahren könnten die Kriegsverursacher zur Rechenschaft ziehen und Entschädigungen verlangen. Ebenso könnte sich die Politik gegenüber den abhängigen Ländern verändern - schon deshalb wird das Thema von den für den Zweiten Weltkrieg Verantwortlichen und von den Kolonisatoren bis heute gleichermaßen verdrängt und verschwiegen.

Der Zweite Weltkrieg betraf die gesamte Weltbevölkerung. Doch die meisten der kolonialisierten Menschen zogen nicht freiwillig in den Kampf, um das "Mutterland" zu verteidigen. Die Kolonialherren rekrutierten junge Männder durch Zwangsmaßnahmen, Frauen wurden von den Japanern als angeblich "bereitwillige Dienerinnen des Kaisers" als zwangsprostituierte verschleppt und dabei oft dutzendfach am Tag vergewaltigt. Im Krieg wurden die Soldaten aus den unterdrückten Ländern genauso rassistisch behandelt wie zu Hause in den Kolonien: Der Sold betrug höchstens die Hälfte von dem der "Weißen", sie erhielten in der Regel kein Entlassungsgeld und keine Rente.

Die King's African Rifles wurden in den Sandalen an die Front geschickt - Stiefen bekamen sie erst nach den Gistgasangriffen der Italiener in Äthiopien. Die Baracken der Afrikaner waren ebenso aus Holz wie ihre Pritschen - die britischen Soldaten hatten Matratzen und Betttücher. Die Verpflegung ihrer eigenen Soldaten ließen sich die Briten drei Mal so viel kosten wie die ihrer afrikanischen Soldaten.
Etliche Kolonialsoldaten kündigten unter diesen Umständen ihren Gehorsam auf. Einige tausend Soldaten der ostafrikanischen Askaris weigerten sich im Februar 1942, an Bord eines Schiffes nach Ceylon zu gehen. Die meisten hatten bereits zwei Jahre Heimaturlaub in Äthiopien gekämpft - mit der Geduld am Ende wurden erstmals offen Befehle verweigert und Offiziere angegriffen.
Eine andere Art des Widerstandes gründete sich auf den Philippinen. Die japansichen Streitkräfte überrollten 1942 die Inselgruppen, hunderttausende Soldaten terrorisierten damit die philippinische Bevölkerung. Die Widerstandsbewegung Hukbalahap gründete sich und umfasste im Laufe der Zeit etwa 30.000 bewaffnete KämpferInnen und 70.000 ReservistInnen. Remedios Gomez-Paraisa kommandierte damals als eine der wenigen Anführerinnen eine Einheit der philippinischen PartisanInnen.
Auch Ozeanien war einer der Kriegsschauplätze im Zweiten Weltkrieg, wie u.A. die vergessene Geschichte von Biuki Gasa und Aaron Kumana dokumentiert. John F. Kennedy war Kapitän bei der US-amerikanischen Marine. Im August 1943 entdeckte ein japanischer Zerstörer sein Schiff im Westen der Salomon-Inseln und rammte es. Das Schiff explodierte und sank, elf Marines überlebten, darunter der damals 26-jährrige Kennedy. Sie strandeten auf einer Insel und überlebten nur, weil zwei einheimische Küstenwächter, Gasa und Kumana, sie retteten. Diese Episode brachte Kennedy den Ruf eines Kriegshelden ein. Die Bewr der Salomonen erwähnte er dabei nie. Ebenso wenig wurden ihnen die paar Tausend Dollar, die ihnen noch zustehen, gezahlt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verändere sich die Situation in den Trikont-Staaten und Ozeanien kaum: Nach der Heimkehr stellten viele kolonisierte Soldaten bestürzt fest, dass sie sich erneut in Abhängigkeit ihrer "Mutterländer" begeben mussten. Im Krieg ist ihnen versprochen worden, dass sie nach ihrer Rückkehr so behandelt werden wie die "Weißen". Diese Situation wär einer der Ausläser für die Unabhängigkeitskämpfe in den kolonialisierten Ländern.



* Den AutorInnen des Buches ist bewusst, dass der Ausdruck "Dritte Welt" problematisch ist, weil damit sämtliche Länder als Einheit behandelt und sprachlich zwei Stellen unter der "Ersten Welt" eingeprdnet werden. Es gebe laut den AutorInnen jedoch keine unstrittige Alternative. "Peripherie", "Entwicklungsländer", "Süden" und "Trikont" würden sich als ähnlich problematisch oder unpraktikabel erweisen, da sie entweder ebenfalls von Hierarchien oder falschen Pauschalisierungen ausgehen.



Buchvorstellung und Lesung mit einem Autoren des Rheinischen JournalistInnenbüros

Das Buch:
Rheinisches JournalistInnenbüro (Hrsg.), ca. 456 Seiten,
erschien im März 2005, ca. 29.50 €, ISBN 3-935936-26-5.
In Göttingen erhältlich im Roten Buchladen, Nikolaikirchhof 7.

Veranstalterin ist die >A.L.I.< mit freundlicher Unterstützung durch den Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V. im Rahmen des 8.Mai 2005 - 60. Jahrestag der Befreiung vom deutschen Faschismus.
Bottom Line